Die Thrombolyse ist ein etabliertes Mittel zur Behandlung von Schlaganfällen. Bei Patienten, die Gerinnungshemmer einnehmen, steigt dabei das Risiko für Hirnblutungen. Kommt jetzt der Paradigmenwechsel?
Die Behandlung von Schlaganfällen hat in den letzten Jahrzehnten enorme Fortschritte gemacht, insbesondere mit der Einführung der Thrombolyse – einem Verfahren, bei dem ein Medikament verwendet wird, um das Blutgerinnsel aufzulösen und den Blutfluss zum Gehirn wiederherzustellen. Doch immer mehr Patienten nehmen sogenannte DOAK ein. Hierbei handelt es sich um Blutverdünner in Form von direkten oralen Antikoagulanzien, welche nun seit vielen Jahren etabliert sind und die altbekannten Vitamin-K-Antagonisten (VKA) wie Marcumar, bis auf wenige Ausnahmen, praktisch komplett abgelöst haben.
Unter einer Therapie mit VKA ist das Blutungsrisiko – insbesondere für Hirnblutungen – deutlich erhöht, sodass eine Thrombolysetherapie bei akutem Schlafanfall meist nicht durchgeführt werden kann, da mit schweren Nebenwirkungen wie Hirnblutungen gerechnet werden muss. Aufgrund dieser Tatsache ging man lange davon aus, dass auch unter einer DOAK-Therapie mit schweren Nebenwirkungen gerechnet werden muss. Zwar ist es prinzipiell möglich, die Wirkung einiger DOAK mittels Antikörpertherapie vor einer Lysetherapie zu antagonisieren, im klinischen Alltag spielt das jedoch bislang keine große Rolle.
Das stellt die Behandler vor ein großes Dilemma: Die Blutverdünnung soll Patienten vor ischämischen Ereignissen wie Schlaganfällen schützen. Kommt es dann aber unter der Therapie zu einem Schlaganfall, ist man häufig machtlos. Eine große internationale, multizentrische retrospektive Kohortenstudie, welche Anfang 2023 in JAMA Neurology veröffentlicht wurde, könnte dies endlich ändern.
Für die Studie wurden insgesamt 33.207 Patienten, die aufgrund eines akuten ischämischen Schlaganfalls mit einer Thrombolysetherapie behandelt wurden, in 64 Zentren weltweit untersucht. 832 dieser Patienten nahmen zuvor eine orale Antikoagulation mit einem DOAK ein. Diese wurden noch einmal in Untergruppen unterteilt, sodass bei etwa einem Drittel der Patienten die DOAK-Wirkung zuvor antagonisiert wurde. Bei einem Drittel wurden die DOAK-Spiegel im Blut zuvor bestimmt und bei dem letzten Drittel die Thrombolysetherapie ohne weitere Vorkehrungen durchgeführt. Beobachtet wurden die Patienten im Hinblick auf das Auftreten von symptomatischen Hirnblutungen innerhalb von 36 Stunden nach Verabreichung der Thrombolysetherapie. Diese wurden zuvor definiert als intrazerebrale Blutungen, welche CT-morphologisch darstellbar waren und zu einer Verschlechterung der Schlaganfallsymptomen von mindestens 4 Punkten auf der NIHS-Skala führten.
Insgesamt traten bei 4,1 % (95 % KI, 3,9–4,4) der Patienten in der Kontrollgruppe symptomatische Hirnblutungen nach der Thrombolysetherapie auf. Überraschenderweise traten nur bei 2,5 % (95 % KI, 1,6–3,8) der Patienten mit kürzlicher DOAK-Einnahme symptomatische Hirnblutungen auf. Im Vergleich betrug die adjustierte Odds-Ratio (OR) 0,57 (95 % KI, 0,36–0,92). Dieser Befund zeigte sich in allen untersuchten Untergruppen der DOAK-Patienten konsistent. Selbst bei Patienten, die erst wenige Stunden vor der Thrombolysetherapie die letzte DOAK-Tablette eingenommen hatten, kam es nicht zu einer erhöhten intrazerebralen Blutungsrate.
Natürlich sind die Ergebnisse der Studie einigen Einschränkungen unterworfen. Diese ergeben sich vor allem aus dem Kohortendesign der Studie, sodass eine gewisse Stichprobenverzerrung nicht auszuschließen ist. Die Forscher geben zudem an, dass die Lysetherapie aufgrund der verschiedenen Gegebenheiten in den jeweiligen Ländern nach unterschiedlichen Standards durchgeführt wurde. So haben etwa einige Patienten in der DOAK-Gruppe nur eine reduzierte Thrombolysedosis erhalten.
Die Ergebnisse der Studie deuten aber darauf hin, dass eine Thrombolysetherapie bei Patienten, die DOAK einnehmen, sicher und wirksam ist. Dies ist eine wichtige und vor allem neue Erkenntnis, die die Behandlungsmöglichkeiten im Falle eines ischämischen Schlaganfalls in dieser Patientengruppe deutlich erweitern. Eine randomisierte Studie wäre wünschenswert, um die gewonnenen Ergebnisse dieser Studie zu verifizieren, damit diese Erkenntnisse schon bald Eingang in den klinischen Alltag finden.
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