Kälte und Vitamin-D-Mangel werden in der Humanmedizin als mögliche Risikofaktoren für Typ-1-Diabetes diskutiert. Der Diabetes mellitus beim Hund ähnelt dem des Menschen – gibt es eine solche Assoziation auch hier?
Forscher der University of Pennsylvania School of Veterinary Medicine (Penn Vet) fanden jüngst heraus, dass Hunde, die in kälteren Klimazonen wohnen, häufiger an einem Diabetes mellitus erkranken, der dem Typ-1-Diabetes des Menschen ähnelt.
Eine erhöhte Inzidenz von Typ-1-Diabetes wurde beim Menschen mit hoch gelegenen Wohnorten, einer geringen Anzahl von Sonnenstunden pro Tag, kaltem Klima und der Jahreszeit Winter in Verbindung gebracht. Die Gründe für die Zusammenhänge sind noch nicht vollständig geklärt. Die geringe Sonnenscheindauer und die niedrigen Temperaturen beeinflussen die Vitamin-D-Synthese, aber auch die Insulinempfindlichkeit, den Lebensstil und die Ernährung.
Die Datenlage über den Zusammenhang zwischen Vitamin D und Typ-1-Diabetes beim Menschen ist widersprüchlich. Eine Meta-Analyse zeigt einen möglichen Grund auf. Darin untersuchten Forscher die Gen-Polymorphismen bei Patienten mit Typ-1-Diabetes aus 19 Regionen der Welt. Das Ergebnis: Vitamin-D-Rezeptor-Polymorphismen in Regionen mit geringer UV-Strahlung unterscheiden sich von denen an Orten mit ganzjähriger UV-Strahlung. Das könnte die widersprüchlichen Daten aus verschiedenen Ländern über den Zusammenhang zwischen Vitamin-D und Typ-1-Diabetes erklären.
Hunde können eine Form von Diabetes mellitus entwickeln, die dem Typ-1-Diabetes des Menschen ähnelt und sich durch einen Verlust von Betazellen der Bauchspeicheldrüse und Insulinmangel auszeichnet. Bei betroffenen Hunden können Antikörper gegen β-Zellen und verschiedene Inselzell-Komponenten (Insulin, Glutamatdecarboxylase, Tyrosinkinase IA-2) nachweisbar sein. Des Weiteren ist das Risiko, an einem Diabetes mellitus zu erkranken, mit einem bestimmten Dog-Leukocyte-Antigen-Haplotyp assoziiert. Die meisten Hunde mit Diabetes mellitus benötigen eine Insulin-Behandlung; bei schlecht eingestellten Hunden kann sich eine diabetische Ketoazidose entwickeln.
Um den Zusammenhang zwischen Wohnort, Jahreszeit und Diabetes zu untersuchen, verglichen Forscher in den USA Daten von 960 Hunden, bei denen ein Diabetes mellitus diagnostiziert wurde. Die Tierhalter wurden gebeten, ihren Wohnsitz anzugeben, aber auch das aktuelle Alter des Tieres und sein Alter zum Zeitpunkt der Diagnose. Bei 669 Hunden war das Datum der Diagnosestellung bekannt. Unter ihnen wurden auch 27 Fälle von juvenilem Diabetes mellitus festgestellt, die Prävalenz betrug hier 2,8 %. Das ist etwas höher, als in bisherigen Daten. Obwohl die juvenile Form des Diabetes mellitus beim Hund nach wie vor selten ist, schließen Qiu et al. daraus, dass die Inzidenz in den letzten 30 Jahren zugenommen zu haben scheint – sofern das aus ihrem Datensatz hervorgehe. Es sei möglich, dass gemeinsame Umweltfaktoren von Mensch und Hund die Zunahme von juvenilem Diabetes beim Hund und Typ-1-Diabetes beim Menschen beeinflusse.
Der Anteil der Rassehunde mit juvenilem Diabetes mellitus unterschied sich außerdem nicht signifikant von Mischlingen. Die Autoren schließen daraus, dass andere Faktoren als genetische Determinanten die Ausprägung des spontanen Diabetes mellitus bei jungen Hunden beeinflussen könnten.
Bei 33 % der Hunde wurde die Diabetesdiagnose im Winter gestellt, verglichen mit 24 % im Frühjahr, 24 % im Sommer und 19 % im Herbst. Besonders überraschten die Forscher aber die Ergebnisse zur Geografie: 46 % der Diagnosen traten bei Hunden auf, die in nördlichen Regionen der USA lebten, in den Südstaaten waren es 27 %, in den zentral gelegenen Staaten 15 % und im Westen 12 %. „Ich war immer skeptisch gegenüber den Daten“, sagt Prof. Rebecka Hess, Professorin an der Penn Vet und Leiterin der Studie. „Als ich unsere Ergebnisse aber sah, war es ganz klar. Diabetesdiagnosen wurden sowohl im Winter als auch im Norden häufiger gestellt. Die Ergebnisse wären schwieriger zu interpretieren gewesen, wenn wir z. B. eine erhöhte Prävalenz im Winter, aber auch im Süden festgestellt hätten.“
Da die Ursache für diesen Zusammenhang noch nicht bekannt ist, vermutet Hess, dass die Ergebnisse mit der Art und Weise zusammenhängen könnten, wie der Körper entweder Vitamin D oder Insulin verarbeitet. Auch in Studien am Menschen seien niedrigere Vitamin-D-Spiegel mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit von Diabetes in Verbindung gebracht worden.
Mit ihren Ergebnissen zeigen die Forscher um Qiu und Hess das erste mal einen saisonalen und geographischen Einfluss auf die Diabetes-Inzidenz beim Hund. Ob die Umgebungstemperatur oder das verminderte Licht eine Rolle bei der Pathophysiologie der Erkrankung spielen, muss nun weiter erforscht werden. Der Hund unterscheidet sich jedoch vom Menschen dahingehend, dass er kaum Vitamin D in der Haut synthetisieren kann und auf die Nahrung als Hauptquelle angewiesen ist. Deshalb ist die Wirkung des Sonnenlichts auf die Vitamin-D-Synthese wahrscheinlich kein relevanter Faktor bei Hunden, spekulieren auch die Autoren des Papers.
Beim Menschen werden außerdem virale Infektionen im Zusammenhang mit kalten Temperaturen, Winter und Typ-1-Diabetes als ursächlich diskutiert. So ergab eine Meta-Analyse von 38 Fall-Kontroll-Studien mit insgesamt etwa 3.000 Teilnehmern mit Typ-1-Diabetes, dass auf allen Kontinenten Enterovirus-Infektionen mit der Erkrankung assoziiert sind – unabhängig vom jeweiligen Klima. Die Mechanismen sind hier ebenfalls noch unbekannt. Zukünftige Forschung muss zeigen, ob Virusinfektionen auch beim Hund eine Rolle bei der Entstehung von Diabetes mellitus haben könnten.
Das gemeinsame Erkrankungsrisiko in Verbindung mit der Jahreszeit Winter und kaltem Klima bei Mensch und Hund deute darauf hin, dass ähnliche Umweltfaktoren die Entstehung eines Diabetes bei beiden Spezies beeinflussen könnten. „In Anbetracht der engen Beziehung zwischen Mensch und Hund und der Parallelen, die wir bei Diabetes sehen, sollten wir uns damit befassen“, sagt Hess.
Die Studie findet ihr hier.
Bildquelle: Brooke Cagle, unsplash