In Deutschlands Krankenhäusern gehören das mikrobiologische Screening und die Isolierung von Patienten zu den gängigen Maßnahmen, um die weitere Übertragung von MRSA zu verhindern. Wie eine aktuelle Studie zeigt, sollte diese Strategie reformiert werden.
MRSA gilt als Prototyp eines Bakteriums, gegen das mehrere Antibiotika keine Wirkung zeigen. Es findet sich in Krankenhäusern überdurchschnittlich häufig bei Patienten auf Intensivstationen. In den vergangenen Jahren versuchte man die Ausbreitung von MRSA durch ein Bündel von Maßnahmen zu verhindern. Dazu gehören die gründliche Desinfektion der Hände von Pflegekräften und Ärzten, das Tragen von Schutzkleidung und Masken, tägliche Ganzkörperwaschungen der Patienten, gezielte Screening-Untersuchungen bestimmter Patientengruppen sowie die Isolation der MRSA-positiven Patienten. Obwohl die Häufigkeit von MRSA in deutschen Krankenhäusern seit einigen Jahren zurückgeht, bleibt unklar, welche der oben genannten Maßnahmen für diese erfreuliche Entwicklung verantwortlich ist. Wissenschaftler der Unikliniken Köln und Genf haben deshalb die bisherige Praxis im Umgang mit MRSA überprüft. Wie Prof. Gerd Fätkenheuer und seine Kollegen in der Fachzeitschrift The Lancet bekannt gaben, fehlen für viele der gegenwärtigen Empfehlungen evidenzbasierte Daten. „Zum Beispiel existiert überhaupt keine Studie, die belegen würde, dass das Tragen von Gesichtsmasken einen positiven Effekt hat“, sagt Fätkenheuer, Oberarzt mit Schwerpunkt Klinische Infektiologie an der Klinik I für Innere Medizin der Uniklinik Köln.
In der neuen Untersuchung haben die Wissenschaftler alle aussagekräftigen Studien zu diesem Thema unter die Lupe genommen und einer kritischen Bewertung unterzogen. Besondere Berücksichtigung fanden dabei prospektive Studien mit großer Patientenzahl. Es zeigte sich, dass das Screening von Patienten und die anschließende Isolation von MRSA-Trägern viel weniger effektiv waren als gedacht. „Die bisherige Praxis muss in Frage gestellt werden, denn aufgrund dieser Ergebnisse kann man deutschen Krankenhäusern Screening und Isolation als Maßnahmen gegen die Ausbreitung von MRSA nicht vorschreiben“, sagt Fätkenheuer. „Die Isolation von Patienten mit MRSA scheint sogar negative Auswirkungen auf deren medizinische Versorgung zu haben.“ Viele Ärzte, so Fätkenheuer, suchten solche Patienten seltener auf, insbesondere, wenn sie in Eile wären und keine Zeit hätten, die aufwändigen Schutzmaßnahmen zu treffen. In ihrer Analyse kommen Fätkenheuer und seine Kollegen zum Ergebnis, dass eine sorgfältige Desinfektion der Hände und die Dekolonisierungsbehandlung von Risikopatienten die wirksamsten Methoden zur Eindämmung von MRSA sind. „Auch wenn die Wirksamkeit dieser Maßnahmen noch nicht so untersucht wurde, wie wir uns das wünschen, ist hier die Beweislage eindeutig am besten“, sagt Fätkenheuer. „Die Ergebnisse einiger Studien weisen sogar darauf hin, dass diese beiden Basismaßnahmen ausreichend sind und zusätzliches Screenen und Isolieren die Übertragungsraten von MRSA im Krankenhaus nicht weiter verringern.“
Bei der sogenannten Dekolonisierung werden Nasenschleimhaut und die gesamte Haut des Patienten mit antiseptischen Mitteln behandelt. Dadurch verschwinden häufig nicht nur MRSA-Stämme, sondern auch seine nicht resistenten Verwandten, die viel häufiger vorkommen und genauso gefährlich sind. „Findet die Dekolonisierung nicht statt oder treten bei der Behandlung Fehler auf, kann Staphylococcus aureus bei einer Operation von der Haut in die Wunde übertreten und schwere Infektionen auslösen“, sagt Fätkenheuer. Er kritisiert, dass in Deutschlands Krankenhäusern das Augenmerk hauptsächlich auf MRSA gelegt und Infektionen mit sensitiven Varianten des Erregers zu wenig Beachtung finden. „Wir fokussieren uns auf die falschen Maßnahmen, dabei gilt es, die Hygiene allgemein zu stärken, dann können wir alle potenziellen Infektionen mit Staphylococcus aureus besser angehen, egal ob die Erreger resistent gegen Antibiotika sind oder nicht“, sagt Fätkenheuer. Er und seine Kollegen ziehen mit ihrer Untersuchung die derzeit gültigen Empfehlungen in Zweifel und fordern ein Vorgehen, das nicht nur einen einzelnen Erreger in den Vordergrund rückt, sondern Hygienemaßnahmen allgemein verbessert und damit auch vor weiteren gefährlichen Bakterien schützt. „Letztendlich müssten Maßnahmen zum Infektionsschutz viel stärker daran gemessen werden, wie gut ihr Nutzen belegt ist“, findet Fätkenheuer. „Für andere medizinische Bereiche wie die Arzneimitteltherapie ist das seit langem eine Selbstverständlichkeit.“
Der Kölner Mediziner steht mit seinen Ansichten nicht alleine da: „Die Veröffentlichung kommt zum richtigen Zeitpunkt und bringt die Dinge auf den Punkt“, sagt Prof. Markus Dettenkofer, Leiter der Sektion Krankenhaushygiene am Institut für Umweltmedizin und Krankenhaushygiene des Universitätsklinikums Freiburg. „Wir dürfen MRSA-positive Patienten nicht behandeln, als ob sie fast die Pest hätten.“ Stattdessen, so Dettenkofer, sei ein maßvolles Vorgehen angebracht. Übertragungen von und Infektionen mit MRSA ließen sich am besten durch rationalen Antibiotikaeinsatz, gute Basishygiene und eine gründliche Dekolonisierung der Risikopatienten verhindern.