Frühgeborene sind sehr empfänglich für Umwelteinflüsse und können von einer einfühlsamen Erziehung profitieren. Sie können reif geborene Kinder jedoch nicht in der Entwicklung überholen, so eine aktuelle Studie. Die Forscher bestätigten so das sogenannte Diathesis-Stress-Modell.
Psychologische Theorien gehen davon aus, dass manche Kinder empfänglicher für Umwelteinflüsse sind als andere – unabhängig davon, ob diese Einflüsse positiv oder negativ sind. Im Gegensatz zum Diathesis-Stress-Modell geht das neue Differential Suscepitibility-Modell davon aus, dass besonders empfängliche Kinder weniger empfängliche Kinder in ihren Leistungen übertreffen können – auch wenn sie zunächst deutlich im Nachteil waren. Dr. Julia Jäkel von der AE Entwicklungspsychologie der Ruhr-Universität Bochum untersuchte mit Kollegen aus Großbritannien und den USA, welches der beiden Modelle zutrifft.
In ihre Analyse bezogen die Forscher 922 Kinder mit einem Geburtsgewicht zwischen 600 und 5.140 Gramm ein. Die Daten stammen aus der Bayerischen Entwicklungsstudie. Wie einfühlsam die Kinder erzogen wurden, bewerteten die Studienleiter anhand strukturierter Verhaltensbeobachtungen von Mutter-Kind Interaktionen im Alter von sechs Jahren. Mit acht Jahren absolvierten die Kinder eine Reihe standardisierter Tests, um ihre Fähigkeiten beim Rechnen, Lesen und Schreiben zu erfassen. Die Wissenschaftler verglichen die schulischen Leistungen von Kindern mit sehr niedrigem Geburtsgewicht, also weniger als 1.500 Gramm, beziehungsweise niedrigem Geburtsgewicht (1.500 bis 2.499 Gramm) mit den Leistungen von Kindern mit normalem Geburtsgewicht über 2.500 Gramm. Das internationale Psychologenteam konnte in der Analyse das Diathesis-Stress-Modell der Entwicklung bestätigen. Eine einfühlsame Erziehung ermöglicht es frühgeborenen Kindern zum Beispiel, Defizite im schulischen Bereich aufzuholen, allerdings nicht, besser zu werden als reif geborene Kinder. Originalpublikation: Effects of maternal sensitivity on low birth weight children’s academic achievement: a test of differential susceptibility vs. diathesis stress Julia Jäkel et al.; Journal of Child Psychology and Psychiatry, doi: 10.1111/jcpp.12331; 2014