Deutschlandweit demonstrierten gestern Medizinstudenten für eine bessere Zukunft. Ihre Forderungen sind klar: Sie wollen faire Bedingungen im praktischen Jahr.
Im PJ (praktisches Jahr) sollen angehende Mediziner praktische Erfahrungen sammeln und Fertigkeiten festigen, die sie im Laufe des Studiums erlernt haben und die ihnen später im Beruf helfen sollen. Gleichzeitig bekommen sie einen guten Einblick in den medizinischen Alltag.
Die Realität sieht aber anders aus: Für viele Mediziner bedeutet das PJ harte Arbeit unter schlechten Bedingungen. Sie arbeiten 40–50 Stunden pro Woche und werden kaum bis gar nicht entlohnt, sodass viele auf einen Nebenjob angewiesen sind, um sich selbst zu finanzieren. Außerdem werden von den insgesamt 30 Fehltagen auch bei krankheitsbedingten Ausfällen Tage abgezogen. Dazu werden PJler in Kliniken oft dort eingesetzt, wo Arbeitskräfte auf Station fehlen, um den Personalmangel abzufangen. „Studierende im PJ sind keine billigen Hilfskräfte.“ Dieser Meinung ist Hans Martin Wollenberg, der erste Vorsitzende des Marburger Bundes in Niedersachsen – und damit ist er nicht allein.
Am 19. Juli taten sich Studenten zusammen und demonstrierten bundesweit an unterschiedlichen Standorten – unter anderen in Berlin, Heidelberg, Mainz und Gießen – für ein faires PJ. Der Marburger Bund unterstützt die Aktion und rief gemeinsam mit der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland e. V. (bvmd) Medizinstudenten zur Teilnahme auf. Laut bvmd waren an den Demonstrationen mehr als 3.500 Medizinstudenten in 13 Städten beteiligt.
Das Bundesministerium für Gesundheit ist für die Approbationsordnung zuständig – diese wird zurzeit überarbeitet. Die neue Version soll dann ab 2027 in Kraft treten. Verhandelt wird voraussichtlich noch bis Herbst 2023, weswegen die studentischen Stimmen jetzt lauter werden. Schon 2019 hat die bvmd eine Petition veröffentlicht, die bessere Bedingungen im PJ forderte. Es wurden bis auf den Wunsch nach einer Mindestaufwandsentschädigung alle Punkte in die Entwürfe zur Reform der Approbationsordnung aufgenommen, doch die Kernprobleme bleiben.
„Ich glaube nicht, dass es einer kompletten Umstrukturierung [des Studiums] bedarf, sondern eher, dass das PJ als Teil des Studiums vernachlässigt wird“, sagt Alexandra Archodoulakis, Sonderbeauftragte für das praktische Jahr der Fachschaftsinitiative Medizin an der Charité. Das PJ müsse reformiert werden, aber auch der Umgang mit den PJlern könne laut Archodoulakis wertschätzender sein. Ziel solle es sein, die Lehre zu vermitteln und „eben nicht die Tätigkeiten, für die auf Station sonst keine Zeit sein würde, auf die PJ-Studierenden zu übertragen“. So wie das PJ derzeit aufgebaut sei, führe es eher zum Burnout.
Um die bisherigen Missstände zu beseitigen, fordern die Studenten daher Folgendes:
Gerade die Berliner Charité bildet bei der letzten Forderung das Schlusslicht. Die Charité sei nämlich die letzte Uniklinik, die keine Aufwandsentschädigung anbiete, sagt Alexandra Archodoulakis.
„Es [das Demonstrieren] wird zum Teil als Affront aufgefasst gegen die Klinik. Das ist tatsächlich gar nicht so gemeint und auch nicht gegen die Ärztinnen und Ärzte […]. Wir möchten da eher an einem Strang ziehen mit der Klinik, damit sich die Situation generell ein bisschen ändert und man dann gemeinsam eine bessere Ausbildung fördern kann, für eine besser Patientenversorgung, die dann später auch existiert“, sagt Archodoulakis über die Demonstration. „Wenn was gut läuft im PJ, dann ist das tatsächlich basierend auf dem individuellen Engagement von Ärztinnen und Ärzten. […] Der Sinn [des PJs], den möchten wir auch gar nicht in Frage stellen“, betont Archodoulakis, „nur möchten wir nicht, dass das an individuellem Engagement hängen bleibt.“
Die Petition der bvmd mit den genannten Forderungen läuft weiter. Insgesamt sollen 100.000 Stimmen gesammelt werden und anschließend dem Bundesministerium für Gesundheit überreicht werden. Die Studenten hoffen auf eine Aufnahme der Forderungen in die neue Approbationsordnung und eine Verbesserung der Konditionen, wenn diese 2027 in Kraft tritt.
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