Das Karpaltunnelsyndrom könnte bei älteren Patienten auf eine schwerwiegende Krankheit hinweisen. Wisst ihr Bescheid?
Wer einen älteren Patienten mit Karpaltunnelsyndrom betreut, sollte nochmal ganz genau hinschauen. Möglicherweise liegt die Ursache für kribbelnde und taube Finger nicht etwa in einer falschen Haltung oder Überlastung, sondern ist das Symptom einer Form der Amyloidose – und die ist wiederum mit einem erhöhten Risiko für Herzinsuffizienz verbunden.
Bei der Transthyretin-Amyloidose (ATTR) kommt es zur Ablagerung von abnormen Transthyretin-Varianten in verschiedenen Organen, darunter auch im Myokard – oder eben im Karpaltunnelgewebe. Genaue Zahlen zur Prävalenz gibt es nicht, dabei scheint die erworbene ATTR-Amyloidose, auch Wildtyp-ATTR (ATTRwt) genannt, relativ häufig zu sein. Eine Obduktionsstudie kam zu dem Ergebnis, dass 25 % der über 85-Jährigen betroffen sind; eine weitere Studie zeigte, dass 13 % der Herzinsuffizienz-Patienten mit Erhalt der linksventrikulären Ejektionsfraktion über 60 Jahren eine ATTRwt aufweisen.
Das sagt zwar noch nichts über die klinische Relevanz aus, aber möglicherweise bekommt diese Form der Amyloidose bei der Ursache von Herzinsuffizienz also noch nicht die Aufmerksamkeit, die sie verdient. Das liegt vermutlich auch daran, dass die Diagnose nicht ganz leicht ist, da sich die Erkrankung durch unspezifische Symptome äußert. Bei Patienten mit insbesondere operiertem Karpaltunnelsyndrom, könnte es sich lohnen, die Möglichkeit der Amyloidose in Betracht zu ziehen. Das zeigt jetzt abermals eine Studie zum Thema.
Die Forscher untersuchten retrospektiv eine Kohorte mit knapp 82.000 Patienten in Deutschland, die ambulant wegen eines Karpaltunnelsyndroms (KTS) operiert wurden. Diese verglichen sie mit Patienten ohne KTS. Das Durchschnittsalter lag bei 52,9 Jahren, 66,7 % waren Frauen.
Nach zehn Jahren erhielten 8,4 % der Patienten mit KTS und 6,2 % der Patienten ohne KTS eine Diagnose von Herzinsuffizienz. Die Inzidenz betrug 8,7 bzw. 6,1 Fälle pro 1.000 Patientenjahre. Das Risiko für Herzinsuffizienz bei Patienten mit KTS war um 39 % erhöht (HR: 1,39; KI 95 %: 1,31–1,47). Allerdings wurde die Assoziation zwischen KTS und Herzinsuffizienz nur bei Patienten ab einem Alter von 61 Jahren festgestellt. Zwischen den Geschlechtern fand sich hingegen kein Unterschied.
Auch das Risiko für Amyloidose war in der KTS-Gruppe erhöht: Bei 47 Patienten mit KTS und 17 Patienten ohne KTS wurde eine Amyloidose diagnostiziert. Die Forscher ermittelten bei Patienten mit KTS ein um 79 % erhöhtes Risiko für Amyloidose. Die Wissenschaftler weisen aber darauf hin, dass die Zahl der Patienten mit Amyloidose in der Studie relativ klein und die Aufzeichnung möglicherweise nicht vollständig war.
Die Ergebnisse dieser Studie deuten einmal mehr darauf hin, dass es eine Verbindung zwischen dem Karpaltunnelsyndrom und einem erhöhten Risiko für Herzinsuffizienz gibt. Da Herzinsuffizienz eine häufige Krankheit mit hoher Sterblichkeitsrate ist, ist eine frühe Diagnose entscheidend für die erfolgreiche Behandlung. Das gilt umso mehr, wenn es sich um eine Ursache handelt, die spezifisch behandelbar ist. Für die ATTR-Amyloidose, die mit KTS in Verbindung gebracht wird, gibt es mittlerweile einige spezifische Therapieansätze in Zulassung und/oder klinischen Studien. Daher sollten Ärzte die Erkrankung auf dem Radar haben. Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK) hat dieser Erkrankung schon 2019 ein eigenes Positionspapier gewidmet, das auch sinnvolle Wege zu einer definitiven Diagnose beschreibt.
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