Das IQWiG hat den Nutzen des Screenings von Schwangeren auf asymptomatische Bakteriurie (ASB) überprüft. Dieser konnte mangels aktueller Studien nicht belegt werden und die Ergebnisse alter Studien seien nicht auf die heutige Situation übertragbar.
Der Nutzen eines Screenings von Schwangeren auf asymptomatische Bakteriurie (ASB) und die Güte verschiedener Testmethoden sind Gegenstand einer Untersuchung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Demnach ist der patientenrelevante Nutzen oder Schaden eines solchen Screenings mangels Studien unklar. Der Nutzen einer Antibiotikatherapie der ASB im Anschluss an ein Screening ist ebenfalls nicht belegt, da sich die Ergebnisse der über 40 Jahre alten Studien nicht auf die heutige Versorgungssituation übertragen lassen.
Eine asymptomatische Bakteriurie zeichnet sich durch Bakterien im Urin aus, die jedoch (noch) keine Symptome eines Harnwegsinfekts wie Fieber oder Schmerzen hervorrufen und sich daher nur durch Tests nachweisen lassen. Untersucht wird bei Schwangeren meist Mittelstrahlurin, bei dem das Risiko der Probenkontamination mit Scheidenbakterien am geringsten sein soll. Verursacht wird die ASB durch Keime, die durch die Urethra in den Harntrakt aufsteigen – am häufigsten Escherichia coli. Zu den Risikofaktoren zählen sexuelle Aktivität, vorangegangene Geburten und ein niedriger sozioökonomischer Status. Etwa zwei bis 15 Prozent aller schwangeren Frauen haben eine ASB, die – früheren Studien zufolge – unbehandelt in etwa einem Viertel der Fälle zu einer Pyelonephritis führen soll. Eine Bakteriurie wurde auch mit einem erhöhten Risiko für Frühgeburten in Verbindung gebracht.
Der Auftrag, den der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) dem IQWiG erteilt hat, wurde im Institut in drei Fragestellungen untergliedert: Wenn möglich, wollten die Wissenschaftler den Nutzen eines ASB-Screenings für Mutter und Kind im Vergleich zu einer Managementstrategie ohne Screening bewerten. Sollte dieses Teilziel A aus Mangel an Evidenz nicht erreichbar sein, wollten sie stattdessen in Teilziel B den Nutzen und Schaden einer Therapie der ASB, die durch ein Screening entdeckt wurde, im Vergleich zu einer Nichtbehandlung oder Placebogaben bewerten. Wenn der Nutzen einer solchen Therapie für betroffene Frauen belegt wäre, wäre zumindest die Grundvoraussetzung für einen Nutzen des Screenings erfüllt. Im Falle eines Nutzennachweises in den Teilzielen A oder B sollte in Teilziel C untersucht werden, welche Testmethode für Bakteriurie die höchste diagnostische oder prognostische Güte aufweist.
Ein Screening Schwangerer auf asymptomatische Bakteriurie ist in Deutschland wie in vielen anderen Ländern seit vielen Jahren fester Bestandteil der Vorsorge: In den meisten Leitlinien wird es wegen des unterstellten Nutzens und des vermeintlich geringen Schadens empfohlen. Entsprechend konnten für Teilziel A keine relevanten Studien identifiziert werden, denn dazu hätte es Kontrollgruppen ohne Screening geben müssen. Eine laufende Studie aus den Niederlanden, in denen ein Screening bislang nur für Risikogruppen empfohlen wird, könnte hier Aufschluss geben. Ergebnisse liegen noch nicht vor, aber die Rekrutierung von Studienteilnehmerinnen wurde gestoppt, da die als Studienendpunkte definierten Ereignisse (Pyelonephritis und Frühgeburt) erheblich seltener eintraten als erwartet. Das deutet auf eine gegenüber früheren Schwangeren-Generationen deutlich verringerte Inzidenz von oberen Harnwegsinfekten hin.
Für Teilziel B wurden drei randomisierte kontrollierte Studien identifiziert, in denen die Antibiotikatherapie einer durch Screening identifizierten ASB mit Nichtbehandlung oder Placebogaben verglichen wurde. Die wichtigsten patientenrelevanten Endpunkte in diesen 1960 bis 1969 veröffentlichten Studien waren Pyelonephritis, unterer Harnwegsinfekt und kindliche Morbidität. Das Verzerrungspotenzial aller drei Studien wurde als hoch bewertet, unter anderem aufgrund von Mängeln in der Dokumentation. Zwar fand sich bei den Endpunkten Pyelonephritis und unterer Harnwegsinfekt je ein Anhaltspunkt für einen Effekt der antibiotischen Behandlung. Aber diese über 40 Jahre alten Studienergebnisse lassen sich nicht auf die heutige Versorgungssituation übertragen: Zum Teil waren die Schwangeren vor der Studie Maßnahmen ausgesetzt, die heute bei gesunden Schwangeren nicht üblich sind und den Behandlungseffekt beeinflussen könnten (stationäre Aufnahme mit 24-stündigem Flüssigkeitsentzug). Zum Teil bleibt unklar, mit welchem Verfahren die ASB festgestellt wurde, sodass die Effekte nicht eindeutig einem Diagnoseverfahren zuzuordnen sind. Und in allen Studien fehlen Angaben zu wesentlichen Charakteristika der Studienpopulationen, was die Interpretation der Ergebnisse deutlich erschwert.
Zudem waren die Studien einseitig darauf ausgerichtet, einen Nutzen der Therapie nachzuweisen. Mögliche Schäden durch die damals üblichen Antibiotika wurden kaum untersucht. Da bei einer Bakteriurie mittlerweile andere Antibiotika eingesetzt werden, könnte sich die Nutzen-Schaden-Bilanz seit den 1960er-Jahren verschoben haben – entweder zugunsten eines Screenings oder aber zugunsten einer abwartenden Strategie. Ob Schwangere oder ihre Kinder von einem Screening auf asymptomatische Bakteriurie profitieren, ist damit unklar (Teilziel A). Auch der patientenrelevante Nutzen einer Antibiotika-Therapie einer ASB, die im Rahmen eines Screenings nachgewiesen wurde, ist wegen der Nichtübertragbarkeit der Studienresultate auf die heutige Situation nicht belegt (Teilziel B). Aufgrund dessen erübrigte sich die Untersuchung der prognostischen Güte der verfügbaren Testmethoden zum Nachweis einer ASB (Teilziel C).