Egal ob medizinischer Notfall, Routineeingriff oder Reha: Roboter stehen Ärzten immer häufiger hilfreich zur Seite. Weltweit arbeiten viele Unternehmen an immer neuen Einsatzmöglichkeiten. Vom 12. bis 15. November zeigen sie auch auf der MEDICA, wohin die Reise geht.
Ein Trendthema hält die medizinische Community in Atem: Welchen Beitrag leisten Roboter, um Patienten in unterschiedlichen Situationen besser zu versorgen? Das beginnt schon bei der Notfallversorgung: Entwickler träumen davon, eines Tages Menschen mithilfe von Robotern aus brennenden Autos oder aus havarierten Labors zu bergen. Professor Dr. Katja Mombaur, Heidelberg, befasst sich jetzt mit entsprechenden Fragestellungen. Sie leitet das internationale Projekt „KoroiBot“. Zusammen mit 40 Wissenschaftlern aus Informatik, Mathematik, Robotik und Kognitionswissenschaften versucht Mombaur, menschliche Bewegungsabläufe auf zweibeinige Maschinen zu übertragen. „Eine der großen Herausforderungen auf dem Weg dorthin ist es, Roboter in die Lage zu versetzen, sich in verschiedenen Situationen unfallfrei auf zwei Beinen fortzubewegen – trotz unbekannter Untergründe und auch bei eventuellen Störungen“, so Mombaur. Bis zur großindustriellen Fertigung werden aber mindestens noch 20 Jahre vergehen. Was das zweibeinige Laufen betrifft, sind einige Unternehmen jetzt schon wesentlich weiter: So etwa Honda mit ihrem humanoiden Roboter ASIMO oder das US-Unternehmen Boston Dynamics mit dem als Rettungsroboter konzipierten ATLAS und weiteren Laufrobotern.
Im OP angekommen, spielen Roboter schon heute eine wichtiger werdende Rolle, um beispielsweise Zugänge für Cochlea-Implantate zu legen. Roboterassistiertes Fräsen führt in Kombination mit der dreidimensionalen Bildgebung zu mehr Präzision und Sicherheit. Auch bei orthopädischen oder unfallchirurgischen Eingriffen punkten roboterassistierte Techniken. Sie können Knochenfragmente mit großem Kraftaufwand genau positionieren. Auch in Gynäkologie oder Urologie hat die Robotik Einzug gehalten. Ärzte schätzen den Roboter DaVinci®. Flexible Arme erlauben ihnen kleine, präzise Schnitte. In den USA sind mittlerweile über 600 Systeme im Einsatz. Mehr als zwei Drittel aller Prostatakrebs-Operationen werden schon heute mit der Technik ausgeführt, Tendenz steigend. Apropos Schnitte: Laser durchtrennen Gewebe präziser als Messer, theoretisch sogar zellgenau. Bislang schädigten Hitze und Druckwellen jedoch angrenzende Strukturen. „Mit dem Pikosekunden-Infrarot-Laser, auch PIRL genannt, wird zukünftig eine minimalinvasive Chirurgie möglich“, sagt Dr. Wolfgang Wöllmer. Am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) entstand zusammen mit Professor Dwayne Miller ein Prototyp. PIRL schont durch ultrakurze Pulse Blutgefäße beziehungsweise Nervenzellen. Und Tumorgewebe bleibt trotz Entfernung besser erhalten – wichtig für molekularbiologische Analysen. Erste Tierexperimente verliefen vielversprechend. Hier gab es keine Narbenbildung über den Schnitt hinaus. Weitere Untersuchungen müssen aber noch folgen.
Einmal aus der stationären Behandlung entlassen, profitieren Patienten bei ihrer Reha von Robotern. Am Berufsgenossenschaftlichen Universitätsklinikum Bergmannsheil ist das europaweit erste Zentrum für Neurorobotales Bewegungstraining eröffnet worden. Kollegen arbeiten mit HAL® (Hybrid Assistive Limb®): einem Roboteranzug, welcher die Bewegung von Gliedmaßen unterstützt und verstärkt. HAL® greift nerveninduzierte Impulse ab, um sich selbst und damit auch Querschnittsgelähmte in Bewegung zu setzen. Ärzte beobachten schon jetzt durch das Training eine gesteigerte Mobilität, einen intensivierten Muskelaufbau, mehr Muskelleistung und ein höheres Aktivitätsniveau.
Weiter geht es von der Klinik zur medizinischen Aus- und Weiterbildung: Roboter haben hier ebenfalls ihren Platz erobert. Am Forschungszentrum der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (HTWK) ist seit Mitte 2014 RealSpine in Betrieb. Mit dem Simulator trainieren Ärzte Eingriffe an der Wirbelsäule unter anatomisch realistischen Gegebenheiten, inklusive möglicher Risiken. Das didaktische Konzept dahinter: Angehende Chirurgen werden langsam an OPs herangeführt. Sie übernehmen einzelne Teilschritte und schließlich den gesamten Eingriff. Ein erster Kurs hatte Diagnostik und Therapie von Bandscheibenvorfällen zum Inhalt. Zahnärzte sind ebenfalls auf den Geschmack gekommen. Sie lernen an SIMROID nicht nur, richtig mit Instrumenten umzugehen. Durch den geöffneten Mund der Roboterpatientin lassen sich Ober- und Unterkiefermodelle einbringen und befestigen. Bohr- und Abdrucksensoren sammeln alle Daten zur späteren Auswertung. SIMROID zeigt aber auch typische Verhaltensweisen menschlicher Patienten wie Schmerz oder Würgereiz, um die Kommunikationstechniken angehender Zahnärzte zu verbessern.
Ganz klar, Robotersysteme eröffnen Ärzten neue, ungeahnte Möglichkeiten. Die Anschaffung entsprechender Technologien schlägt jedoch mit hohen Kosten zu Buche, und so manche Einrichtung scheut sich vor Investitionen. Laut aktuellen Umfragen der Financial-Services-Einheit von Siemens (SFS) gewinnen alternative Finanzierungsmodelle mehr und mehr an Bedeutung. Kunden bezahlen beispielsweise für die jeweilige Nutzung („pay per use“), anstatt Geräte zu erwerben.