Insekt schlägt Kleinkind: Bienen sind bekanntermaßen sozial, organisiert und intelligent – in einigen Bereichen sind sie sogar besser als Menschen. In welchen, lest ihr hier.
Die Bienchen und die Blümchen – vielleicht ist an der Liebes-Metapher doch mehr dran, als man vermutet. Lars Chittka, Professor für Verhaltensökologie an der Queen Mary University in London, ist sich ziemlich sicher, dass Bienen empfindsame Wesen sind. In seinem Buch The Mind of a Bee beschreibt er unterschiedliche Verhaltensweisen, die die kleinen Insekten an den Tag legen – und warum diese Fähigkeiten Intelligenz und Empfinden vermuten lassen.
Bei tierischer Intelligenz denkt man häufig erst an größere Säugetiere wie Affen oder Delfine. Doch auch die ganz kleinen können überraschen. Soziale Insekten sind nicht nur Organisationskünstler, sie scheinen auch andere Eigenschaften mit uns Menschen zu teilen.
Insektenhirne sind winzig, aber man fand heraus, dass ein kleiner Bereich des zentralen Komplexes im Hirn in der Lage ist, Orientierungspunkte in der Umgebung aufzunehmen und Richtungen auch mithilfe eines integrierten Sonnenkompasses zu erkennen. Dadurch, dass im zentralen Komplex des Hirns diese äußeren Reize mit dem inneren Verständnis der Umgebung abgeglichen werden, gehen Forscher davon aus, dass hier das Bewusstsein sitzen könne.
Ein Experiment, das Chittka in seinem Buch beschriebt, zeigt, dass Bienen sogar identisch aussehende Orientierungspunkte beim Vorbeifliegen zählen können. Um das zu prüfen, wurde eine Futterbelohnung hinter drei Orientierungspunkten platziert, zu der die Biene flog. In späteren Durchgängen wurde die Distanz zwischen den Orientierungspunkten entweder erhöht oder reduziert – trotzdem landete die Biene nach drei Orientierungspunkten, um auf Futtersuche zu gehen. Das Ergebnis deutet darauf hin, dass die Biene im Vorbeifliegen mitgezählt hat.
Bienen haben aber nicht nur bei der Orientierung den Überblick, sie sind auch in der Lage, Gesichter zu unterscheiden und wiederzuerkennen. Honigbienen wurden unterschiedliche menschliche Gesichter gezeigt, von denen eins mit einer Zucker-Belohnung in Verbindung gesetzt wurde. Tatsächlich konnten die Bienen, auch ohne lockende Belohnung, das Gesicht inmitten anderer, ähnlich dargestellter Gesichter wiedererkennen. Nach ein bisschen Training können Bienen zu „kompetenten Gesichtserkennern“ werden, meint Chittka.
Während seiner Forschung realisierte Chittka außerdem, dass manche Bienen neugieriger und selbstsicherer auftraten als andere. Man finde sogar die ein oder andere „geniale Biene“ in einem Volk, sagt er. Das ist vor allem beim Training von Vorteil. Wenn man nämlich ein einzelnes Individuum trainiert, verbreitet sich die Fähigkeit schnell innerhalb des Volkes. Dabei ahmen die beobachtenden Bienen die Aktion nicht nur nach, sie verbessern gleichzeitig die Technik. Sie sind also in der Lage, die Aufgabe effizienter auszuführen, ohne sie zu üben. Voraussetzung dafür ist, dass die Biene über den gewünschten Effekt oder Output ihrer Aktion nachdenkt und diese nicht einfach nur blind ausführt.
Um mehr über das Empfinden von Bienen zu erfahren, wurden absichtlich Begegnungen mit Spinnen auf Blüten simuliert. Die Tiere waren danach zögerlicher. Sie inspizierten die Blüten erst ausgiebig, bevor sie auf ihnen landeten. Im weiteren Verlauf zeigten sie auch als ängstlich zu interpretierendes Verhalten. So lehnten sie teilweise die Landung auf bereits gründlich inspizierten Blüten ab, obwohl keine Spinne zusehen war. Das Verhalten der Bienen erinnere die Forscher an eine posttraumatische Belastungsstörung. Durch das Vermitteln von positiven Stimuli, etwa in Form von Zuckerbelohnungen vor der Blütenwahl, konnte dieser Effekt umgekehrt werden. Die traumatisierten Bienen waren dann in einer besseren Grundstimmung und nahmen die zwiespältigen Reize eher in Kauf.
Chittka ist nicht der Einzige, der sich für Bienen interessiert: Eine Studie von Howard et al. zeigte, dass Bienen in der Lage sind, die Zahl Null zu verstehen – ein Konzept, das vielen Kleinkindern schwer fällt. Die Bienen wurden so trainiert, dass sie von den gezeigten Bildern das mit der geringsten Anzahl von abgebildeten Elementen wählen sollen. Also bei zwei Bildern, die einmal drei und einmal vier Elemente zeigen, würden sie belohnt werden, wenn sie sich für das Bild mit den drei Elementen entscheiden. Als den Bienen die Wahl zwischen einem Bild mit null Elementen und einem anderen mit einem oder mehr Elementen gegeben wurde, wussten sie – ohne ein leeres Bild vorher gesehen zu haben – dass dieses die niedrigste Nummer darstellt.
Diese ganzen Ergebnisse zeigen, dass Bienen mehr können, als nur Honig zu produzieren. Für komplexe Denkleistungen reichen also auch kleinere Nervensysteme. Gleichzeitig wirft das vielschichtige Verhalten der Insekten Fragen auf: Wie erreichen sie diese kognitiven Leistungen mit ihrem Hirn? Und wie entstehen Bewusstsein und Empfinden? Wenn Honigbienen intelligentes Verhalten zeigen, könnte das bedeuten, dass auch andere Tiere mehr im Köpfchen haben, als bisher vermutet.
Bildquelle: Endri Killo, unsplash