Der größte Risikofaktor für Alzheimer: Altern. Unklar ist, woran genau das liegt. Forscher konnten zeigen, dass defektes Myelin Alzheimer aktiv fördert. Ein Verlangsamen der altersabhängigen Schädigungen könnte helfen, die Krankheit künftig zu verhindern.
Es beginnt mit leichten Gedächtnislücken, dann folgen zunehmende Probleme, sich zu orientieren, Gesprächen zu folgen, sich auszudrücken, einfache Handgriffe zu tätigen. In der letzten Phase sind Betroffene meist pflegebedürftig – Die Alzheimer-Krankheit verläuft schleichend und betrifft vor allem ältere Menschen. Das Risiko, an Alzheimer zu erkranken, verdoppelt sich ab dem 65. Lebensjahr alle fünf Jahre.
„Die grundlegenden Mechanismen für den Zusammenhang zwischen Alter und Alzheimer sind noch nicht aufgeklärt“, erklärt Wissenschaftler Klaus-Armin Nave, der die Funktion von Myelin erforscht. „Intaktes Myelin ist entscheidend für eine normale Gehirnfunktion. Wir konnten zeigen, dass altersbedingte Veränderungen des Myelins pathologische Veränderungen der Alzheimer’schen Krankheit fördern“, so der Forscher. In einer neuen Studie gingen Nave und sein Team der möglichen Rolle des altersbedingten Myelin-Abbaus bei der Entstehung von Alzheimer auf den Grund. Im Fokus ihrer Arbeit lag ein typisches Merkmal der Demenzerkrankung: Amyloid-Plaques. „Bei Betroffenen bilden sich diese Plaques bereits viele Jahre und sogar Jahrzehnte, bevor erste Alzheimer-Symptome auftreten“, erklärt Constanze Depp, eine der Erstautorinnen der Studie.
Mithilfe bildgebender sowie biochemischer Verfahren untersuchte und verglich das Team verschiedene Mausmodelle der Alzheimer-Krankheit, in denen ähnlich wie bei Alzheimer-Patienten Amyloid-Plaques auftreten. Erstmals untersuchten sie aber Alzheimer-Mäuse, die zusätzlich Myelin-Defekte aufwiesen, wie sie auch bei fortgeschrittenem Alter im menschlichen Gehirn auftreten. „Wir haben gesehen, dass der Myelin-Abbau die Ablagerung von Amyloid-Plaques im Gehirn von Alzheimer-Mausmodellen beschleunigt. Das defekte Myelin belastet die Nervenfasern, sodass sie anschwellen und mehr Aꞵ-Peptide bilden“, beschreibt Erstautorin Ting Sun die Ergebnisse.
Mikroglia (gelb), beseitigen Amyloid-Plaques (magenta) im Gehirn einer Alzheimer-Maus (links). Degenerierendes Myelin lenkt sie davon ab (rechts). Credit: Max-Planck-Institut für Multidisziplinäre Naturwissenschaften.
Gleichzeitig erregen die Myelin-Defekte die Aufmerksamkeit von Mikroglia. Normalerweise erkennen und beseitigen die Mikroglia Amyloid-Plaques und halten so die Ablagerungen in Schach. Werden die Mikroglia jedoch sowohl mit defektem Myelin als auch mit Amyloid-Plaques konfrontiert, entfernen sie in erster Linie die Myelin-Reste, während sich die Plaques weiter ansammeln können. Die Forscher vermuten, dass die Mikroglia durch die Myelinschäden ‚abgelenkt‘ oder überfordert sind, und so nicht richtig auf Plaques reagieren können.
Die Ergebnisse der Studie zeigen erstmals, dass defektes Myelin im alternden Gehirn das Risiko erhöht, dass sich Aꞵ-Peptide ablagern. „Wir hoffen damit auch zu neuen Therapien zu kommen. Gelänge es, altersabhängige Myelin-Schädigungen zu bremsen, könnte dies auch die Alzheimer-Krankheit verhindern oder verlangsamen“, erklärt Nave.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Multidisziplinäre Naturwissenschaften. Hier findet ihr die Originalpublikation.
Bildquelle: Danie Franco, unsplash.