Ein Magenbypass ist eine beliebte Behandlungsmethode bei Adipositas. Aber wie viel bringt der Eingriff wirklich – und gibt es überhaupt Alternativen?
In der Würzburger Adipositas Studie (WAS) vergleicht ein interdisziplinäres Team die Effekte einer Magenbypass-Operation gegenüber einer intensiven und psychotherapiegestützten Lebensstil-Intervention. Es ist weltweit die erste randomisierte Studie zur Adipositas-Chirurgie, in der als Endpunkte die kardiopulmonale Leistungsfähigkeit sowie die Lebensqualität definiert wurden. Die Ergebnisse wurden jetzt in der wissenschaftlichen Zeitschrift Metabolism veröffentlicht.
Der Leidensdruck von Menschen mit starkem Übergewicht ist groß. Neben der Stigmatisierung und eingeschränkten Lebensqualität kommen Begleiterkrankungen wie Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen hinzu. Eine so genannte bariatrische Chirurgie kann Erleichterung schaffen und das Gesamtüberleben verbessern. In der Würzburger Adipositas-Studie, kurz WAS, wurden die positiven Effekte einer Magenbypass-Operation auf die Lebensqualität und Herz-Lungen-Funktion gegenüber einer intensiven Lebensstil-Intervention nun erstmals randomisiert belegt.
„Zur Adipositas-Chirurgie gibt es nur eine Handvoll randomisierter Studien, da die Rekrutierung sehr schwierig ist“, berichtet Prof. Martin Fassnacht, Leiter des Lehrstuhls Endokrinologie und Diabetologie in der Universitätsmedizin Würzburg. „Entweder wollen die Patientinnen und Patienten die Operation unbedingt, oder sie lehnen sie aus Angst vor dem irreversiblen Eingriff und den damit verbundenen Lebensveränderungen ab. Da möchten nur wenige mittels Zufallsmechanismus einer Gruppe zugeordnet werden. Darüber hinaus muss bei jedem Studienteilnehmenden eine Indikation sowie eine Kostenzusage der Krankenkasse für einen bariatrischen Eingriff vorliegen.“ Unter anderem deshalb hat es eine randomisierte Studie zur Adipositas-Chirurgie mit den Endpunkten Lebensqualität und kardiopulmonaler Belastungsfähigkeit bisher noch nicht gegeben.
Für die Studie wurden insgesamt 60 Patienten mit schwerem Übergewicht randomisiert und viereinhalb Jahre lang betreut. Die Mehrzahl der Studienteilnehmenden (88 %) war weiblich, der durchschnittliche BMI lag bei 48 (kg/m2). Nach einer sechs- bis zwölfmonatigen Vorlaufphase erhielten 22 Studienteilnehmer einen Roux-Y-Magenbypass (RYGB) und 24 eine psychotherapiegestützte Lebensstil-Intervention (PELI). Bei der nach dem Schweizer Chirurgen César Roux benannten Operationsmethode wird der Magen verkleinert und die Nahrung durch eine künstlich angelegte, Y-förmige Verbindung an großen Teilen des Magens und des Dünndarms vorbeigeleitet. Als Folge des Eingriffs kann weniger Nahrung aufgenommen werden und der Darmhormonhaushalt ändert sich massiv.
„Bestimmte Nahrungsmittel wie Fleisch und Süßigkeiten werden dann oft nicht mehr gut vertragen“, erklärt Dr. Ann-Cathrin Koschker, Oberärztin der Endokrinologie am UKW die Nebenwirkungen eines Magenbypasses. „Nach einem Jahr vertragen zwar viele wieder vieles, aber eben nicht alle alles, und man weiß vorher nicht, zu welcher Gruppe man gehört. Man muss wirklich bereit sein für diese Umstellung.“
WAS hat den beachtlichen Gewichtsverslust nach dem chirurgischen Eingriff noch einmal eindrucksvoll belegt. „Während die Teilnehmenden der PELI-Gruppe durch die Intervention mit ausführlicher Ernährungsberatung und engmaschiger psychotherapeutischer Begleitung immerhin im Schnitt 2 Kilogramm innerhalb eines Jahres abnahmen, verloren die Probandinnen und Probanden mit Magenbypass 34 Prozent ihres Körpergewichts“, schildert Koschker. Im Schnitt waren die Teilnehmer in der chirurgischen Gruppe 1,67 Meter groß, wogen zu Beginn 136 Kilogramm und brachten ein Jahr nach der Operation 47 Kilogramm weniger auf die Waage. Ihr BMI sank von 49 auf 31 kg/m2. „Das sind fast drei handelsübliche Wasserkästen, die man weniger mit sich herum trägt“, rechnet Fassnacht vor.
Und tatsächlich hat sich der eklatante Gewichtsverlust in der RYGB-Gruppe sichtlich positiv auf die Lebensqualität, Herzfunktion und Begleiterkrankungen ausgewirkt. „Wir haben im Herzultraschall, der so genannten Echokardiografie, gesehen, dass die Masse des Herzmuskels im Verlauf eines Jahres um 32 Gramm zurückging. Das war ein unerwartet starker Effekt“, meint Prof. Dr. Stefan Störk, Leiter der Klinischen Forschung am Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz Würzburg (DZH). Störk hat gemeinsam mit Fassnacht die Adipositas-Studie geleitet.
Die Abnahme der linksventrikulären Herzmuskelmasse hat sich wiederum auf die Leistungsfähigkeit ausgewirkt. Bei der Spiroergometrie auf dem Laufband, einem Belastungs-EKG mit gleichzeitiger Messung der Atemgase, konnten die RYGB-Operierten ihre Sauerstoffaufnahme um 4,3 ml/min/kg steigern. Beim 6-Minuten-Gehtest schafften sie 44 Meter mehr als noch vor der Operation. Die PELI-Gruppe fühlte sich nach der intensivierten Lebensstil-Intervention ebenfalls etwas fitter, legte im Schnitt sechs weitere Meter innerhalb der vorgegebenen sechs Minuten zurück und berichtete eine leicht verbesserte Lebensqualität.
Bei den Operierten jedoch fiel diese Verbesserung mit + 40 Punkten auf der Physical Functioning Scale (Fragebogen zum Gesundheitszustand SF-36) wesentlich deutlicher aus als in der PELI-Gruppe mit + 10 Punkten. „Damit war die Lebensqualität der Operierten praktisch wieder so gut wie die von gesunden Normalpersonen“, konstatiert Dr. Bodo Warrings, der die psychotherapeutische Intervention begleitet hat. „Wichtig ist aber, dass die Operation in einen Gesamt-Therapieplan mit Lebensstil-Interventionen integriert wird“, fügt der Psychiater und Psychotherapeut am Zentrum für Psychische Gesundheit hinzu.
„Die Größe der beobachteten Effekte deutet übereinstimmend darauf hin, dass diese Veränderungen klinisch relevant sind“, betont Fassnacht. Beeindruckend seien zum Beispiel die Auswirkungen auf den Blutdruck nach dem chirurgischen Eingriff und dem damit einhergehenden Gewichtsverlust: obwohl die RYGB-Gruppe nach der OP weniger Blutdruckmedikamente als die PELI-Gruppe einnahm, hatte sie niedrigere Blutdruckwerte.
„15 Patientinnen und Patienten aus der PELI-Gruppe nahmen übrigens das Angebot war und ließen sich nachträglich operieren“, bemerkt Koschker. „Und auch bei ihnen bestätigten sich ganz klar die positiven Effekte der bariatrischen Chirurgie.“
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung des Universitätsklinikums Würzburg. Die Originalpublikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Joel Muniz, unsplash