Familie, Gesundheit, Geld oder Erfolg tragen nicht allein zu unserer Zufriedenheit bei: Eine gewichtige Rolle spielen hier auch die Gene. In ihrer Studie zeigt Psychologin Elisabeth Hahn, dass immerhin rund ein Drittel unseres Glücks genetisch bedingt ist.
Jeder Mensch ist das Produkt aus angeborenen, genetischen Anlagen und Umwelteinflüssen, also allem, was uns im Laufe des Lebens vom Mutterleib an widerfährt. Der komplizierte Mix aus beidem macht jeden Menschen einzigartig. Mit den Fragen, wie und warum sich Menschen unterscheiden, befasst sich an der Saar-Universität Professor Frank M. Spinath mit seiner Arbeitsgruppe am Lehrstuhl für Differentielle Psychologie. Elisabeth Hahn hat im Rahmen ihrer Doktorarbeit untersucht, inwieweit unsere Erbanlagen Unterschiede speziell in der Zufriedenheit und der Persönlichkeit erklären können und inwieweit Umwelteinflüsse hier eine Rolle spielen. Ihr Ergebnis: Zu 30 bis 37 Prozent stehen die Unterschiede in Sachen Zufriedenheit unter genetischem Einfluss. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass es eine stabile Komponente der Zufriedenheit gibt, und diese lässt sich vermutlich genetisch erklären. Für jeden Menschen existiert also eine Art Grundtendenz, eher zufrieden oder unzufrieden zu sein. Das bedeutet aber nicht, dass derjenige, der von seinen Anlagen her die Dinge eher negativ sieht, daran nichts ändern kann“, erklärt Elisabeth Hahn. Ein angeborener Hang zum Schwarzsehen bedeute für die Betreffenden jedoch, dass sie sich wahrscheinlich mehr anstrengen müssen, um zufrieden zu sein. „So macht etwa mehr Geld nicht alle Menschen gleichermaßen zufrieden – jeder hat seine eigene Grundtendenz und individuelle Umwelteinflüsse, die ihn prägen“, sagt die Psychologin.
Um Fragen nach dem Einfluss von Genen und Umwelt zu beantworten, untersucht die Saarbrücker Arbeitsgruppe üblicherweise Zwillinge: Eineiige sind zu 100 Prozent genetisch identisch, daher spricht viel dafür, dass Unterschiede zwischen ihnen durch Umwelteinflüsse bedingt sind. Auch Elisabeth Hahn analysierte für ihre Studie Zwillinge, darüber hinaus aber auch Geschwisterpaare, Mütter und Kinder, Großeltern und Enkel. Insgesamt waren es 1.308 Paare im Alter von 17 bis 70 Jahren. „Hierdurch war es möglich, die genetischen und umweltbedingten Einflüsse auf die Lebenszufriedenheit genauer zu schätzen, zu vergleichen und differenzierter zu erfassen. Das verleiht der Untersuchung besondere Aussagekraft“, erklärt sie. Bei ihrer Forschung konnte sie auf repräsentative Befragungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in Berlin (DIW) aus einem Zeitraum von 20 Jahren zugreifen: Das DIW befragt jedes Jahr deutsche Haushalte auch zur Zufriedenheit. Die Gruppe der ein- und zweieiigen Zwillinge befragte Elisabeth Hahn selbst. Die Psychologin analysierte die Daten nach Ähnlichkeiten. „Das Verhältnis der Ähnlichkeiten von zum Beispiel Zwillingen und normalen Geschwistern lässt Rückschlüsse zu, wie der Einfluss von Genen und Umwelt prozentual verteilt ist“, erklärt sie.
Auch wie die Lebenszufriedenheit mit der Persönlichkeit zusammenhängt, untersuchte die Psychologin. „Dass die Wesenszüge eines Menschen etwa zur Hälfte erblich sind, haben Studien immer wieder bestätigt, das gilt auch für meine Studie. Interessant war aber, dass sich zwischen Lebenszufriedenheit und Persönlichkeit ein stabiler Zusammenhang zeigte. Das hat die Frage aufgeworfen, inwieweit für diesen Zusammenhang gemeinsame genetische Einflüsse verantwortlich sind“, sagt sie. Das Ergebnis war überraschend eindeutig: „Sämtliche genetischen Einflüsse auf die Lebenszufriedenheit wirkten sich zugleich auf die Persönlichkeit aus und können somit durch die Persönlichkeit erklärt werden. Der Zusammenhang zwischen diesen beiden Merkmalen scheint demnach auf gemeinsamen genetischen Faktoren zu beruhen“, erläutert sie. Die Analyse zeigte außerdem, dass es Umweltfaktoren gibt, die gleichermaßen die Zufriedenheit wie die Persönlichkeit beeinflussen. Originalpublikation: Persönlichkeit und Wohlbefinden. Das Zusammenspiel von Anlage und Umwelt in einem erweiterten verhaltensgenetischen Design Elisabeth Hahn; 2013