Bislang existieren mehrere Theorien über die Entstehung von Endometriose. Eine der wohl bekanntesten geht davon aus, dass die sogenannte retrograde Menstruation eine der Hauptverursacher ist. Bei der retrograden Menstruation gelangt Menstruationsblut durch die Eileiter in den Bauchraum. Allerdings ist nicht jede Person mit retrograder Menstruation automatisch auch von Endometriose betroffen, sodass diese Theorie keine vollständige Erklärung bietet. Nun gibt es neue Erkenntnisse, die darauf hoffen lassen, dass Endometriose in Zukunft besser verstanden wird und dadurch neue Therapieansätze entwickelt werden könnten.
Obwohl die Endometriose sehr häufig vorkommt, ist der Ursprung der Erkrankung bis heute nur unzureichend erforscht. Es gibt allerdings mehrere Erklärungsansätze. Zu der wohl bekanntesten sowie weithin akzeptiertesten Theorie zählt die sogenannte Implantationstheorie [1]. Diese besagt, dass während der Menstruation endometriale Schleimhaut, also Gebewebeteile der Gebärmutterschleimhaut, durch die Eileiter in die Bauchhöhle gelangen und sich dort ansiedeln. Dieser Prozess wird dann retrograde Menstruation genannt. Die Endometriumzellen im Bauchraum können sich dann wie im Uterus verhalten, indem sie wachsen und bluten. Das würde ein Hauptsymptom der Endometriose erklären, nämlich die starken Unterbauchschmerzen. Auch Entzündungen und Verwachsungen könnten so verursacht werden. Obwohl etwa 90 Prozent aller Frauen mit intakten Eileitern diesen Rückfluss von Zellen aufweisen, sind nur sechs bis zehn Prozent davon von Endometriose betroffen. Aus diesem Grund kann die Implantationstheorie allein die Entstehung von Endometriose nicht hinreichend erklären [2], [5].
Einen anderen Erklärungsansatz bietet die Metaplasietheorie [3]. Hierbei wird vermutet, dass sich Zellen des Bauchraums unter bestimmten, derzeit noch ungeklärten Bedingungen, in endometriumartige Zellen umwandeln können. Diese wachsen dann an unterschiedlichen Stellen des Körpers und verursachen Endometriose. Mutmaßlich kann diese Umwandlung durch Entzündungen oder Hormonungleichgewichte ausgelöst werden, aber auch andere Faktoren können eine Rolle spielen [4]. Letztlich ist es auch möglich, dass die Entstehung der Endometriose etwas mit dem Immunsystem zu tun hat. So wird angenommen, dass das Vorhandensein von Menstruationsblut und Endometriumzellen im Bauchraum bei einigen Personen zu einer Entzündungsreaktion des Körpers führt. Ist diese Reaktion fehlerhaft, können die Zellen entweder nicht richtig erkannt und abgebaut werden oder die Anheftung wird weiter begünstigt [5]. Warum dies bei einigen Menschen der Fall ist und bei anderen nicht, ist noch nicht ganz klar. Es wird vermutet, dass die Anzahl der unterschiedlichen Abwehrzellen entweder zu hoch oder zu niedrig ist, was möglicherweise auf einen Immundefekt zurückgeführt werden kann. Auffällig ist, dass bei vielen Menschen mit Endometriose auch Immunerkrankungen nachgewiesen werden können, was die Immuntheorie untermauern könnte [5]. Obwohl jede dieser Theorien schlüssig ist, kann die Entstehung der Endometriose aktuell noch nicht abschließend geklärt werden.
Eine neue, kürzlich durchgeführte japanische Studie mit 155 Frauen hat nun neue Erkenntnisse hervorgebracht, die möglicherweise die Entwicklung von Endometriose erklären könnten [6]. Die Studie dreht sich um Bakterien aus der Gattung der Fusobakterien. Diese sind ein natürlicher Bestandteil der Mund- und Darmflora des Menschen. Sie können also im Körper existieren, ohne Infektionen auszulösen. Einige Stämme des Bakteriums können jedoch Abszesse im Mund oder auch Entzündungen im Bauchraum verursachen, vor allem dann, wenn das Immunsystem geschwächt ist. Dies kann sowohl im weiblichen Genitalbereich, als auch im Bauchfell geschehen [7].
In der Studie wurden die Teilnehmenden in zwei Gruppen eingeteilt. Eine Gruppe setzte sich aus Frauen mit Endometriose zusammen, während die andere Gruppe aus gesunden Frauen bestand. Es wurden Gewebeproben entnommen, welche auf ihre Bakterienzusammensetzung getestet wurden. Die Forschenden fanden heraus, dass 64 Prozent der Gewebeproben der von Endometriose Betroffenen eine Besiedlung mit Fusobakterien aufwiesen. Die Proben der gesunden Frauen waren nur in weniger als zehn Prozent der Fälle mit den Bakterien besiedelt. Aufgrund dieser Entdeckung wurde die Hypothese aufgestellt, dass die Bakterien im Zusammenhang mit Endometriose stehen könnten. Um diese Vermutung zu überprüfen, wurden weitere Untersuchungen durchgeführt. So isolierten die Forschenden die Fusobakterien und fügten diese dem Gebärmuttergewebe hinzu. Sie fanden heraus, dass das Bakterium das Wachstum, Anheften und Wandern der sonst bewegungslosen Bindegewebszellen des Gebärmuttergewebes – den Fibroblasten – fördern und auch Entzündungen auslösen können. Die Fibroblasten entwickelten sich also im Beisein von Fusobakterien zu Myofibroblasten, welche unter anderem auch an der Narbenbildung beteiligt sind. Dies konnte auch bei anschließenden Versuchen mit Mäusen beobachtet werden.
