Ein Forscherteam hat einen neuartigen Ansatz zur Behandlung von Weichteiltumoren identifiziert: Den Wissenschaftlern gelang es, Tumorzellen des Rhabdomyosarkoms gezielt in Muskelzellen zu verwandeln. Das Potential scheint enorm.
Das Rhabdomyosarkom ist einer der häufigsten Weichteiltumore im Kindesalter. Die Tumore sind mit der Skelettmuskulatur assoziiert und können überall im Körper entstehen. Folglich ist das Krankheitsbild vielfältig – eine vollständige Entfernung der Tumore ist oft schwierig bis nahezu unmöglich. Ein Team um Prof. Julia von Maltzahn hat nun einen neuartigen Behandlungsansatz für Rhabdomyosarkome entdeckt, der als Ergänzung zur traditionellen Chemo- und Strahlungstherapie bei dieser Tumorerkrankung eingesetzt werden könnte.
Rhabdomyosarkome können als zwei Subtypen auftreten: als alveolärer und embryonaler Subtyp. Beim embryonalen Subtyp sind die molekularen Ursachen für das Fortschreiten des Tumors bisher weitgehend unbekannt, was die Entwicklung therapeutischer Ansätze erschwert. Man nimmt an, dass die Tumoren aus Muskelvorläuferzellen entstehen. „Durch unsere Studien an humanen Tumorzellen des embryonalen Rhabdomyosarkoms fanden wir heraus, dass der transkriptionelle Repressor TRPS1, ein Protein, das an die DNA binden und so das Ablesen der Gene unterdrücken kann, konstant erhöht ist,“ erläutert von Maltzahn. Dieser erhöhte TRPS1-Spiegel führt im Muskelgewebe zu einer gestörten Differenzierung der Stammzellen und in den embryonalen Rhabdomyosarkom-Zellen zu einem vermehrten Wachstum der Zellen, was folglich das Tumorwachstum begünstigt.
„Bei der normalen Entstehung und Entwicklung der Skelettmuskulatur muss der TRPS1-Spiegel in den Zellen zu Beginn der Differenzierung herunterreguliert sein, da nur so ein gezielter Aufbau und Wachstum der Muskeln möglich ist,“ ergänzt Dr. Sören Hüttner, der die Studien durchführte. Doch welche genaue Rolle spielt TRPS1 bei der myogenen Differenzierung?
Die Forscher fanden heraus, dass bei einem übermäßigen Vorhandensein von TRPS1 in normalen Muskelzellen die Muskelbildung stark beeinträchtigt wird, ähnlich, wie das auch bei der Tumorerkrankung zu beobachten ist. „Der erhöhte TRPS1-Spiegel scheint also einer der Hauptinhibitoren der terminalen myogenen Differenzierung zu sein, der die Entstehung und Entwicklung der Skelettmuskulatur stört,“ berichtet von Maltzahn. „Das führte uns zu der Idee, dass wir durch Reduktion der TRPS1-Menge in den Tumorzellen eventuell das Tumorwachstum vermindern können.
Mit Hilfe verschiedener Methoden (z. B. shRNAs, Crispr/Cas9) gelang den Forschern tatsächlich – sowohl in Zellkultur als auch im Mausmodell – der Nachweis, dass sich durch die gezielte Absenkung des TRPS1-Spiegels in den Tumorzellen die Differenzierung der Zellen verändern lässt: Aus den Tumorzellen werden Muskelzellen, d. h. dort, wo vorher ein Tumor vorhanden war, entstehen Muskelzellen, die nicht mehr weiterwachsen können.
Das Protein TRPS1 verhindert das Ablesen von Genen, die für die Bildung von Muskeln wichtig sind. Credit: FLI / Kerstin Wagner.„Anhand dieser erfolgversprechenden Ergebnisse glauben wir, einen wirkungsvollen, neuartigen therapeutischen Ansatz zur Behandlung von embryonalen Rhabdomyosarkomen gefunden zu haben, mit dem man zukünftig – neben Chemo- und Strahlentherapie – das Wachstum und die Ausbreitung des Tumors stoppen könnte“, unterstreicht Dr. Hüttner. Alles deutet darauf hin, dass TRPS1 ein vielversprechendes therapeutisches Ziel mit hohem Potential ist, um Tumorzellen in Muskelzellen zu verwandeln, die sich nicht mehr teilen können und damit zum Stopp des Tumorwachstums beitragen.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des Leibniz-Instituts für Alternsforschung - Fritz-Lipmann-Institut (FLI). Hier gehts zur Originalpublikation.
Bildquelle: Aziz Acharki, unsplash