Der beliebte Süßstoff soll als möglicherweise krebserzeugend eingestuft werden. Dabei gibt es keine handfesten wissenschaftlichen Belege dafür. Warum dann die Entscheidung?
Wisst ihr, was Aspartam mit Aloe-Vera-Extrakt und eingelegtem Gemüse (nach traditionell asiatischer Art) gemeinsam hat? Sie sind alle drei bald von der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) in der Kategorie 2B als möglicherweise krebserzeugend für den Menschen eingestuft. Genauer gesagt: Das eingelegte Gemüse und Aloe Vera sind es jetzt schon. Medienberichten zufolge soll es nun am 14. Juli eine Stellungnahme der IARC geben, nach der Aspartam künftig ebenso in 2B eingeordnet wird.
Aspartam ist ein synthetischer Süßstoff, der unter der Bezeichnung E951 als Lebensmittelzusatzstoff, beispielsweise in Coke Zero, eingesetzt wird. Schon seit vielen Jahren gibt es Diskussionen um eine möglicherweise schädigende Wirkung von Aspartam – und im Fokus steht schon immer der Krebs. Hierauf weisen verschiedene wissenschaftliche Studien hin. Das Problem an der Sache ist jedoch, dass diese Studien teilweise den 1970er Jahren entstammen und daher nicht unbedingt unseren heutigen wissenschaftlichen Qualitätsbedingungen entsprechen. Verschiedene Wissenschaftler und Behörden haben diese Studien deshalb kontrovers diskutiert – natürlich zusammen mit neueren Studien – und kamen alles in allem zu einem einheitlichen Befund.
So steht beispielsweise in einer Veröffentlichung der Universität Köln aus dem Jahre 2010, dass es „außer einigen unwissenschaftlichen Vermutungen, keinen Beweis dafür gibt, dass Aspartam krebserregend ist.“ Auch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit kommt zu dem Schluss, dass ein mögliches Risiko der Erbgutschädigung und Krebserzeugung durch Aspartam ausgeschlossen werden kann. Die Expertengruppe JECFA der Weltgesundheitsorganisation, die sich mit Lebensmittelzusatzstoffen beschäftigt, gibt eine Unbedenklichkeit von Aspartam an, so lange wir nicht mehr als 40 mg/kg Körpergewicht zu uns nehmen. Eine erwachsene Frau mit 70 kg müsste demnach regelmäßig mehr als 2.800 mg Aspartam täglich aufnehmen, um einen eventuellen Gesundheitsschaden zu erwarten. Zwar sind bei den meisten Softdrinks die genauen Mengen an enthaltenem Aspartam nicht bekannt, ihr müsstet aber einige Liter an Coke Zero trinken, um auch nur in die Nähe dieses Wertes zu kommen.
Jetzt werdet ihr euch fragen: Wieso will denn die IARC Aspartam als möglicherweise krebserzeugend einstufen, wenn doch die meisten anderen Behörden und Wissenschaftler anderer Ansicht sind? Mit dieser Frage seid ihr nicht die einzigen. Viele Wissenschaftler und Behörden sind gespannt auf die Argumentation der IARC, die voraussichtlich am 14. Juli veröffentlicht wird. Aber auch wenn die Stellungnahme noch nicht veröffentlicht ist, kann ich euch jetzt schon sagen: Ihr braucht euch keine Sorgen zu machen, wenn ihr Aspartam in gebrauchsüblichen Mengen zu euch nehmt. Und mit gebrauchsüblichen Mengen meine ich, dass ihr eben nicht literweise Light- und Zero-Getränke in euch hineinschütten sollt. Wieso ich dieser Ansicht bin? Das liegt am Wesen der IARC an sich.
Die IARC beurteilt in keiner Weise, ob es ein realistisches Risiko für Euch gibt, einen Krebs zu erleiden. Nein, die IARC beurteilt nur, ob es überhaupt irgendwie möglich ist, einen Krebs durch diesen Stoff zu bekommen – selbst wenn dafür absurd hohe Mengen benötigt werden. Der Mechanismus muss dabei noch nicht einmal eine spezifische krebserzeugende Wirkung sein, es kann auch aus einer schlichten Überforderung des Körpers resultieren. Exorbitant hohe Mengen eines Stoffes könnten beispielsweise zu Stressreaktionen im Körper mit begleitender Entzündung und oxidativem Stress führen. Dies könnte dann in weiterer Konsequenz in Krebs resultieren. Verantwortlich ist dann aber weniger der Stoff an sich, sondern die absurd hohe Menge, die ein Mensch unter normalen Umständen nie zu sich nehmen würde.
