Eine einfache Behandlung gegen Depression, die Patienten auch zu Hause machen können. Das klingt zu schön, um wahr zu sein. Warum die nicht-invasive Hirnstimulation wohl doch nicht das Gelbe vom Ei ist, lest ihr hier.
Sie wird gepriesen als eine einfach durchführbare und kostengünstige Alternative zur transkraniellen Magnetstimulation in der Behandlung der Depression: die transkranielle Gleichstromstimulation (tDCS). Zwei größere und in angesehenen Fachzeitschriften veröffentlichte Studien hatten einen positiven Effekt nachgewiesen. Jetzt hat ein Team unter Leitung von Prof. Frank Padberg aus der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des LMU Klinikums München in einer qualitativ hochwertigen Studie das Verfahren erneut überprüft.
„Und wir haben durchgehend keine Wirkung auf die depressive Symptomatik gefunden“, sagt Dr. Gerrit Burkhardt vom Center for Non-Invasive Brain Stimulation Munich-Augsburg (CNBSMA), das zur Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie gehört. Die Studie ist in The Lancet erschienen.
Kinderleicht soll es sein, nach einer Schulung sogar von den Patienten zuhause machbar: Zwei Elektroden werden auf dem Schädel angebracht, verbunden mit einem Gleichstrom erzeugenden Gerät. Dann schaltet man ein, der sanfte Strom auf der Kopfhaut beginnt zu fließen und moduliert idealerweise die Nervenzellen des Gehirns, allenfalls spürbar durch ein leichtes Kribbeln. Bei der Depressionsbehandlung mit der transkraniellen Gleichstrom-stimulation (engl. transcranial direct current stimulation, tDCS) wird versucht, Nervenzellen im sogenannten Stirnhirn wiederholt anzuregen und so anhaltende Veränderungen im Verschaltungsmuster der dortigen Nervenzellen zu erreichen.
In der neuen Studie wurden 160 Patienten mit mittelschwerer Depression an acht Kliniken in Deutschland mit der tDCS behandelt. Alle Patienten waren stabil auf ein antidepressives Medikament eingestellt, von welchem sie allerdings nicht ausreichend profitiert hatten. Sechs Wochen lang bekam nun eine Hälfte der Patienten eine tDCS-Behandlung, die andere Hälfte eine Scheinbehandlung, die den Ablauf und die Begleiterscheinungen der Therapie nachahmt. Resultat: keine Unterschiede in der Wirksamkeit des Verfahrens in beiden Gruppen – sechs Wochen nach der Behandlung nicht und sechs Monate danach auch nicht.
Der Ansatz der tDCS ist damit nicht vom Tisch, sondern muss zunächst vor einer breiteren klinischen Anwendung weiterentwickelt und verfeinert werden. Zur Behandlung depressiver Erkrankungen steht aber weiter die transkranielle Magnetstimulation (TMS) zur Verfügung, die auch in der 2022 veröffentlichten Nationalen Versorgungsleitlinie Unipolare Depression empfohlen wurde. Dieser Behandlungsansatz wird aktuell durch eine im Fachjournal Lancet Psychiatry veröffentlichte Meta-Analyse gestützt, an der die Forschungsgruppe von Padberg ebenfalls beteiligt war. Vom Procedere her ähnelt TMS der tDCS – nur werden in diesem Falle magnetische Pulse genutzt, um das Stirnhirn zu stimulieren.
Die Forscher analysierten insgesamt 174 Studien mit über 7900 Patienten. Etwas mehr Männer als Frauen, im Durchschnittsalter von 44 bis 63 Jahren. Ergebnis: „Mit der TMS lassen sich depressive Symptome auch behandeln, wenn diese im Rahmen anderer Erkrankungen auftreten“, wie Frank Padberg sagt. Das bedeutet: Die TMS wirkt zum Beispiel auch bei Menschen mit Abhängigkeitserkrankungen, die zeitgleich unter depressiven Beschwerden leiden. „Da die TMS sehr nebenwirkungsarm, aber wirksam ist“, erklärt Padberg weiter, „haben wir das Verfahren seit mehreren Jahren in unsere klinische Versorgung integriert.“
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung des Klinikums der Universität München. Die Originalpublikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Omar Ram, unsplash