Um die Unterschiede in menschlichen Genomen zu verstehen, sammelten Forscher jetzt Referenzgenome und erstellten das umfangreiche Pangenom. Wie das die Genomforschung revolutionieren könnte, lest ihr hier.
Internationale Forschungsteams haben nun eine neue hochwertige Sammlung von Referenzsequenzen des menschlichen Genoms veröffentlicht. Sie erfasst, anders als das bisherige Referenzgenom eine große Vielfalt verschiedener menschlicher Populationen. Beteiligt war auch Prof. Tobias Marschall, Institut für Medizinische Biometrie und Bioinformatik an der Medizinischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Er leitete zusammen mit vier US-Kollegen das Projekt. Die Arbeit wurde im Rahmen des internationalen Human Pangenome Reference Consortium durchgeführt. Das zugehörige Paper wurde im Fachjournal Nature veröffentlicht.
Die neue Pangenom-Referenz umfasst Genomsequenzen von 47 Menschen. Die Anzahl soll bis Mitte 2024 auf 350 Sequenzen anwachsen. Da jede Person einen gepaarten Chromosomensatz trägt, umfasst die aktuelle Referenz im Ganzen 94 verschiedene Genomsequenzen. Ziel der beteiligten Forscher ist, bis zum Abschluss des Projekts eine Gesamtzahl von 700 verschiedenen Genomsequenzen zu erreichen.
Ein Genom ist der Satz von DNA-Bausteinen, der jedem Lebewesen ermöglicht sich zu entwickeln und zu funktionieren. Die Genomsequenzen unterscheiden sich von Mensch zu Mensch nur geringfügig. Die Genome von zwei Menschen sind im Durchschnitt zu mehr als 99 Prozent identisch, wobei die kleinen Unterschiede eines jeden Menschen Aufschluss über seine Gesundheit geben können. Sie können helfen, Risiken für Krankheiten vorherzusagen und medizinische Behandlungen individuell zu steuern.
Die ursprüngliche Referenzsequenz des menschlichen Genoms ist fast 20 Jahre alt. Sie wurde im Rahmen des technologischen Fortschritts angepasst und aufgrund der Entschlüsselung weiterer Regionen des menschlichen Genoms regelmäßig aktualisiert. „Diese Form einer Referenzsequenz ist jedoch ungeeignet, um die Vielfalt der menschlichen Spezies angemessen zu beschreiben und stellt so keine gute Grundlage für die personalisierte Medizin der Zukunft dar“, sagt Marschall.
„Wir haben bereits im letzten Jahr eine neue Methode entwickelt, die ein solches Pangenom verwendet, um menschliche Genome besser zu interpretieren“, erläutert Jana Ebler, Doktorandin in der Arbeitsgruppe von Marschall und Ko-Autorin der Studie. „Durch die Anwendung unserer Software auf das neue Pangenom können wir besonders gut komplexere Regionen im Genom analysieren, die zuvor mit dem linearen Referenzgenom nur schwer zugänglich waren. Dies ermöglicht es, in Zukunft neue genetische Varianten in diesen Regionen zu erforschen und deren Einfluss auf den Organismus zu verstehen.“
„Grundlagenforscher und Kliniker, die Genomik nutzen, brauchen Zugang zu einer Referenzsequenz, die die bemerkenswerte Vielfalt der menschlichen Bevölkerung widerspiegelt. Dies wird dazu beitragen, die Referenz für alle Menschen nutzbar zu machen und damit die Gefahr der Verbreitung von gesundheitlichen Ungleichheiten zu verringern", sagte Dr. Eric Green, Direktor des NHGRI in Bethesda. „Die Schaffung und Verbesserung einer menschlichen Pangenom-Referenz entspricht dem Ziel des NHGRI, eine globale Vielfalt in allen Aspekten der Genomforschung anzustreben, die entscheidend ist, um genomisches Wissen voranzubringen und die genomische Medizin auf gerechte Weise umzusetzen.“ Das Human Pangenome Reference Consortium umfasst eine integrierte Ethikgruppe, die Herausforderungen antizipieren will und eine ethikkonforme Umsetzung und Strategie unterstützt. Unter anderem kooperiert die Ethikgruppe mit internationalen und indigenen Gemeinschaften, um ihre Genomsequenzen möglichst einzubeziehen.
Dieser Artikel beruht auf einer Pressemitteilung der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Die Originalpublikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Sangharsh Lohakare, unsplash