... und rettet Leben! Denn für Risikopatienten sind extreme Temperaturen lebensgefährlich. Wie Ärzte dafür sensibilisieren können und welche Maßnahmen sie in der Sprechstunde umsetzen sollten, erfahrt ihr hier.
Für einen Temperaturrekord reichte es am Sonntag zwar noch nicht, doch das Thermometer kletterte am bislang heißesten Tag des Jahres vielerorts schon auf schweißtreibende 35°C und darüber hinaus. Zurecht warnen Behörden wie der Deutsche Wetterdienst vor Hitzewellen, immerhin sind sie eine der gefährlichsten Wetterlagen überhaupt, denn: Bei Hitze sterben mehr Menschen als üblich.
Das RKI veröffentlicht neuerdings einen wöchentlichen Hitzebericht, mit dem Übersterblichkeit in Relation zu steigenden Temperaturen gesetzt wird. Darin heißt es, dass man ab einer Wochenmitteltemperatur (Durchschnitt über die Tages- und Nachttemperaturen einer Woche) von etwa 20°C einen hitzebedingten Anstieg der Gesamtmortalität beobachten kann. Bislang schätzt das RKI die hitzebedingten Todesfälle in diesem Sommer – d. h. bis zur Kalenderwoche 25, die mit einer Wochenmitteltemperatur von 21,5 °C die bislang heißeste Woche war – auf 640.
Genaue Zahlen gibt es dazu nicht, da Hitze auf dem Totenschein normalerweise nicht als die zugrundeliegende Todesursache angegeben wird. Sowieso entfallen nur die wenigsten Todesfälle direkt auf einen Hitzeschlag; in den meisten Fällen führt die Kombination aus Hitzeexposition und Vorerkrankungen zum Tod – ältere Menschen sind daher am meisten davon betroffen.
Im Vergleich dazu schätzt das RKI die Zahl der hitzebedingten Todesfälle für das letzte Jahr auf rund 4.500. In Deutschland war der Sommer 2022 der viertwärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnung. In ganz Europa war es sogar noch nie so heiß wie in 2022. Laut einer Studie, die heute in Nature Medicine erschienen ist, führte das zu über 61.000 hitzebedingten Todesfällen in den Monaten Juni bis September. Den Modellrechnungen der Forscher zufolge starben allein in den Wochen vom 11. Juli bis 14. August, in denen überall in Europa außergewöhnlich hohe Temperaturen herrschten, fast 39.000 Menschen. Den Süden Europas traf es besonders hart: Italien führt mit 295 Todesfällen pro Millionen Einwohner die Liste der hitzebedingten Sterblichkeitsrate an, gefolgt von Griechenland (280), Spanien (237) und Portugal (211). Den europäischen Durchschnitt schätzten die Forscher auf 114 Todesfälle pro Million.
„Die Tatsache, dass im Sommer 2022 mehr als 61.600 Menschen in Europa an Hitzestress starben, obwohl viele Länder im Gegensatz zu 2003 bereits aktive Präventionspläne haben, deutet darauf hin, dass die derzeit verfügbaren Anpassungsstrategien möglicherweise noch unzureichend sind“, sagt Hicham Achebak, Co-Autor der Studie.
Im Jahr 2003 überrollte Europa eine extreme Hitzewelle, in deren Folge schätzungsweise 70.000 Menschen starben. Danach etablierten viele europäische Länder Hitzeschutzpläne, um genau das zu verhindern. In Deutschland hatte man bislang nicht die Notwendigkeit dafür erkannt. Im Juni verkündete Gesundheitsminister Karl Lauterbach dann, dass die Bundesregierung einen nationalen Hitzeschutzplan nach dem Vorbild Frankreichs auf den Weg bringen will. Dabei stehen insbesondere Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser im Fokus, um die Risikogruppen besser zu schützen.
„Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte könnten eine Schlüsselstellung in der Prävention hitzebedingter Gesundheitsgefährdungen einnehmen“, meint Henny Annette Grewe, Professorin am Fachbereich Pflege und Gesundheit der Hochschule Fulda – University of Applied Sciences. „Sie wissen, welcher ihrer Patientinnen und Patienten welche Krankheiten und damit Risikofaktoren hat, wer welche Medikamente einnimmt, wo diese Menschen wohnen und – im Idealfall – wie es um deren sozialen Netzwerke bestellt ist und welche Ressourcen ihre Patientinnen und Patienten haben.“
Basierend auf den WHO-Empfehlungen hat eine Ad-hoc-Arbeitsgruppe des Bundes und der Länder in Deutschland 2017 Handlungsempfehlungen für die Erstellung von Hitzeaktionsplänen veröffentlicht. Für Haus- und niedergelassene Fachärzte haben sie folgende vier Handlungsfelder zum Schutz der älteren Bevölkerung während einer Hitzewelle identifiziert:
Es gebe sicher engagierte Ärzte, die diese Maßnahmen auch umsetzen, meint Prof. Grewe. „Zu hoffen bleibt, dass die Ärzteschaft zukünftig auch eine aktive Rolle bei Bemühungen um eine Verbesserung der Prävention und des Gesundheitsschutzes bei Hitze auf kommunaler, Landes- und Bundesebene übernimmt.“
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