Die Ergebnisse zeigen, dass die Entstehung von Endometrioseherden bei den infizierten Mäusen deutlich höher war, als bei den nicht infizierten. Darüber hinaus hatten sich die Herde über eine größere Fläche verbreitet. Eine anschließende Behandlung mit Antibiotika konnte nicht nur die Ausweitung, sondern auch die Größe der Herde verringern [8]. Nun muss dieser Zusammenhang in Zukunft weiter untersucht werden, um einen möglichen Effekt einer Antibiotikatherapie zu bestätigen. Es ist also möglich, dass Fusobakterien oder zumindest manche Unterformen an der Entstehung von Endometriose beteiligt sein könnten. Um die genaue Rolle dieser Bakterien einordnen zu können, bedarf es jedoch weiterer Studien und Forschung.
Grundsätzlich hängt die Behandlung der Endometriose von der Schwere der Symptome, dem Alter der Betroffenen und dem Ausmaß der Erkrankung ab. Es gibt verschiedene Behandlungsmöglichkeiten, die von der Verwendung von Schmerzmitteln bis hin zu chirurgischen Eingriffen reichen [9]. Schmerzmedikamente wie Ibuprofen oder Paracetamol können helfen, die Schmerzen zu lindern. Ebenfalls häufig eingesetzt werden hormonelle Therapien, beispielsweise mit oralen Kontrazeptiva. In schweren Fällen kann eine Operation notwendig sein, bei welcher die Endometrioseherde entfernt werden. Auch eine Hysterektomie, also eine Entfernung der Gebärmutter, kann zum Einsatz kommen. Dies wird in aller Regel jedoch nur dann durchgeführt, wenn entweder kein Kinderwunsch besteht oder die Endometriose einen sehr schweren Verlauf nimmt. Obwohl diese Behandlungsverfahren sehr hilfreich sein können, gibt es derzeit leider noch keine Heilung für Endometriose.
Die Erkenntnisse aus der japanischen Studie könnten der Grundstein für zukünftig neue Therapiemöglichkeiten sein. Da vermutet wird, dass ein Bakterium als Auslöser agieren kann, könnten möglicherweise Antibiotika Abhilfe schaffen. In der Studie wurden die infizierten Mäuse mit den Antibiotika Metronidazol und Chloramphenicol behandelt [6]. Wie bereits oben beschrieben, führten diese zu einer signifikanten Reduktion der Endometrioseherde [8]. Natürlich kann weder die Dosis noch die Dauer der Behandlung mit Antibiotika von Mäusen auf den Menschen übertragen werden. Es werden jedoch auch andere durch Fusobakterien ausgelöste Infektionen mithilfe dieser oder ähnlicher Antibiotika behandelt, was zumindest eine Orientierung bieten könnte [10]. Wie die antibiotische Behandlung der Endometriose genau aussehen müsste, um erfolgreich zu sein, ist aus den genannten Gründen jedoch zunächst unklar.
Die Entdeckung von Fusobakterien als möglichen Faktor bei der Entstehung von Endometriose ist ein wichtiger Schritt in der Erforschung der Erkrankung. Endometriose betrifft Millionen von Frauen weltweit und kann schwerwiegende Auswirkungen auf die Gesundheit und die Lebensqualität haben. Sollte sich nach weiterer Forschung herausstellen, dass Fusobakterien tatsächlich an der Entstehung von Endometriose beteiligt sind, könnte dies neue Ansätze für die Behandlung und Prävention der Erkrankung eröffnen. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass es sich bei der Endometriose um eine komplexe Erkrankung handelt, bei der viele Faktoren eine Rolle spielen können. Es ist daher unwahrscheinlich, dass Fusobakterien allein für die Entstehung von Endometriose verantwortlich sind. Trotzdem ist die Entdeckung durchaus wegweisend. Es ist weitere Forschung notwendig, um die Rolle des Bakteriums und der anderen Faktoren bei der Entstehung von Endometriose sowie ihr Zusammenspiel zu verstehen und neue Behandlungsmöglichkeiten zu entwickeln. Momentan kann daher noch keine abschließende Aussage darüber getroffen werden, ob die Behandlung in der Zukunft einfacher und vielversprechender wird, aber die Möglichkeit besteht durchaus.
Über Studien und aktuelle Erkenntnissen rund um die Endometriose und Adenomyose können Sie sich außerdem auf dem Blog der Endo-App informieren: Aktuelles - Endometriose.
Quellen