Eine Mutation, die zu starkem Bluthochdruck führt, schützt zugleich Herz und Nieren vor Folgeschäden – das berichten Forscher. Der körpereigene Nieren-Schutz könnte als Vorbild für zukünftige Therapien genutzt werden.
Zu hoher Blutdruck schädigt auf Dauer die Nieren. Bei Menschen mit einem veränderten PDE3A-Gen jedoch nicht: „Der Druck in ihren Gefäßen ist zwar aufgrund der Mutation gewaltig. Doch ihre Nieren arbeiten selbst nach jahrelanger Krankheit ganz normal“, erklärt Forschungsgruppenleiter Dr. Enno Klußmann.
Im vergangen Jahr fanden Klußmann und sein Team heraus, dass die Genmutation, die extremen Bluthochdruck und kürzere Finger – Hypertonie mit Brachydaktylie (HTNB) – verursacht, auch das Herz vor den Folgeschäden der Hypertonie bewahrt. Lediglich das Gehirn ist nicht gefeit: „Unbehandelt sterben Menschen mit HTNB – eine Erbkrankheit, die weltweit nur in zehn bis 20 Familien vorkommt – meist relativ jung an einem Schlaganfall“, sagt Klußmann. „Auch Kinder müssen daher schon Antihypertensiva einnehmen.“ Allerdings ist es selbst mit Medikamenten schwierig, den Blutdruck auf normale Werte zu bringen. Nachdem der Wissenschaftler auf die herzschützenden Effekte des mutierten PDE3A-Gens gestoßen war, hatten er und sein Team begonnen, die Nieren einer betroffenen Patientin und zweier Rattenmodelle für HTNB zu untersuchen.
Das Enzym Phosphodiesterase 3A (PDE3A) ist bei Menschen mit erblichem HTNB an zwei Stellen verändert. Beide Mutationen bewirken, dass das Enzym überaktiv ist. „Warum das so ist und auf welche Weise es die Gefäße und das Gehirn schädigt und zugleich das Herz und die Niere schützt, haben wir noch nicht im Detail verstanden“, sagt Klußmann. Dass die Nieren der HTNB-Patientin ganz normal arbeiten, konnten er und sein Team dagegen zeigen.
„Unter anderem ist die Sekretion von Renin bei ihr eher vermindert“, berichtet Anastasiia Sholokh, Erstautorin der Studie. „Ihre Aldosteron-Werte sind normal. Auch klassische Parameter der Nierenfunktion wie die glomeruläre Filtrationsrate oder die Albuminwerte im Blut und Urin deuten auf gesunde Nieren hin“, ergänzt Sholokh.
Im Nierengewebe der Ratten mit HTNB konnten die Forscher zudem keine Anzeichen für eine Entzündung oder eine Fibrose entdecken. Auch das Transkriptom, das zeigt, welche Gene gerade aktiv sind, ist in den Nieren der genveränderten Ratten unauffällig. „Lediglich in bestimmten Regionen des Organs sehen wir eine verminderte Expression des Proteins Amphiregulin“, sagt die Forscherin. „Da dieses in größeren Mengen die Niere mutmaßlich schädigt, trägt die gedrosselte Produktion wahrscheinlich zum Schutz der Nieren bei.“
„Wir konnten zeigen, dass Bluthochdruck nicht immer und automatisch zu Folgeschäden in der Niere führt“, fasst Klußmann zusammen. „Nun wollen wir den schützenden Effekt des veränderten PDE3A-Gens weiter untersuchen und prüfen, ob er sich mit geeigneten Wirkstoffen nachahmen lässt.“ Dann könnte man Patienten mit Bluthochdruck künftig vielleicht vor chronischen Nierenerkrankungen bewahren.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft. Hier findet ihr die Originalpublikation.
Bildquelle: DESIGNECOLOGIST, unsplash.