Wenn es um akute Rückenschmerzen geht, werden Opioide in einigen Ländern deutlich großzügiger verschrieben als die Leitlinien empfehlen. Dabei sollten wir sie bei dieser Art Schmerz vielleicht lieber ganz weglassen.
Opioide wie Tramadol, Tilidin/Naloxon oder Tapentadol gelten beim akuten, unspezifischen Rückenschmerz als Medikamente, die dann (temporär) zum Einsatz kommen, wenn Paracetamol, Metamizol und/oder entzündungshemmende NSAR/Coxibe nicht die gewünschte Wirkung erzielen. Nationale und internationale Leitlinien sind sich hier weitgehend einig. In Deutschland gibt es für den akuten Rückenschmerz beispielsweise den DGS-Praxisleitfaden der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin (DGS) aus dem Jahr 2021 mit einer entsprechenden Zweitlinienempfehlung.
Tatsächlich werden Opioide in der realen Versorgung beim akuten Kreuzschmerz zumindest in einigen Ländern deutlich großzügiger eingesetzt als von den Leitlinien empfohlen. Für Deutschland sind uns keine Zahlen bekannt. Aber für Australien gibt es recht aktuelle Zahlen, wonach in bis zu zwei Dritteln der Fälle Opioide beim akuten, unspezifischen Kreuzschmerz bereits in der Erstlinie verordnet werden, oft als Bestandteil einer Kombinationstherapie mit Nicht-Opioid-Analgetika. Auch die USA gelten als Land mit, zumindest vor der derzeitigen Opioid-Krise, eher liberalem Verschreibungsverhalten.
Gute Daten zu Opioiden in der Indikation akuter Kreuzschmerz waren bisher Mangelware. Doch das hat sich jetzt geändert. Australische Schmerzexperten um Caitlin Jones von der Universität Sydney berichten in der Fachzeitschrift Lancet über die Ergebnisse der OPAL-Studie. Diese randomisierte, placebokontrollierte, dreifach verblindete Studie hat eine leitliniengemäße Nicht-Opioid-Therapie plus Opioid-Placebo verglichen mit einer analogen Therapie unter zusätzlicher Nutzung eines Opioids, konkret Oxycodon/Naloxon in einer Dosis von bis zu 20 mg Oxycodon pro Tag; alle Therapien für bis zu maximal 6 Wochen. Primärer Endpunkt war die Schmerzintensität nach 6 Wochen auf eine 10-Punkte-Skala, dem Brief Pain Inventory.
Insgesamt wurden 347 Patienten randomisiert, die entweder an akutem unterem Rückenschmerz oder akutem Nackenschmerz litten. 19 % in der Opioid-Gruppe und 15 % in der Placebo-Gruppe brachen die Studie ab oder standen für das Follow-up nicht mehr zur Verfügung. Der mittlere Schmerzscore nach 6 Wochen unterschied sich zwischen den Gruppen nicht signifikant, er betrug 2,78 in der Opioid-Gruppe und 2,25 in der Placebogruppe. Begonnen hatten die Patienten jeweils mit einem Score knapp unter 6. Auch der Verlauf zeichnet kein anderes Bild: Zu jedem Messzeitpunkt war der Schmerzlevel in der Placebo-Gruppe nominell geringer. Ob es sich um tiefen Kreuzschmerz oder Nackenschmerz, um Männer oder Frauen, handelte, machte keinen Unterschied.
Die Studie hatte ein paar Probleme. So waren Daten zur Compliance unvollständig, was aber beide Studienarme betraf. Auch war die Drop-out-Quote, wie erwähnt, relativ hoch. Die Wissenschaftler schoben deswegen Analysen nach, die abschätzen ließen, inwieweit sich das auf die Ergebnisse ausgewirkt haben könnte. Sie kommen zu dem Schluss, dass die Ergebnisse dadurch nicht verfälscht werden: „Opioide sollten bei akutem, unspezifischem Rückenschmerz nicht empfohlen werden“, so die Autoren in ihrem Fazit.
Dieser Einschätzung schließen sich auch Mark Sullivan und Jane Ballantyne von der Universität Washington an, die ein begleitendes Editorial im Lancet verfasst haben: „Die derzeitigen Leitlinien empfehlen Opioide bei Patienten mit akuten Rücken- und Nackenschmerzen, wenn andere pharmakologische Therapien kontraindiziert sind oder nicht wirken. Es ist Zeit, sich diese Leitlinien nochmal anzusehen.“
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