Patienten mit atrialen Hochfrequenzepisoden werden häufig Blutverdünner zur Schlaganfallprophylaxe verabreicht. Doch ist das wirklich sinnvoll?
Implantierbare Geräte und sogenannte Wearables wie Smart-Watches ermöglichen eine fast kontinuierliche Überwachung des Herzrhythmus. Das führt dazu, dass bei vielen Menschen, insbesondere bei älteren Personen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, kurze Rhythmusstörungen festgestellt werden. Diese atriale Hochfrequenzepisoden (AHRE) sehen aus wie Vorhofflimmern. Bei Menschen mit Vorhofflimmern bieten Blutverdünner erwiesenermaßen einen wirksamen Schutz vor Schlaganfällen. Deshalb werden auch Patienten mit AHRE häufig mit Antikoagulanzien behandelt.
„Implantierte Schrittmacher, Defibrillatoren oder Herzmonitore können Vorhofrhythmusstörungen kontinuierlich aufzeichnen und quantitativ erfassen. Patient:innen, die ein solches Gerät in sich tragen, sind eine geeignete Studienpopulation zur Untersuchung gelegentlicher Vorhofrhythmusstörungen und deren Auswirkungen bei älteren Menschen“, erklärt Dr. Tobias Tönnis vom Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf (UKE). „AHRE treten bei 10 bis 30 Prozent der älteren Menschen auf, die kein Vorhofflimmern haben.“
Tönnis und sein Team werteten eine Reihe von bisherigen AHRE Studien aus und fassten den aktuellen Wissensstand zum Schlaganfallrisiko zusammen. Dabei zeigte sich, dass es unklar ist, ob Antikoagulanzien bei Patienten mit AHRE Schlaganfälle verhindern können. Das fehlende Wissen spiegelt sich in den aktuellen Behandlungsleitlinien weltweit wider. Orale Antikoagulanzien werden bei Patienten mit AHRE nicht routinemäßig empfohlen, sondern die Entscheidung zur Antikoagulation kann individuell auf der Basis einer klinischen Risikobewertung getroffen werden.
Die ausgewerteten Studien zeigen: AHRE gehen mit einem erhöhten Risiko für Blutgerinnsel einher, auch wenn dieses niedriger ist als bei klinischem Vorhofflimmern. Das Risiko für Blutgerinnsel scheint von der Dauer und Frequenz der AHRE Episoden und von der Zahl und Schwere der Begleiterkrankungen abzuhängen. Kürzlich veröffentlichte Studien lassen vermuten, dass Blutverdünner bei Menschen mit AHRE weniger Schlaganfälle verhindern, als man bisher dachte.
Eine kontrollierte klinische Studie untersucht aktuell die Wirksamkeit und Sicherheit von Blutverdünnern bei Patienten mit AHRE. Die Probanden sind Patienten von 65 Jahren oder älter, die AHRE aufweisen und mindestens zwei Schlaganfallrisikofaktoren erfüllen. In der Studie wird eine Behandlung mit Edoxaban – einem nicht-Vitamin K-abhängigen oralen Antikoagulanz (NOAK) – mit der aktuellen Therapie, bestehend entweder aus einer Blutplättchenhemmung oder gar keiner antithrombotischen Therapie, verglichen. Die Ergebnisse werden demnächst veröffentlicht.
Der wissenschaftliche Leiter der Studie, Prof. Paulus Kirchhof betont, dass die Studie dringend gebrauchte Informationen zur Wirksamkeit und Sicherheit der oralen Antikoagulation bei Menschen mit AHRE liefern wird. „Wir hoffen, dass die neuen Daten mehr Aufschluss über das Thema geben und dass weitere Studien folgen“, so der Kardiologe.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des Kompetenznetz Vorhofflimmern (AFNET). Hier findet ihr die Originalpublikation.
Bildquelle: Marco Bianchetti, unsplash