Ein Forscherteam hat eine neue 3D-Methode namens WildDISCO entwickelt, um Strukturen im Körper sichtbar zu machen. Die neue Technik sorgt nicht nur für ein besseres Verständnis von Krankheiten, sondern reduziert auch den Einsatz von Tierversuchen.
In der Vergangenheit waren Wissenschaftler auf genetisch veränderte Tiere oder spezialisierte Marker angewiesen, um bestimmte Strukturen und Zellen im gesamten Körper eines Tieres sichtbar zu machen. Diese Ansätze sind jedoch teuer und zeitaufwendig, insbesondere wenn es sich um körperweite Systeme wie das Nervensystem handelt. Ein Team aus Forschern hat nun eine neue Methode namens WildDISCO entwickelt, die herkömmliche Antikörper verwendet, um den gesamten Körper von Mäusen zu visualisieren. Dadurch können detaillierte dreidimensionale Karten von gesunden und kranken Strukturen im Körper von Säugetieren erstellt werden.
Im Detail umfasst der Versuchsablauf von WildDISCO die Verteilung von Antikörpern gekoppelt mit fluoreszierenden Markern im gesamten Körper des nicht mehr lebenden Tieres über das Blutgefäßsystem. Im nächsten Schritt werden die Tiere optisch transparent gemacht, indem sie mit Chemikalien behandelt werden, die das Gewebe durchlässiger für Lichteinstrahlung machen. Daraufhin wird ein Lichtscheibenfluoreszenzmikroskop für die Untersuchung eingesetzt, wobei die Wissenschaftler ein Fluoreszenzsignal detektieren, wo ein spezifischer Antikörper an die untersuchte Struktur, das Molekül oder die Zelle bindet. Fortgeschrittene computergestützte Werkzeuge erstellen körperweite Karten über die Lokalisation der Moleküle.
Der entscheidende Faktor für den Erfolg war es, einen Weg zu finden, wie man einen relativ großen Antikörper gleichmäßig in jeder Zelle eines Tieres verteilt. Studienleiter Prof. Ali Ertürk und sein Team identifizierten ein spezielles Molekül, das die Durchlässigkeit von Zellmembranen erhöht und eine tiefe und gleichmäßige Verteilung von standardmäßigen Antikörpern ohne Aggregation ermöglicht. „Zu wissen, wo jedes Protein im Körper vorhanden ist, ist entscheidend, um ein umfassendes Verständnis für die Funktionen des Körpers und die Veränderungen bei komplexen Krankheiten zu erhalten“, so Dr. Ertürk.
Mit WildDISCO waren die Forscher in der Lage, detaillierte Karten der zellulären Strukturen und schließlich Ganzkörper-Atlanten von Mäusen zu erstellen mit Fokus auf dem Nervensystem, den lymphatischen Gefäßen, den Blutgefäßen und den Immunzellen. Mit dieser Methode entdeckten sie bereits, dass das Darmmikrobiom eine bedeutende Rolle bei der Entwicklung des enterischen Nervensystems spielt. Außerdem wurden Tumor-assoziierte lymphoide Strukturen (TLS) im Zusammenhang mit der Ausbreitung von Brustkrebs kartiert, was wiederum Einblicke in die Auswirkungen dieser Strukturen auf die Immunantwort auf Tumore liefert.
Ganzkörperaufnahme des Nervensystems einer Maus. Credit: Ertürk Lab.
Die hochauflösenden Bilder in Form von Atlanten sind online auf einer Website verfügbar. „Wissenschaftler:innen konnten relevante Daten aus unseren Atlanten ziehen, was Zeit und Ressourcen spart und zu einem reduzierten Einsatz von Tieren in der Forschung führt“, so die beiden Erstautoren Dr. Hongcheng Mai und Dr. Jie Luo. Die Methode bietet bereits jetzt eine Grundlage für die Modellierung von komplexen biologischen Systemen und Krankheiten, indem beispielsweise der Verlauf von Krebsmetastasierung vorhergesagt werden kann und Entscheidungen zur Effektivität bei Krebs-Mikrometastase erleichtert werden.
Vom Bildmaterial, das durch WildDISCO generiert wird, könnten auch KI-Algorithmen profitieren, die große Datensätze benötigen: „Man stelle sich einmal vor, was wir mit diesen Karten erreichen können, wenn wir sie mit der Leistungsfähigkeit des Deep Learning kombinieren“, sagt Ertürk. Das Forscherteam will künstliche Intelligenz nutzen, um komplexe biologische Systeme zu simulieren. Das ultimative Ziel besteht darin, Krankheiten zu verstehen und neue Behandlungsmethoden effizienter zu entwickeln, indem computergestützte Vorhersagen verwendet werden, wodurch auch Tierversuche in der Forschung deutlich reduziert werden können.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des Helmholtz Zentrums München Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt (GmbH). Die Originalpublikation findet ihr hier.
Bildquelle: Fidel Fernando, unsplash.