Biomediziner entdeckten nun neue Mechanismen der Zellmigration, indem sie Zellen auf einer Linie aus Bindegewebe experimentell in Bewegung brachten. Ihre Resultate könnten zu neuen Ansätzen in der Bekämpfung von Krebsmetastasen und Entzündungen führen.
Zellen wandern, indem sie ihr Zytoskelett mit bestimmten Adhäsionsmolekülen verbinden, die wiederum in direktem Kontakt mit dem Bindegewebe außerhalb der Zelle stehen. Damit sich die Zellen in eine bestimmte Richtung bewegen, braucht es ein Signal von außen, worauf sich die Zelle polarisiert und koordinierte mechanische Bewegungen ausführt. Eine der grundlegenden Fragen ist dabei, wie die Signalwege diese Zellbewegung räumlich und zeitlich steuern. Klassische Experimente zur Zellmigration werden auf einheitlich beschichteten Glasplatten durchgeführt. In diesem Fall haften die Zellen sehr stark am Untergrund an und bewegen sich willkürlich in alle Richtungen, was die Untersuchung von zielgerichteter Zellbewegung stark erschwert.
In ihrer Studie sind die Forscher um Prof. Olivier Pertz vom Departement Biomedizin der Universität Basel auf neue Erkenntnisse über die Zellpolarisation und ihre Regulierung gestoßen: Sie brachten 20 Mikrometer breite Linien von Bindegewebe durch ein spezielles Verfahren auf Glas auf, die dem natürlichen Gewebe funktionell ähnlich sind – eine Art Autobahn für Zellen. Zusätzlich setzten sie die Zellen dem Stimulus eines bestimmten Wachstumsfaktors (PDGF) aus, sodass sie relativ schnell und mehrere Stunden lang in eine bestimmte Richtung wanderten. „Dieses Verhalten zeigt, dass man die Zellmigration durch Nachahmen der Geometrie des Bindegewebes erzeugen kann, wie sie sich auch im lebenden Organismus findet“, sagt Olivier Pertz. Eine wichtige Rolle spielen dabei bestimmte Komponenten am Vorderteil des Zellkörpers, die punktartige Strukturen ausbilden und während der Migration der Zelle unverändert an dieser Position bleiben. Die mit einem Wachstumsfaktor stimulierte Zelle (oben) bewegt sich gezielt in eine Richtung, während die nicht stimulierte Zelle ihre Richtung ändert und sich fünfmal langsamer bewegt. © Universität Basel, Departement Biomedizin
Die Resultate der Forscher geben Aufschluss über die räumliche und zeitliche Regulation von Signalwegen, die es Zellen möglich machen, in eine bestimmte Richtung zu migrieren. Sie beschreiben neue Konzepte der Zellmigration und können daher helfen, innovative Ziele und Ansätze zur Bekämpfung von Metastasierung oder Entzündungsprozessen ins Visier zu nehmen, so die Erstautorin der Studie, Dr. Katrin Martin: „Je mehr Einblicke wir in Vorgänge der Zellmigration gewinnen, desto effektiver und gezielter können wir in einzelne pathologische Prozesse eingreifen.“ Originalpublikation: A Growth Factor-Induced, Spatially Organizing Cytoskeletal Module Enables Rapid and Persistent Fibroblast Migration Katrin Martin et al.; Developmental Cell, doi: 10.1016/j.devcel.2014.07.022; 2014