Mit der hormonellen Verhütung ist das so eine Sache: hilft viel, hat aber auch viele Nebenwirkungen. Könnte sich die Antibabypille auch auf das Stressempfinden auswirken – und was haben Gesellschaftsspiele damit zu tun?
Seit den 1960er Jahren gehört die Antibabypille zu einem der beliebtesten Verhütungsmittel. Dennoch sind viele komplexe Reaktionen des Körpers auf die kleine hormonhaltige Pille noch unbekannt. Wissenschaftler untersuchten nun in einer Studie die Stressreaktion von jungen Frauen, indem sie unter anderem den Spiegel des Stresshormons ACTH (Adrenocortikotropes Hormon) im Blut bestimmten und diesen mit Kontrollpersonen, die nicht mit der Pille verhüteten, verglichen. Das Durchschnittsalter der Frauen lag bei 20,5 Jahren.
Da eine soziale Interaktion mit anderen Menschen als eines der wirksamsten Mittel zum Stressabbau gilt, bekamen die Frauen beider Gruppen nach der Blutentnahme die Gelegenheit an einer von sechs Gruppenaktivitäten teilzunehmen, wie z. B. Brettspiele spielen, sich in einer Gruppensitzung kennen lernen, gemeinsam Lieder singen oder einen Gottesdienst besuchen. Dabei zeigte sich, dass der Stresshormonspiegel bei den Frauen, die keine Antibabypille einnahmen, nach einer fünfzehn-minütigen soziale Aktivität sank. Bei den Frauen, die die Pille einnahmen, sank der ACTH-Spiegel hingegen nicht.
„Unsere Ergebnisse sind wirklich wichtig, weil sie darauf hinweisen, dass Menschen, die die Antibabypille nehmen, bei sozialen Aktivitäten nicht die gleiche Verringerung des Stresshormonspiegels erfahren wie Menschen, die die Pille nicht nehmen”, erklärt Studienautor Michael Winterdahl.
Die Studie unterscheidet sich von früheren Untersuchungen, die sich in erster Linie auf die Ausschüttung des Stresshormons Cortisol in Extremsituationen konzentrierten. ACTH hingegen wird wesentlich schneller abgebaut als Cortisol. Dies ermöglicht es den Forschern, schnelle Veränderungen in der Stressreaktion der Personen zu beobachten. Weiterhin war die Analyse des ACTH-Spiegels in Verbindung mit einer sozialen Aktivität ein neuer Ansatz.
„Durch die Untersuchung des ACTH-Spiegels machen wir einen weiteren Schritt, um zu verstehen, wie das Gehirn Stress reguliert, da ACTH als Neurotransmitter vom Gehirn zur Nebennierenrinde wirkt, die Cortisol produziert. Wenn wir den ACTH-Spiegel analysieren, erhalten wir Einblick in den Schnellreaktionsmechanismus, der die Reaktion des Körpers auf Stress steuert”, so Winterdahl.
Antibabypillen sind dafür bekannt, dass sie die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse (HPA) beeinflussen können. Das Stresssignal wandert vom Hypothalamus im Gehirn über die Hirnanhangsdrüse, die ACTH freisetzt, zu den Nebennieren, die Cortisol ausschütten.
Die Forscher suchen noch nach einer endgültigen Erklärung dafür, warum Anwenderinnen der Antibabypille bei sozialen Aktivitäten nicht die gleiche Verringerung des Stresshormonspiegels erfahren wie Menschen, die die Pille nicht nehmen. „Es gibt mehrere konkurrierende Hypothesen, die versuchen, den niedrigeren Cortisolspiegel bei Anwenderinnen der Antibabypille zu erklären. Unsere Forschung hat uns einer Erklärung nähergebracht, die sich auf das Gehirn und die ACTH-Dynamik konzentriert. Die Biochemie ist komplex, aber wir gehen davon aus, dass die Antibabypille die körpereigene Produktion von Progesteron unterdrücken kann”, sagt Michael Winterdahl.
Progesteron wird zu dem Hormon Allopregnanolon abgebaut, das an einer Vielzahl von beruhigenden Wirkungen beteiligt ist und die Stressreaktion beeinflussen kann.
An der Studie nahmen Frauen teil, die die Antibabypille einnahmen und Frauen, die dies nicht taten. Die Frauen befanden sich in unterschiedlichen Phasen ihres Menstruationszyklus. Die Studie ergab, dass die Stressreaktion bei Frauen, die keine Antibabypille nahmen, davon abhängig war, in welcher Phase ihres Monatszyklus sie sich befanden. Die stressreduzierenden Gruppenaktivitäten hatten keinen Einfluss auf den ACTH-Spiegel der Frauen, die sich in der proliferativen Phase ihres Zyklus befanden. „Während der proliferativen Phase eines natürlichen Zyklus ist der Progesteronspiegel sehr niedrig. Dies führt zu einer minimalen Umwandlung von Progesteron in das Hormon Allopregnanolon. Da Allopregnanolon wichtig für die Aktivierung der Rezeptoren ist, die die Stressreaktion regulieren, sehen wir bei Frauen mit natürlichem Zyklus, die gerade ihre Periode hatten, keine Verringerung der ACTH-Spiegel”, sagt Winterdahl.
Er weist darauf hin, dass Frauen in der Regel während der proliferativen Phase auch körperlich aktiver sind, was als eine Anpassung angesehen werden könnte, bei der sich die Stressreaktion und das Verhalten im Einklang mit dem Zyklus ändern. Bei Frauen, die die Antibabypille nehmen, ist die Stressreaktion „abgekoppelt”, d. h. sie kann nicht an eine bestimmte Situation angepasst werden.
Die Forschung kann noch nicht genau erklären, wie sich dies bei Frauen auswirkt. Daher sind weitere Forschungsarbeiten erforderlich, um die komplexen Mechanismen zu klären, die an der Korrelation zwischen Hormonspiegel und Stressreaktion beteiligt sind. „Es ist auch wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Antibabypille nicht einfach ein Verhütungsmittel ist. Es gibt verschiedene Generationen der Pille, die aufgrund der verwendeten Hormone jeweils eine eigene chemische Struktur aufweisen, was bedeutet, dass die Pillen unterschiedliche Nebenwirkungsprofile haben. Deshalb ist es wichtig, dass unsere Experimente mit einer größeren und vielfältigeren Gruppe von Probanden wiederholt werden”, sagt Winterdahl.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Aarhus University. Die Originalpublikation findet ihr hier.
Bildquelle: Reproductive Health Supplies, Unsplash