Unsere Apotheke hat leider (dank mir) eine Ein-Stern-Google-Bewertung bekommen. Ich werde darin als „frech“ bezeichnet. Vielleicht nicht ganz zu Unrecht.
Der Patient kommt nachmittags mit einem Rezept in die Apotheke, auf dem drei Medikamente stehen, verschrieben von einer Schweizer „Walk-in-Klinik“ in der Nähe. Die freundliche Pharmaassistentin kümmert sich darum. Zwei von den drei Medikamenten haben wir hier, eines müssen wir bestellen – respektive wir haben da nur die große Packung hier und nicht die verschriebene kleine Packung. Kein Problem, das andere ist auf den nächsten Morgen bestellbar. Momentan fast ein Glücksfall. Der Fehler, den die PA dann aber machte, war, dem Patienten die große Packung zu zeigen. Jetzt will er die. Unbedingt.
Mit dem Anliegen kommt die PA mit Rezept zu mir zur Kontrolle: „Kann ich da auch die große Packung abgeben?“ Das Rezept ist nicht von einem Hausarzt. Es ist ausdrücklich die kleine verschrieben. Preismäßig wäre die große (90 statt 30 Tabletten) zwar vergleichsweise etwas günstiger, aber insgesamt doch an die 100 Franken – statt etwa 35 Franken. Ich brauche mehr Info:
Pharmama: „Wann hat er den nächsten Arzttermin? Nimmt er das regelmäßig oder hat er es schon einmal gehabt?“ PA: „Ich denke nicht ... als ich ihn gefragt habe, ob er weiß, für was er das bekommt, hat er gemeint, er wisse gar nicht, weshalb er überhaupt Medikamente nimmt.“
Hört sich insgesamt etwas incompliant an. Ich entscheide mich also dagegen: „Nein, bitte bestelle das für ihn. Oder frag ihn, ob er es woanders versuchen möchte zu bekommen.“ Sie geht und kommt fast sofort zurück: „Er sagt jetzt, er geht morgen in die Ferien und möchte es deshalb jetzt schon. Die große Packung. Er besteht darauf.“ Also antworte ich: „Ruf rasch in der Klinik an und frage nach, ob wir da die große Packung abgeben können. Sagen sie ja, dann ok.“ Die PA ruft an und die Antwort ist: „Nein. Bitte geben sie die verschriebene kleine Menge ab.“ Der Patient will das nicht akzeptieren und verlangt nun den Chef zu sprechen. Ich gehe nach vorne.
Er beginnt praktisch sofort laut auf mich einzureden: „Ich brauche das Medikament und ich brauche es heute noch. Wenn Sie es mir nicht geben und ich deshalb dann einen Herzkasper oder so etwas mache, dann sind SIE schuld!“
Pharmama: „Ah, nein, eigentlich nicht. Ich bin verantwortlich für die richtige Abgabe der Medikamente. Sie sind verantwortlich für ihre Gesundheit und dafür, das Medikament rechtzeitig zu besorgen und einzunehmen.“ Sowas lasse ich mir nicht anhängen. Und er weiß das von den Ferien – so das denn stimmt – nicht erst seit heute. Mal abgesehen davon: Die Klinik scheint ihre Gründe zu haben, da nicht die große Packung aufzuschreiben.
Ich erkläre ihm also noch einmal die Alternativen: Ich kann es bestellen oder ich kann schauen, ob es eine Apotheke in der Nähe als kleine Packung hat, dann kann er es dort abholen. Ich werde aber definitiv nicht nach dem klaren Nein der Klinik die große Packung abgeben. Er zetert weiter. Vielleicht glaubt er, mich damit so unter Druck zu setzen, bis ich einknicke – immerhin haben wir die große Packung ja hier!
Kunde: „Das ist jetzt das zweite Mal, dass ich in dieser Apotheke bin und schon das letzte Mal war das ein Problem! Vor Jahren habe ich mir geschworen, nie mehr hierher zu kommen!“ Und da versagte ganz kurz der Filter zwischen meinem müden Hirn und Mundwerk und ich sagte: „Und trotzdem stehen Sie jetzt hier.“
Nach kurzer Sprachlosigkeit und Erkenntnis, dass er die große Packung wirklich nicht bekommt, hat er sein Rezept zurückverlangt und ging sein Glück dann selber in einer anderen Apotheke versuchen. Aber er ging nicht raus, ohne noch einen anderen Kunden – einen Stammgast – anzuhauen und irgendetwas zu fragen. Ich habe den nur den Kopf schütteln und sich rasch entfernen sehen.
Ich wusste schon da, dass das wahrscheinlich eine schlechte Bewertung gibt. Der Herr ist nachtragend – und da er nicht seinen Willen bekommen hat ... Es hätte wahrscheinlich wenig Unterschied gemacht, was ich gesagt hätte. Aber meine Bemerkung war wohl eher suboptimal. Macht das nicht!
Eure Pharmama, die „freche“ Apothekerin.
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