Ein erblich bedingtes Risiko für Vorhofflimmern und Schlaganfall wirkt sich womöglich auf rhythmuserhaltende Therapien aus. Eine aktuelle Studie zeigt aber: Früher Rhythmuserhalt verhindert auch hier kardiovaskuläre Komplikationen.
Die EAST – AFNET 4 Studie (Early Treatment of Atrial Fibrillation for Stroke Prevention) hat belegt, dass eine rhythmuserhaltende Therapie mittels Antiarrhythmika oder Katheterablation, wenn sie im ersten Jahr nach der Diagnose Vorhofflimmern begonnen wird, die Prognose von Betroffenen mit kardiovaskulären Risikofaktoren verbessert. Eine frühzeitige rhythmuserhaltende Therapie mit Medikamenten und/oder Ablation führte im Vergleich zur üblichen Behandlung zu weniger Herz-Kreislauf-bedingten Todesfällen, Schlaganfällen und Krankenhausaufenthalten wegen Verschlechterung einer Herzschwäche oder akutem Koronarsyndrom. In der Studie wurden 2.789 Patienten mit kürzlich diagnostiziertem Vorhofflimmern (innerhalb eines Jahres nach Diagnose) und kardiovaskulären Risikofaktoren in den beiden Studiengruppen „früher Rhythmuserhalt (Early Rhythm Control, ERC)“ und „übliche Behandlung (Usual Care, UC)“ über einen Zeitraum von fünf Jahren behandelt und beobachtet.
Dr. Shinwan Kany, Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) Hamburg, erklärt: „Frühere Studien deuten darauf hin, dass bei Patient:innen mit einer genetischen Veranlagung für Vorhofflimmern während einer rhythmuserhaltenden Therapie mehr Vorhofflimmer-Rezidive auftreten können. Außerdem fanden Studien, in denen Schlaganfall-Risiko-Scores ausgewertet wurden, Vorhofflimmerpatient:innen, deren Schlaganfallrisiko erhöht war, obwohl es nach dem CHA2DS2-VASc Score (Berücksichtigung von nicht-erblichen Risikofaktoren) niedrig sein müsste. Dies lässt vermuten, dass eine frühe rhythmuserhaltende Therapie bei Menschen mit einem erhöhten genetischen Risiko für Vorhofflimmern möglicherweise weniger wirksam oder weniger sicher sein könnte. Um das zu klären, untersuchen wir hier in der EAST – AFNET 4 Bioproben-Studie den Zusammenhang zwischen genetischem Vorhofflimmern, Schlaganfallrisiko und kardiovaskulären Komplikationen.“
Im Rahmen der Bioproben-Substudie wurden Teilnehmer der EAST – AFNET 4 Studie gebeten, für spätere Analysen eine Blutprobe abzugeben. Für die aktuelle Auswertung wurden Blutproben von 1.567 der insgesamt 2.789 Studienpatienten analysiert. 793 von ihnen gehörten der Studiengruppe „früher Rhythmuserhalt“ an, 774 der Gruppe „übliche Behandlung“. Das mittlere Alter lag bei 71 Jahren, der Frauenanteil bei 44 Prozent. Wie in der EAST – AFNET 4 Hauptstudie reduzierte der frühe Rhythmuserhalt auch in der Bioproben-Population die kardiovaskulären Komplikationen (HR 0,67, p < 0,001) und zeigte keine Wechselwirkung mit den genetischen Risiken für Vorhofflimmern (PRS-AF: Interaction p = 0,806) und Schlaganfall (PRS-Stroke: Interaction p = 0,765).
Wie erwartet ging ein genetisches Vorhofflimmerrisiko mit wiederkehrendem Vorhofflimmern einher. Das zurechenbare Risiko war allerdings nur mäßig (HR 1,08), was die Wirksamkeit einer modernen rhythmuserhaltenden Therapie für das gesamte genetische Vorhofflimmerrisikospektrum unterstreicht. Unerwartet war der Einfluss eines genetischen Schlaganfallrisikos auf die Komplikationen (HR 1,13, p = 0,048): Es führte zu mehr Herzschwäche-Ereignissen (HR 1,23, p = 0,010), aber nicht zu mehr Schlaganfällen (HR 1, p = 0,973) in dieser gut antikoagulierten Kohorte. Der Zusammenhang zwischen genetischem Schlaganfallrisiko und Krankenhauseinweisungen wegen Herzschwäche wurde durch eine Untersuchung in der UK Biobank bestätigt. Dies ist eine prospektiven Kohortenstudie mit mehr als 500.000 Teilnehmern in Großbritannien. In der Vergleichsanalyse ging das genetische Schlaganfallrisiko einher mit Vorhofflimmern (HR 1,16, p < 0,001) und mit Herzschwäche (HR 1,08, p < 0,001), wobei der Zusammenhang mit Herzschwäche weniger ausgeprägt war, wenn Vorhofflimmerpatienten ausgeschlossen wurden (HR 1,03, p = 0,001).
Der wissenschaftliche Leiter der EAST – AFNET 4 Studie, Prof. Paulus Kirchhof, UKE Hamburg, fasst zusammen: „Unsere Bioproben-Substudie zeigt: Der frühe Rhythmuserhalt bei Vorhofflimmern ist wirksam und sicher für das gesamte genetische Risikospektrum. Unsere Ergebnisse unterstützen den Einsatz einer frühen rhythmuserhaltenden Therapie unabhängig von genetischen Risiken für Vorhofflimmern und Schlaganfall. Der Zusammenhang zwischen genetischem Schlaganfallrisiko und Herzschwäche erfordert weitere Forschung, um zu verstehen, wie genetisches Risiko, kardiovaskuläre Erkrankungen und Behandlung zusammenwirken.“
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung des Kompetenznetzes Vorhofflimmern. Die erwähnten Studien haben wir euch im Text verlinkt.
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