Und täglich grüßt der Lebensmittelkontrolleur – bald auch in den Apotheken. Ich frage mich, was sie bei uns finden wollen, verfallene Gummibärchen? Wie die Kontrollen ablaufen und wer das Ganze bezahlen soll, lest ihr hier.
Es ist erst ein paar Tage her, dass die Apotheken gegen die Widrigkeiten protestiert haben, die ihnen durch die Politik der vergangenen Jahre auferlegt worden sind. Dazu gehört unter anderem auch, dass ein Abbau der Bürokratie gefordert wird, das Einstellen der unsäglich unnötigen Präqualifizierung und eine generelle Erleichterung bei der Dokumentation so einiger Vorgänge. Ein Punkt, der die Inhaber und Apothekenmitarbeiter ebenfalls in den vergangenen Wochen massiv geärgert hat, ist die Lebensmittelkontrollbehörde, die nun auch verstärkt die Apotheken in Nordrhein-Westfalen unter die Lupe nehmen möchte. Man fragt sich, was hier gesucht werden soll – verfallene Bonbons?
In den Apotheken lagern neben Arzneimitteln, Medizinprodukten und Kosmetika auch Traubenzucker, Bonbons oder Gummibärchen, die als Randsortiment abgegeben werden. Auf diese hat es wohl die Lebensmittelkontrolle abgesehen, wenn sie zukünftig turnusmäßig und nicht mehr wie bislang stichprobenartig und anlassbezogen vorbeischaut. Kontrollen, die bisher nur nach einem konkreten Hinweis erfolgten, werden nun verstetigt. Der Grund für diese Kontrollen wurde allerdings nicht genannt – und es ist eigentlich kaum vorstellbar, dass es in der Vergangenheit so häufig zu Verstößen in Apotheken gekommen ist, dass es nötig war, derart zu intervenieren. Sicher ist nur, dass eine regelmäßige und kostenpflichtigen Überwachungspflicht durch das Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsamt Kreis Steinfurt etabliert wurde.
Was macht nun ein solcher Kontrolleur, wenn er in die Apotheke kommt? Um die Qualität und die Sicherheit der angebotenen Lebensmittel sicherzustellen – und dazu zählen auch alle Nahrungsergänzungsmittel, die in einer Apotheke verkauft werden – hat er das Recht, beispielsweise die Verfalldaten genauer zu betrachten sowie sich die Wareneingangs-Dokumentationen zeigen und die lückenlose Einhaltung der Kühlkette nachweisen zu lassen. Im Grunde all die Dinge, die auch ein Pharmazierat bei seinen Besuchen üblicherweise sehen möchte.
Er darf ebenso alle Lieferscheine sehen, die etwas mit den verkauften Lebensmitteln zu tun haben. Das bedeutet, dass die Papiere auf Verlangen vorgezeigt werden müssen. Von Interesse ist dabei die Herkunft der Produkte. Auf der sicheren Seite ist man hier vor allem dann, wenn man seine Waren direkt von einem pharmazeutischen Hersteller oder dem pharmazeutischen Großhandel bezogen hat. Hier steht nicht zu erwarten, dass nicht deklarierte Beimengungen anderer Stoffe gefunden werden, die als potenziell gesundheitsgefährdend gelten.
Fragt man sich nämlich, was das Amt dazu bewegt, verstärkt auch Apotheken bei ihrer Kontrolle unter die Lupe zu nehmen, kommt man recht schnell zum Schluss, dass es sich vermutlich nicht um verfallene Traubenzucker handelt, welche die Kontrolleure finden möchten. Es könnte möglich sein, dass der neue Kontrolltrieb mit den Ergebnissen der Untersuchungen des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zusammenhängt, die 2021 vor allem in Sportlernahrung die gesundheitsgefährdenden Substanzen DMAE und Synephrin gefunden hatten. 87 Proben der sogenannten Pre-Workout-Booster wurden untersucht. Dabei wiesen 44,8 % gesundheitsgefährdende Stoffe auf und 21,8 % enthielten gleich mehrere dieser Stoffe.
