Klarer Fall: Beim akuten ischämischen Schlaganfall ist die Thrombektomie das Mittel der Wahl. Doch beim Verschluss der Arteria cerebri posterior ist sie Ermessenssache. Warum?
Die Thrombektomie (mechanische Entfernung eines Blutgerinnsels) ist neben der medikamentösen Lysetherapie die einzige kausale Therapie beim akuten ischämischen Schlaganfall. Der Nutzen der Thrombektomie ist bei Schlaganfällen im vorderen Kreislauf, d. h. bei Verschlüssen von Arteria carotis interna und Arteria cerebri media gut belegt. Auch bei Verschlüssen der Arteria basilaris haben Studien zuletzt einen guten klinischen Nutzen belegt (hier haben wir darüber berichtet).
Bei Schlaganfällen, die durch einen Verschluss der Arteria cerebri posterior (ACP) verursacht werden, ist die Datenlage bislang hingegen unzureichend. In der klinischen Praxis wird bei solchen Schlaganfällen, sofern sie früh entdeckt werden und die Patienten ein relevantes neurologisches Defizit haben, teilweise eine Thrombektomie durchgeführt. Die Therapieentscheidung beruht dann aber eher auf individueller klinischer Erfahrung als auf wissenschaftlichen Daten.
Verschlüsse der ACP sind immerhin für 6 bis 9 % aller ischämischen Schlaganfälle verantwortlich. Sie machen sich durch Symptome wie einen halbseitigen Sehverlust (homonyme Hemianopsie), kognitive Einschränkungen, halbseitigen Sensibilitätsausfall oder Hemiparese bemerkbar. Auch wenn die Symptome in der Regel als weniger schwerwiegend als bei Verschlüssen der Arteria cerebri media oder der Arteria basilaris wahrgenommen werden, können sie doch zu alltagsrelevanten Einschränkungen führen. Die Unfähigkeit zu lesen oder Auto zu fahren kann beispielsweise eine erheblich verminderte Lebensqualität für den individuellen Patienten bedeuten.
In der Fachzeitschrift Stroke wurde jetzt von einer Studie berichtet, die den klinischen Nutzen der Thrombektomie speziell bei Verschlüssen der ACP untersuchte. In die Fall-Kontroll-Studie wurden 1.023 Patienten mit einem Verschluss der ACP, die innerhalb von 24 Stunden nach Symptombeginn in der Klinik vorgestellt wurden, eingeschlossen. 37% erhielten eine Thrombektomie, 63 % eine rein medikamentöse Therapie. Die Therapieentscheidung lag beim jeweiligen Behandlungsteam. Eine systemische Thrombolysetherapie wurde in beiden Gruppen ähnlich häufig (55 % bzw. 60 %) durchgeführt. Das Durchschnittsalter lag in beiden Gruppen bei ca. 74 Jahren, 42 % waren Frauen. Die Gruppen unterschieden sich hinsichtlich ihres funktionellen Vorzustandes (Patienten, die vor dem Schlaganfall eine modified Rankin Scale (mRS) von 0 hatten waren in der Thrombektomie-Gruppe häufiger) und hinsichtlich der Schwere der Schlaganfallsymptome (durchschnittlicher NIHSS in der Thrombektomie-Gruppe bei 8, in der medikamentösen Gruppe bei 5). Die Ergebnisse wurden für diese Unterschiede in den Gruppen korrigiert.
Ein funktionell unabhängiges Ergebnis (definiert als ein mRS von 0 bis 2) 90 Tage nach dem Ereignis war in beiden Gruppen gleich häufig. Ein exzellentes funktionelles Ergebnis (mRS von 0 bis 1) war in der Thrombektomie-Gruppe hingegen signifikant häufiger (32 % vs. 26 %). Dieser Unterschied wurde sogar noch deutlicher, wenn man statistische Störfaktoren herausrechnete (so hatten beispielsweise die Patienten, die eine Thrombektomie erhielten, einen höheren NIHSS, waren also vom Schlaganfall schwerer betroffen). Ebenfalls wurde in der Thrombektomie-Gruppe häufiger eine vollständige Erholung der Sehfunktion erreicht und eine rasche Verbesserung des NIHSS (also ein schneller Symptomrückgang) kam öfter vor als in der rein medikamentös behandelten Gruppe.
Auf der anderen Seite gab es in der Thrombektomie-Gruppe signifikant häufiger symptomatische intrazerebrale Blutungen (6,2 % vs. 1,7 %) und auch die Sterblichkeit war höher (10 % vs. 5 %). Diese Unterschiede wurden allerdings geringer, wenn man die statistischen Störfaktoren herausrechnete, verschwanden aber nicht vollständig.
Als Limitationen ihrer Untersuchung nennen die Autoren, dass es sich um eine Beobachtungsstudie handelte und die Patienten nicht randomisiert, sondern den jeweiligen Behandlungsmethoden nach Ermessen der Therapeuten zugeführt wurden. Außerdem war die Auswertung nicht verblindet, d. h. die Untersucher wussten, welche Therapien bei den Patienten zuvor durchgeführt wurden. Beides kann zu Verzerrungen bei den Ergebnissen führen. Eine Stärke der Untersuchung war die große Anzahl an eingeschlossenen Patienten, die zudem an vielen Zentren in verschiedenen Ländern behandelt wurden. Um zu klaren Therapieempfehlungen zu kommen, müssten aber randomisierte Studien durchgeführt werden.
In der Zusammenschau handelt es sich um zweideutige Ergebnisse. Auf der einen Seite steht die bessere Chance auf ein exzellentes funktionelles Ergebnis und eine vollständige Erholung der Sehkraft, auf der anderen Seite das erhöhte Risiko für intrazerebrale Blutungen und eine höhere Mortalität. Leichter wird die Entscheidung, welcher Patient mit einem Verschluss der ACP einer Thrombektomie zugeführt werden sollte, hierdurch nicht. Je nach Patient muss individuell entschieden werden, ob eine Intervention sinnvoll ist. Aspekte die eher für die Durchführung einer Thrombektomie sprechen sind ein guter gesundheitlicher Vorzustand des Patienten und ausgeprägte alltagsrelevante Schlaganfallsymptome.
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