„Geht es Ihnen gut?“ – wer seinen Patienten solche Fragen stellt, hat noch einiges zu lernen. Hier erfahrt ihr, wie eure Gesprächsführung effektiver wird und warum ihr den ewigen Korrektur-Reflex auch mal unterdrücken solltet.
In der Kommunikation mit Patienten verwenden wir vier Techniken, die im Englischen als OARS zusammengefasst werden:
Schauen wir uns diese Punkte einmal genauer an.
Offene Fragen können nicht einfach mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden. Sie laden dazu ein, tiefer über ein Problem oder die Vorteile einer Veränderung nachzudenken. Offene Fragen beginnen oft mit „Wie“ oder „Was“.
Anders als in der medizinischen Anamnese, wo wir rasch kurze, präzise Informationen benötigen, stellen wir im Veränderungsprozess Fragen so, dass wir bewusst ausführliche Antworten erhalten und zum Nachdenken anregen.
Würdigungen (Bestätigungen) sind Aussagen, die die Stärken des Gesprächspartners betonen und ihr positives Verhalten anerkennen. Wenn sie richtig gemacht werden, können Würdigungen dazu beitragen, das Selbstvertrauen einer Person in ihre Fähigkeit zur Veränderung aufzubauen.
Mit diesen Affirmationen zeigen wir Wertschätzung und Anerkennung für die Anstrengungen, Erfolge und Fähigkeiten unseres Gegenübers, um das Selbstvertrauen zu stärken. Wir achten aber darauf, es nicht mit dem Loben zu verwechseln.
Aktives Zuhören ist vielleicht die wichtigste Fähigkeit, die wir im Gespräch über Veränderungen einsetzen können. Eine Reflexion lässt unseren Patienten wissen, dass wir zugehört haben und versuchen, seine Perspektive zu verstehen. Es gibt unserem Gesprächspartner auch die Möglichkeit, Missverständnisse zu korrigieren und über das Gesagte zu reflektieren.
Mit geschickten Reflexionen lenken wir auch die Aufmerksamkeit des Patienten gezielt in Richtung Veränderung. Wir entlocken ihm so vermehrte Äußerungen zugunsten der Veränderung, die wir als „Change Talk“ bezeichnen.
Zusammenfassungen sind eine besondere Art der Reflexion. Sie zeigen dem Patienten, dass wir zugehört und verstanden haben. In motivierender Gesprächsführung verwenden wir ein solches Resümee nicht nur am Ende des Gesprächs. Es dient auch dazu, einen Teil des Gesprächs zu bündeln oder auch das Thema zu wechseln.
Hier noch einige Beispiele:
Wenn Sie diese Gesprächstechniken häufiger verwenden wollen, bietet sich in jedem Patientenkontakt eine Möglichkeit zum Ausprobieren. In der Reaktion unseres Gesprächspartners bekommen wir sofort Feedback, was wirkt und was nicht.
Change Talk: Das sind Äußerungen des Patienten, die einen Wunsch nach Veränderung signalisieren oder Vorteile einer möglichen Anpassung betonen. Je häufiger unser Patient Change Talk äußert, desto wahrscheinlicher wird eine Veränderung. Oft können wir mit nur zwei Fragen Change Talk hervorlocken.
Sustain Talk: Das sind Aussagen des Patienten, die den Wunsch nach Beibehaltung des aktuellen Verhaltens widerspiegeln oder Gründe gegen eine Veränderung beinhalten. Im Gespräch wollen wir diese Äußerungen nicht ignorieren. Wir werden empathisch darauf eingehen, ohne ihnen zu viel Raum zu geben. In unseren Reflexionen und Zusammenfassungen konzentrieren wir uns mehr auf den Change Talk.
Confidence Talk: Das bezieht sich auf Äußerungen des Patienten, die sein Selbstvertrauen in seine Fähigkeit zur Veränderung ausdrücken. Auch diese Äußerungen möchten wir gezielt durch unsere Gesprächstechniken fördern.
Der Korrektur-Reflex ist ein häufig auftretendes Phänomen in Gesprächen über Veränderung. Es wird versucht, das Problem des Patienten zu „korrigieren“ oder zu „reparieren“.
Das ist oft gut gemeint, aber meistens kontraproduktiv, da es dazu führen kann, dass sich die Person in die Defensive gedrängt fühlt oder Widerstand zeigt. Das tritt besonders dann auf, wenn der Patient noch ambivalent ist bezüglich des Problems. In motivierender Gesprächsführung wollen wir diesen Reflex unterdrücken, eher offene Fragen stellen und Reflexionen anbieten.
Viele der genannten Techniken verwenden wir ohnehin in unseren Gesprächen mit Patienten. Aber häufig verwenden wir Äußerungen, mit denen wir unbewusst Veränderung blockieren. Das Gute: Man muss nicht erst alle Techniken beherrschen, bevor man Elemente von MI anwenden kann. Schon kleine Veränderungen in der eigenen Gesprächsführung können zu ganz anderen, erfolgreichen Gesprächen führen. Ohne Machtkämpfe, Frust und Resignation und mit mehr Freude an Gesprächen mit Patienten.
Es gibt viele Möglichkeiten, sich weiter mit motivierender Gesprächsführung zu beschäftigen.
Bücher: Neben dem Standardwerk von Miller und Rollnick gibt es inzwischen viele Bücher, die sich mit der Umsetzung im Gesundheitswesen beschäftigen.
Kurse und Workshops: Es gibt zahlreiche Kurse zu motivierender Gesprächsführung, auch zunehmend im Online-Format.
Artikel und Videos: Im Internet finden sich viele Artikel und Videos zu motivierender Gesprächsführung.
Wenn wir Patienten bei Veränderungen begleiten wollen, erreichen wir durch die motivierende Gesprächsführung mehr, als durch konfrontierende und korrigierende Gesprächstechniken.
Die Techniken können nur wirken, wenn sie aus der Grundhaltung, dem Spirit heraus angewendet werden. Auf den ersten Blick erscheinen die Techniken einfach, aber sie erfordern einiges Üben. Zum Glück haben wir dazu täglich in jedem Patientengespräch Gelegenheit!
Bildquelle: kyle smith, unsplash
Dieser Beitrag erschien zuerst bei StrebensWert und YouTube.