Auch Gesichtsmasken gehören zum Repertoire der Apotheken. Hier wurden im Jahr 2020 100 Gesichtsmasken auf Aluminiumsilikatbasis untersucht. Das Ergebnis: 53 % überschritten die Orientierungswerte für die Schwermetalle Arsen, Blei und Cadmium zum Teil deutlich.
Das alles kann natürlich bei einer reinen Verfalls-, Lagerungs- und Lieferscheinkontrolle nicht gefunden werden. Daher hat die Lebensmittelkontrolle auch die Handhabe, regelmäßig Proben in den kontrollierten Betrieben mitzunehmen und zur Kontrolle durch die staatlichen Untersuchungsämter in NRW untersuchen zu lassen. Auch das ist selbstverständlich kostenpflichtig und durch die Inhaber zu tragen.
Wie häufig eine solche Kontrolle fällig werden wird, ist derzeit noch unklar. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft hat beschlossen, dass die Frequenz grundsätzlich bei allen Betrieben mit der entsprechenden Risikokategorie zusammenhängt. Somit wird ein Betrieb, der höher eingestuft wird, auch häufiger besucht. Hier ist es sogar möglich, dass alle drei Monate Besuch vorbeikommt. Das gilt aber sicherlich nicht für Apotheken, sondern eher für Großküchen – ganz besonders dann, wenn diese in der Vergangenheit bereits unangenehme Vorbesuche hatten.
Ein Betrieb wie eine Apotheke, in dem nur abgepackte Lebensmittel von qualifiziertem Personal in sauberer Umgebung abgegeben werden, muss dagegen vermutlich nur alle zwei bis drei Jahre mit der Lebensmittelkontrolle rechnen. Da diese Betriebe auch einer lückenlosen Eigenkontrolle von Temperaturen und Einkäufen unterliegen, wird die Gefahr als weniger groß eingeschätzt.
Wie bei der Präqualifizierung kann der Kontrolleur sich außerdem vom ordnungsgemäßen Zustand von Fußböden, Handwaschbecken oder Wasseranschlüssen überzeugen. Diese Überwachungsmöglichkeiten ergeben sich aus § 6 Abs.1 oder Abs. 4 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift über Grundsätze zur Durchführung der amtlichen Überwachung der Einhaltung der Vorschriften des Lebensmittelrechts, des Rechts der tierischen Nebenprodukte, des Weinrechts, des Futtermittelrechts und des Tabakrechts. Eine Auskunftspflicht der Behörde gegenüber haben im Übrigen nur die Inhaber selbst; von den Angestellten kann keine Aussage verlangt werden.
Was dieser bürokratische Akt kosten wird, ist noch unklar, denn in der Gebührenordnung Nordrhein-Westfalens gibt es keine genauen Kostenaufstellungen. Hier kommt es immer auch auf die Zeit an, die der Kontrolleur in der Apotheke verbringt. In anderen Bundesländern wird nach dem Betriebsumsatz geschaut. Wird der Betrieb etwa eine Stunde lang unter die Lupe genommen, kostet das knapp 100 Euro.
Dazu kommen dann sicherlich noch die Kosten für eventuelle Proben, die eingeschickt werden müssen. Ob es verhältnismäßig ist, die öffentlichen Apotheken nun regelmäßig in solche Kontrollen miteinzubeziehen, bleibt definitiv dahingestellt. Ganz besonders, wenn man sich anschaut, wo die meisten verunreinigten Kosmetika oder Nahrungsergänzungsmittel herkommen – nämlich aus dem Internet.
Eine weitere unnötige Gängelung, Zeitfresserei und Überbürokratisierung – und das zu einer Zeit, in der die Apotheken sowieso schon oft aufgrund des Personalmangels am Anschlag arbeiten.
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