Die IARC würden diesen Stoff wahrscheinlich aber auch in irgendeiner Art und Weise kategorisieren, wenn dies beispielsweise in Tierversuchen gezeigt wurde. Unabhängig davon, ob es ein reales Risiko gibt, oder nicht. Der IARC geht es nur um eine generelle Gefährdungsmöglichkeit, nicht um ein spezifisches Risiko.
Versteht mich bitte nicht falsch. Das soll keine Kritik an der IARC sein. Deren Erkenntnisse sind wissenschaftlich interessant und können in eine gute Risikoeinschätzung eines Stoffes einfließen. Die ausführlichen Stellungnahmen der IARC bezüglich des krebserzeugenden Wesens der verschiedenen Stoffe liefern oft hochwertige wissenschaftliche Details. Aber es heißt eben nicht, dass wenn ein Stoff grundsätzlich eingestuft ist, wir ein realistisches Risiko für einen Krebs haben. Lasst uns einen genaueren Blick auf die Einstufungen der IARC nehmen.
Die IARC stuft in insgesamt vier Kategorien, die sich ausschließlich auf krebserzeugendes Potential fokussieren, ein. Diese sind:
Früher gab es noch eine 5. Gruppe: Wahrscheinlich nicht krebserzeugend. Von über 1.000 untersuchten Stoffen war nur ein einziger Stoff in der letzten Gruppe, die eine wahrscheinliche Unbedenklichkeit anzeigt, enthalten. Dies war Caprolactam, aus dem beispielsweise Textilfasern hergestellt werden. Und selbst dieser Stoff wurde im Jahre 2019 in die Gruppe „Wir wissen es nicht genau“ umgestuft. Was ich euch damit sagen will, ist, dass es verdammt wahrscheinlich ist, dass ein Stoff gemäß der IARC irgendwie etwas mit Krebs zu tun hat.
Lasst mich zum Schluss des Artikels noch ein paar andere Beispiele nennen. Die Einstufung für Sonnenlicht ist aufgrund der enthaltenen UV-Strahlung sehr viel eindeutiger. Wir sind hier in Gruppe 1, also „krebserzeugend im Menschen“. Deshalb tragen wir ja alle (hoffentlich) im Sommer Sonnencreme auf. Diese soll uns vor Hautkrebs schützen. Im Winter hingegen nutzen die wenigsten eine schützende Creme, da die Wahrscheinlichkeit, dass an trüben Wintertagen durch die UV-Strahlung Hautkrebs ausgelöst wird, als deutlich geringer eingeschätzt wird.
Auch nächtliche Schichtarbeit wurde von der IARC eingestuft. Wir landen hier in der Gruppe „wahrscheinlich krebserzeugend im Menschen“. Im Detail geht es hier um eine Störung der Chronobiologie und dem daraus resultierenden Stress im Körper, der in zweiter Konsequenz für Krebs verantwortlich sein könnte. Deswegen bedeutet das aber nicht, dass jeder Nachtarbeiter zwangsläufig Krebs bekommt. Hier spielen sehr viel mehr Faktoren mit hinein, wie beispielsweise die individuelle Biochemie und ja, auch die persönliche Einstellung wie gut jemand mit Nachtarbeit klar kommt oder eben nicht.
Last but not least ist der Verzehr von rotem Fleisch als wahrscheinlich krebserzeugend und der Verzehr von verarbeitetem Fleisch (behandelte Wurst etc.) als krebserzeugend eingestuft. Deswegen müssen die Fleischesser unter euch aber keine schrecklichen Sorgen haben, wenn ab und wann ein Steak oder Wurst gegessen wird. Aber ja, Menschen die täglich ihre Mahlzeiten überwiegend aus eben diesen Lebensmitteln bestreiten, haben sicherlich ein erhöhtes Risiko für eine Krebserkrankung. Es hängt auch hier von der Dosis ab.
Letztendlich bleibt uns festzuhalten, dass die geplante neue Einstufung der IARC, wie auch alle anderen Einstufungen, per se keine schlimme Nachricht für uns Menschen ist. Aspartam in Maßen genossen und nicht in Massen ist nach heutigem Kenntnisstand mit keinem nennenswerten krebserzeugenden Risiko für uns Menschen verbunden.
Weihrauch MR, Diehl V. Artificial sweeteners-do they bear a carcinogenic risk? Ann Oncol. 2004 Oct;15(10):1460-5
https://www.efsa.europa.eu/sites/default/files/corporate_publications/files/factsheetaspartame-de.pdf (abgerufen am 02.07.2023)
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