Forscher konnten nun mithilfe der funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT) die Hirnnetzwerke bestimmen, welche bei und vor der Werkzeugverwendung aktiv sind. Dieses Wissen kann möglicherweise die Apraxie-Diagnostik und -Therapie verbessern.
Sie können ihre Jacke nicht zuknöpfen oder haben Schwierigkeiten, den Schlüssel ins Schloss zu stecken: Diese Menschen leiden unter Apraxie. Bei ihnen sind motorische Handlungen gestört – beispielsweise nach einem Schlaganfall. Wissenschaftler haben jetzt die Gehirnareale untersucht, die für die Planung und Ausführung komplexer Handlungen verantwortlich sind. Dabei stellten sie fest, dass es im Gehirn ein spezifisches Netzwerk für den Gebrauch von Werkzeugen gibt.
Forscher an der Technischen Universität München (TUM) und am Klinikum rechts der Isar haben analysiert, welche Hirnnetzwerke für den Gebrauch von Werkzeugen oder anderen Hilfsmitteln verantwortlich sind. Dafür setzten die Wissenschaftler die funktionelle Magnetresonanztomographie ein. Diese Bildgebungsmethode zeigt, welche Hirnareale bei Gedanken, Bewegungen und Handlungen aktiviert werden. Die Verwendung von Werkzeugen ist eine essentielle Fähigkeit des Menschen. „Es gibt zahlreiche Studien, die neuronale Prozesse beim Werkzeuggebrauch untersuchen“, sagt Prof. Dr. Joachim Hermsdörfer vom TUM-Lehrstuhl für Bewegungswissenschaften. „Viele Studien beschränken sich jedoch darauf, dass Probanden eine Handlung betrachten, sie pantomimisch ausführen oder sie sich einfach nur bildlich vorstellen.“ Ziel der aktuellen Studie war es, die neuronalen Grundlagen des Werkzeuggebrauchs unter möglichst realitätsnahen Bedingungen zu analysieren.
Im fMRT erhielten die Probanden zehn Alltagsgegenstände, darunter Hammer, Flaschenöffner, Schlüssel, Feuerzeug und Schere sowie beliebige Objekte. Sie bekamen die Aufgabe, die Gegenstände entweder zu benutzen oder nur anzuheben und wieder abzulegen, jeweils mit der linken und rechten Hand. Bei der Analyse der Daten betrachteten die Wissenschaftler die Phase der Handlungsplanung und der tatsächlichen Ausführung getrennt voneinander. Damit konnten sie die Hirnnetzwerke bestimmen, die bei der Planung und Ausführung des Werkzeuggebrauchs aktiv sind. Eine wichtige Erkenntnis war, dass die linke Gehirnhälfte aktiviert wird, wenn die Probanden den Werkzeuggebrauch planten - unabhängig davon welche Hand sie benutzten. Daneben konnten die Forscher ein weit verzweigtes Netzwerk erkennen, das neben der Planung der Handlung auch die Ausführung des Werkzeuggebrauchs steuert. Für die Verwendung unbekannter Objekte hingegen sind diese Regionen nicht so stark aktiv.
Das „Werkzeug-Netzwerk“ besteht aus Hirnregionen des Parietal- und Frontallappens sowie Regionen im hinteren Temporallappen und einem weiteren Areal im seitlichen Okzipitallappen des Gehirns. Es zeigt sich ein neuronales Aktivierungsmuster, das alle Elemente einer komplexen Handlung abdeckt: Dazu gehören das Erkennen der Objekte als Werkzeuge, das Verstehen, wie sie gebraucht werden und die motorische Aktion, um das Werkzeug tatsächlich zu benutzen. „Außerdem konnten wir in der Studie die Annahme bestätigen, dass es für verschiedene Aufgaben unterschiedliche Wahrnehmungs-‚Ströme‘ im Gehirn gibt“, erklärt Hermsdörfer. Der dorsale Strom der Wahrnehmung leitet Signale zum hinteren Parietallappen weiter und ist allgemein für die Steuerung von Handlungen zuständig. „Er lässt sich in zwei funktionsspezifische Verarbeitungswege unterteilen: Der dorso-dorsale Strom steuert grundlegende Greif- und Bewegungsprozesse unabhängig davon, ob das Objekt bekannt ist oder nicht. Ein zweiter Strom, der ventro-dorsale Strom, wird aktiv, wenn wir bekannte Werkzeuge benutzen." Das Wissen über die Lokalisierung dieser „Handlungsmodule“ kann möglicherweise helfen, eine differenziertere Diagnose der Apraxie zu erstellen und verbesserte Therapiemaßnahmen zu entwickeln. Originalpublikation: The Neural Correlats of Planning and Executing Actual Tool Use Joachim Hermsdörfer et al.; The Journal of Neuroscience, doi: 10.1523/JNEUROSCI.0597-14.2014; 2014