Wissenschaftlern ist es bei der Entwicklung der Xenon-Kernspintomographie gelungen, Pakete mit molekularen Sonden in Zellen der Blut-Hirn-Schranke einzuschleusen. Damit könnte man diese durchleuchten sowie Wirkstoffe im Körper ähnlich eines Tracking-Systems verfolgen.
Die neuartige Xenon-Diagnostik ist eine Weiterentwicklung der aus dem klinischen Alltag vertrauten Kernspintomographie, die derzeit weltweit in mehreren Arbeitsgruppen intensiv vorangetrieben wird. Der Gruppe um Dr. rer. nat. Leif Schröder am Berliner Leibniz-Institut für Molekulare Pharmakologie (FMP) ist es in den vergangen Jahren gelungen, die Empfindlichkeit der Methode soweit zu erhöhen, dass nun erste medizinische Einsatzmöglichkeiten erprobt werden können. In ihrer neuesten Arbeit hat die Gruppe die beim Xenon-Kernspintomographen eingesetzten molekularen Sonden in winzige Biomembranbläschen (Liposomen) verpackt und sie gezielt zur Blut-Hirn-Schranke dirigiert.
Störungen der Blut-Hirn-Schranke können die Ursache oder auch die Folge verschiedener neurologischer Erkrankungen sein, weshalb es schon länger Versuche gibt, Schäden in der Barriere durch bildgebende Diagnostik sichtbar zu machen. Bei der Kernspintomographie nutzt man die Eigenschaft mancher Atome aus, in starken Magnetfeldern selbst wie winzige Magnete zu agieren, die dann mit Radiowellen in Resonanz treten können und so Signale aussenden. Die herkömmliche Methode verwendet Wasserstoffatome, die in Gewebe allgegenwärtig sind, allerdings nur sehr schwache Signale aussenden. Die Xenon-Kernspintomographie dagegen setzt als Signalgeber das Edelgas Xenon in einer bestimmten Form ein – es wird mittels Laserstrahlen „hyperpolarisiert“ und sendet dadurch 10.000-fach stärkere Signale als normal aus. In einer klinischen Anwendung könnten Patienten zuvor hyperpolarisiertes Xenon inhalieren, das ungiftige Edelgas würde sich dann rasch über den Blutkreislauf im Körper verteilen.
Durch diese Signalverstärkung lassen sich prinzipiell auch bislang unsichtbare Strukturen sichtbar machen, wenn man das Xenon gezielt in den gesuchten Zellen anreichert – und eben dies ist den FMP-Forschern nun erstmals gelungen. Die Xenon-Atome werden während eines Scans in käfigförmigen Cryptophan-Molekülen eingefangen, wodurch sich ihr Signal im Magnetfeld verändert. Die FMP-Forscher haben das Cryptophan nun in Liposomen verpackt, die gut erprobt und verträglich sind, und mit einem molekularen Anker versehen, der sie in die Zellen der Blut-Hirn-Schranke eindringen lässt. „Das Ganze funktioniert wie eine Art Paketdienst, bei dem wir in unserem Xenon-Kernspintomographen zugleich verfolgen können, wo sich das Paket auf dem Weg zu seinem Ziel gerade befindet“, erklärt Matthias Schnurr. Im Prinzip könnte man auf diese Weise sogar Medikamente verabreichen und deren Zustellung im Körper wie mit einem Tracking-System verfolgen. Noch finden die Versuche an Zellen in Messröhrchen statt, Schröder denkt nun über Tierversuche nach. Die Xenon-Kernspintomographie sei derzeit in einem experimentellen Stadium angekommen, in dem viele biologische Anwendungen entwickelt und getestest werden. Originalpublikation: Brain Endothelial Cell Targeting Via a Peptide-Functionalized Liposomal Carrier for Xenon Hyper-CEST MRI Matthias Schnurr et al.; Advanced Healthcare Materials, doi: 10.1002/adhm.201400224; 2014