Oft vergeht nach dem Auftreten erster Beschwerden eine erstaunlich lange Zeit, bis Patient*innen die Diagnose CED erhaltenund damit eine Chance auf eine adäquate Therapie bekommen. In einer großen europaweiten Umfrage dauerte es bei rund zwei Drittel der Befragten mehr als ein halbes Jahr, bis die CED-Diagnose feststand, bei knapp der Hälfte verging mindestens ein ganzes Jahr.1 In einer von 2007-2016 in Deutschland durchgeführten Studie dauerte es in gastroenterologischen Fachpraxen im Median 45 Tage, bis aus einer Verdachtsdiagnose eine gesicherte Diagnose wurde.2 Die Zeit vor der Verdachtsdiagnose wurde da noch gar nicht berücksichtigt.
Die Zahlen sind insofern beunruhigend, als eine späte Diagnose mit einem erhöhten Risiko für einen ungünstigen Krankheitsverlauf verbunden ist. Beispielsweise wurde gezeigt, dass sich durch die Verzögerung das Risiko für einen erforderlichen operativen Eingriff signifikant erhöht – sowohl beim Morbus Crohn als bei der Colitis ulcerosa.3 Doch wie kann die Zeit bis zur Diagnose verkürzt und die Versorgung von Patient*innen verbessert werden?
Für eine frühe Diagnose und adäquate Therapie der CED ist eine enge Abstimmung zwischen den beteiligten Fachdisziplinen und Sektoren notwendig. Doch nach wie vor bestehen in Deutschland starre Grenzen, z. B. zwischen ambulanter und stationärer Versorgung, zwischen Akutversorgung und Rehabilitation oder zwischen dem ärztlichen und dem pflegerischen Bereich. Diese fehlende interne Vernetzung im Gesundheitssystem kann der optimalen Patientenversorgung im Wege stehen.
Auf einem Satellitensymposium von Takeda, das im Rahmen des DGIM 2023 stattgefunden hat,wurde von Dr. Gero Moog, erfahrener niedergelassener Gastroenterologe aus Kassel, ein Stufenmodell zur CED-Versorgung vorgestellt, das 2009 von Sozialmediziner*innen entwickelt wurde. Das Modell umfasst drei Versorgungsebenen: die hausärztliche Praxis, die gastroenterologische Fachpraxis und CED-Schwerpunkte (ambulante spezialfachärztliche Versorgung (ASV) oder Klinikambulanzen).4
Besonders relevant ist die Frage, wie die Versorgungsebenen miteinander interagieren, damit eine leitliniengerechte und patientenzentrierte Behandlung erfolgen kann. Das Modell sieht dazu folgende Versorgungspfade vor:4
Abb. 2: Interaktionen der verschiedenen Versorgungsebenen. * Die erste und die zweite ambulante Ebene überweisen Patient*innen im Notfall direkt an den stationären Sektor. CED = chronisch-entzündliche Darmerkrankung; CU = Colitis ulcerosa; MC = Morbus Crohn. Mod. nach 4.
Mit solchen klaren Versorgungspfaden wird unter anderem das Ziel verfolgt, die Beteiligten im Gesundheitssystem besser zu vernetzen und die Zeit bis zur Diagnose zu verkürzen. Gerade in den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass eine Therapie in einem frühen CED-Stadium den Krankheitsverlauf deutlicher verlangsamen und Darmschädigungen effektiver verhindern kann als ein später Therapiebeginn.5 Um Komplikationen zu vermeiden sollte das „Window of Opportunity“ in der frühen Krankheitsphase unbedingt genutzt werden!
Abb. 1: Das „Window of Opportunity“ in der frühen Krankheitsphase bei einem typischen MC-Verlauf. CDAI = Crohn’s Disease Activity Index; CDEIS = Crohn's Disease Endoscopic Index of Severity; CRP = C-reaktives Protein. Mod. nach 5.
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