Forscher verglichen nun das biologische Alter verschiedener Gewebe innerhalb des menschlichen Organismus. Dafür nutzten diese den Ansatz der sogenannten epigenetischen Uhr. Hierbei zeigte sich, dass Übergewicht die Leber womöglich schneller altern lässt.
Bisher war es den Wissenschaftler lediglich möglich, das Altern eines einzelnen Gewebes gut zu untersuchen. Aber insbesondere der Vergleich des Gewebealters zwischen verschiedenen Organen war eine Herausforderung. Hier kam den Forschern die „epigenetische Uhr“ zu Hilfe, die der Biostatistiker Steve Horvath von der University of California jüngst entwickelte: Durch die Analyse von Veränderungen an der Erbsubstanz lässt sich zumindest das Altern der genetischen Informationsverpackung in der Zelle sehr gut messen. So war es Forschern der Universitätsklinik Schleswig-Holstein und der Universitätsklinik Carl Gustav Carus Dresden, gemeinsam mit Ihrem Kollegen aus den USA, möglich, erstmals eine ganze Reihe von Geweben wie Blut, Muskel, Fettgewebe und auch die Leber auf ihr Alter sowohl bei Normalgewichtigen als auch überwichtigen und fettleibigen Patienten zu prüfen. „Überraschenderweise sahen wir ein vorzeitiges Altern nur in der Leber übergewichtiger Patienten“, sagt Prof. Jochen Hampe, Leiter des Bereiches Gastroenterologie und Hepatologie an der Medizinischen Klinik I des Uniklinikums Dresden. Dieses vorzeitige Altern konnte auch nach Gewichtsabnahme nicht wieder zurückgenommen werden – die Leber „merkt“ sich also ihr Alter – zumindest in den von den Forschern bisher untersuchten Zeiträumen. In Zahlen gemessen, wäre beispielsweise die Leber bei einer 100 Kilo schweren Frau mit einer Größe von 1,65 Metern etwa drei Jahre älter als bei einem Körpergewicht von 70 Kilo. „Diese Befunde werfen natürlich eine Reihe von Fragen auf. Zum einen könnte dieses schnellere Altern der Leber erklären, warum bestimmte Erkrankungen wie beispielsweise Leberkrebs bei Überwichtigen deutlich häufiger vorkommen als bei schlanken Personen“, sagt Prof. Clemens Schafmayer von der Klinik für Allgemeine, Viszeral-, Thorax-, Transplantations- und Kinderchirurgie des Universitätsklinikums Schleswig Holstein, Campus Kiel. Bei Übergewichtigen tickt die Lebensuhr der Leber schneller. Grafik: © UCLA / Steve Horvath „Andererseits stehen wir beim tieferen Verständnis der Alterungsprozesse erst ganz am Anfang“, ergänzt Prof. Jochen Hampe: „Wir gehen jetzt natürlich den Mechanismen dieser Alterungsprozesse auf den Grund, um dort irgendwann auch therapeutisch eingreifen zu können. Bis dahin sind die Befunde zunächst nur ein Argument mehr, sich um ein normales Körpergewicht zu bemühen.“ „Wir freuen uns, dass unsere interdisziplinäre Forschung im Bereich der metabolischen Lebererkrankungen nun erste internationale Früchte trägt. Das ist für uns eine große Motivation, gemeinsam mit unseren Partnern aus der Inneren Medizin, der Humangenetik und Pathologie erfolgreich weiter zu arbeiten“, sagt Prof. Thomas Becker, Direktor der Klinik für Allgemeine, Viszeral-, Thorax-, Transplantations- und Kinderchirurgie. Originalpublikation: Obesity accelerates epigenetic aging of human liver Steve Horvath et al.; Proceedings of the National Academy of Sciences of the USA, doi: 10.1073/pnas.1412759111, 2014