Die Positronenemissionstomographie macht es nun sichtbar. Internet-Spiele können zur Sucht werden. Suchtforscher fanden im Gehirn der Spieler Veränderungen, die auch bei Drogenabhängigen beobachtet werden können.
Vor einer Positronenemissionstomographie (PET) wird den Probanden ein Tracer in eine Armvene gespritzt. Über das Blut gelangt der Tracer ins Gehirn, wo er sich an bestimmte Strukturen heftet. „Veränderungen im Aufbau und in der Aktivität des Gehirns können auf diese Weise sichtbar gemacht werden“, erläutert Professor Dr. med. Detlef Moka, Vorsitzender des Berufsverbandes Deutscher Neurologen (BDN). Ein häufig verwendeter Tracer ist Fluordesoxyglucose oder 18F-FDG. Er wird wie Glukose von den Hirnzellen aufgenommen. Ein anderer spezieller Tracer ist 11C-N-Methylspiperon oder 11C-NMSP. Er markiert die Bindungsstellen des Botenstoffs Dopamin an dem Rezeptor D2, der im Belohnungssystem des Gehirns eine wichtige Rolle spielt. Chinesische Forscher haben jetzt beide Tracer verwendet, um die Hirnaktivität von 26 jungen Erwachsenen beim Internet-Spielen zu untersuchen. Bei zwölf von ihnen war mit dem Internet Addiction Test nach Young eine Abhängigkeit von Online-Spielen diagnostiziert worden. Sie hatten im Durchschnitt seit 3,4 Jahren „World of Warcraft“ gespielt. In der Studie verglichen die Forscher die Hirnaktivität der Internet-Abhängigen mit denen gesunder Probanden vor und nach einer 30-minütigen Spielphase. Ergebnis: Bei beiden Versuchsgruppen beobachteten die Forscher eine zu erwartende gesteigerte Aktivität in dem Bereich des Gehirns, der die visuellen Reize des Videospiels verarbeitet – dem Sitz der Sehrinde. Gleichzeitig kam es bei den zwölf Internet-Abhängigen jedoch zu einer verminderten Aktivität im Temporallappen und im präfrontalen Cortex. Letzterer ist für die Steuerung vernünftiger Handlungen zuständig. Störungen in diesem Bereich sind typisch für ein Suchtverhalten, wie es auch bei Drogenabhängigen gefunden wird, hatte zuvor der US-amerikanische Psychiater und Suchtforscher Jon E. Grant herausgefunden. Krankhafte Glücksspieler zeigen ebenfalls eine verringerte Aktivität in Hirnarealen, die für vernünftige Entscheidungsfindung und die Kontrolle von impulsivem Verhalten zuständig sind. Dies belegen Studien des Psychiatrie-Professors Marc N. Potenza von der Universität Yale, die auf Magnetresonanztomographie-Untersuchungen basieren.
Einen weiteren Hinweis auf ein Suchtverhalten lieferte die chinesische Studie durch die PET-Darstellung der D2-Rezeptoren mit dem Tracer 11C-NMSP. Bei den Online-Spielern war die Zahl dieser Andockstellen für den Botenstoff Dopamin vermindert. „Dies war umso ausgeprägter, je höher die Abhängigkeitswerte im Young-Test waren und je mehr Erfahrung die Spieler mit ‚World of Warcraft‘ hatten“, erläutert Moka. Die Kombination aus einem D2-Rezeptormangel und der verminderten Hirnaktivität in den präfrontalen Entscheidungszentren ist wiederum ein typisches Merkmal der Drogensucht – es lässt sich etwa bei Methamphetamin-Süchtigen nachweisen. „Auch wenn es sich bei der chinesischen Forschungsarbeit um eine kleine Studie handelt, bestätigen die PET-Untersuchungen doch bisherige Ergebnisse der Suchtforschung“, bilanziert Moka. Die neuronalen Mechanismen, die der stoffgebundenen Drogensucht und der Internetabhängigkeit zugrunde liegen, könnten ähnlich sein. Einige Experten fordern daher, exzessive Internetabhängigkeit als Erkrankung ebenso ernst zu nehmen wie etwa krankhafte Glücksspielsucht. Originalpublikation: PET imaging reveals brain functional changes in internet gaming disorder Zhang H. et al.; Eur J Nucl Med Mol Imaging, doi: 10.1007/s00259-014-2708-8; 2014