Eine globale Metaanalyse bietet erstmals Referenzwerte für die Pulswellengeschwindigkeit. Damit lassen sich jetzt gezielte Risikoabschätzungen für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erstellen.
Das Risiko für Schlaganfall sowie Herz- und Nierenerkrankungen erhöht sich mit zunehmender Steifigkeit der Gefäße. Als Marker für Gefäßsteifigkeit ist die Pulswellengeschwindigkeit (Pulse Wave Velocity, PWV) etabliert. Einem weltweiten Forschernetzwerk ist es nun mit Hilfe von Referenzwerten gelungen, neu berechnete Schwellenwerte vorzulegen und damit die Vorhersage des individuellen kardiovaskulären Risikos zu verbessern.
„Werden die Gefäße steifer, dann steigt auch die Ausbreitungsgeschwindigkeit der vom Herzschlag ausgelösten Welle entlang der Aorta und der Arterien an. Die Pulswellengeschwindigkeit ist also ein direkter Indikator für die Gesundheit und Elastizität unseres Gefäßsystems“, sagt Stefan Kiechl, Direktor der Univ.-Klinik für Neurologie an der Medizin Uni Innsbruck und wissenschaftlicher Leiter des Forschungszentrums VASCage. Mögliche Risikofaktoren für Gefäßsteifigkeit sind: Rauchen, Übergewicht, Bluthochdruck, Bewegungsmangel, Gefäßverkalkung und der natürliche Alterungsprozess.
Dem großen Nutzen der PWV als Marker für das Risiko von Gefäßerkrankungen stand bislang jedoch das Fehlen geeigneter Referenzwerte gegenüber. „Die PWV kann sehr unterschiedlich sein und wird nicht nur durch Alter und Geschlecht, sondern auch durch geografische Faktoren, sozio-ökonomischen Hintergrund und Genetik bestimmt“, so Neurologe Raimund Pechlaner.
Um die Variabilität der PWV darstellen und valide Referenzwerte berechnen zu können, führten die Innsbrucker Neurologen gemeinsam mit Sophia Kiechl (VASCage) sowie internationalen Kollegen eine Metaanalyse durch. Dafür wurden weltweit alle verfügbaren PWV-Messungen kombiniert. Insgesamt wurden 167 Studien aus 34 Ländern mit gemeinsam über 500.000 Teilnehmern zusammengeführt. Erfasst wurden jeweils Messergebnisse der Oberarm-Knöchel- oder Karotis-Femoral-PWV (baPWV oder cfPWV) bei für die Gesamtbevölkerung repräsentativen Studienteilnehmer.
„Unsere Daten belegen etwa, dass in China und anderen Ländern des asiatischen Raums höhere Pulswellengeschwindigkeiten gemessen werden, was das gehäufte Auftreten von Kleingefäß-Schlaganfällen und Hirnblutungen in China und anderen asiatischen Ländern erklären könnte“, berichtet Kiechl. Die Ergebnisse der aktuellen Arbeit bieten länderspezifische Referenzwerte für die Pulswellengeschwindigkeit und wurden im Fachjournal eBioMedicine veröffentlicht.
Der Neuwert der nun berechneten Schwellenwerte liegt in der verbesserten Vorhersage des individuellen kardiovaskulären Risikos. „Damit lassen sich in der Folge gezieltere Therapieentscheidungen treffen, zumal die Gefäßsteifigkeit durch die Änderung des Lebensstils beeinflussbar ist. Schon kurze Zeit nach einem Rauchstopp etwa werden Gefäße wieder elastischer“, betont Kiechl.
Nachdem die Messung der PWV eine einfache, nichtinvasive und gut reproduzierbare Methode zur Bestimmung der Gefäßsteifigkeit ist und nun erstmals weltweite Referenzwerte vorliegen, wollen Kiechl und Pechlaner im nächsten Schritt untersuchen, ob sich die PWV besonders auch für Hochrisikopatienten als standardisierter Vorhersagewert eignet.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Medizinischen Universität Innsbruck. Hier findet ihr die Originalpublikation.
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