Jahrelanger Diagnoseweg, jahrelanger Leidensweg und jahrelange Forschung – bislang gibt es noch keine kausale Therapie für die chronische Erkrankung Endometriose. Weltweit verfolgen Forschende den Weg zu diesem großen Ziel. So entwickelt aktuell eine japanische Forschungsgruppe um Nishimoto-Kakiuchi eine Antikörpertherapie gegen Endometriose. Die ersten Studienergebnisse wurden kürzlich im renommierten Science-Journal veröffentlicht. [1]
Die Antikörpertherapie ist eine Art der Immuntherapie. Im Grundprinzip soll das Immunsystem bei der Behandlung von bestimmten Erkrankungen genutzt werden. Dabei werden entweder direkt Antikörper verabreicht oder die Immunabwehr wird durch Medikamente angeregt. Bei Erkrankungen mit hoher Entzündungsaktivität kann das Immunsystem auch gezielt herunterreguliert werden. Zur Behandlung von Krebs, Autoimmunerkrankungen, Infektionen und sogar Migräne wird diese Therapieform bereits eingesetzt. [2]
In den letzten Jahren gewann die Immuntherapie auch mehr an Bedeutung in der Endometrioseforschung. Durch Grundlagenforschung stellte sich zunächst heraus, dass die Endometriose mit erhöhten und fehlregulierten Entzündungsvorgängen einhergeht. An den Endometrioseherden wurden vermehrt Zellen des Immunsystems gefunden, sowie eine erhöhte Konzentration an bestimmten Botenstoffen der Immunabwehr (z.B. TNF-alpha, IL-6, IL-8 uvm.). [3]
Auf Basis dieser Krankheitserkenntnisse wurden weltweit erste Studien zur Immuntherapie durchgeführt. [4, 5, 6, 7] Beispielsweise testete eine Forschungsgruppe der Mansoura-Universität in Ägypten einen Antikörper gegen den sogenannten IL-6 Rezeptor. Nach Antikörpereinnahme verkleinerten sich die Endometrioseherden der Testmäuse im Vergleich zur Kontrollgruppe. [5]
Japanische Studie zu Antikörpern
Kürzlich erregte eine japanische Studie zu Antikörpern gegen den IL-8 Rezeptor an Aufmerksamkeit: [1] Die Wissenschaftler:innen um Nishimoto- Kakiuchi forschten an der Primtaen-Gattung Makaken, welche spontan an Endometriose erkrankt waren. Bei der Analyse von Bauchflüssigkeit stellten sie fest, dass die Konzentration von IL-8 im Vergleich zu anderen Botenstoffen am höchsten war. Zudem erkannten sie einen Zusammenhang zwischen der Konzentrationshöhe von IL-8 und dem Endometriose Schweregrad (nach r-ASRM). Je stärker die Endometriose ausgeprägt war, desto höher war die IL-8 Konzentration und somit die Entzündungsreaktionen im Körper.
Basierend auf diesen Erkenntnissen, wurde der Antikörper AMY109 entwickelt und an Endometriose erkrankten Makaken getestet. Letztlich wurden vier Testtieren über einen Zeitraum von einem Jahr monatlich eine Dosis des AMY109 Antikörpers geimpft. Während dieser Zeit erfolgte alle drei Monate eine Bauchspiegelung zur Beurteilung der Endometriose.
Bei zwei Primaten zeigte sich ein deutlicher Rückgang der Erkrankung mit einer Stadienreduktion von r-ASRM III & IV auf die Stadien II & III. Nicht nur die Endometrioseherden, sondern auch die Verwachsungen am Gewebe gingen zurück. Ein weiterer Affe wies zwar keine Stadienveränderung auf, hingegen auch keinen Progress der Erkrankung, wie bei dem vierten Testtier. Hier wurde ein fortschreitender Krankheitsprozess in der ersten Studienhälfte beobachtet, für die restliche Zeit war das Krankheitsstadium gleichbleibend. Zudem traten abgesehen von lokalen Impfreaktionen der Haut keine Nebenwirkungen auf. Fraglich ist, ob bei einem längerem Testungszeitraum auch die beiden anderen Tiere einen Rückgang der Endometriose gezeigt hätten. Noch fraglicher ist es, wie das Medikament an Menschen wirken würde, zumal hier zusätzlich Veränderungen des Schmerzlevels, anderer Symptome oder der Fruchtbarkeit ermittelt werden kann.
Für die Entwicklung und Zulassung neuer Therapiemöglichkeiten, vor allem von Arzneimitteln, ist die Durchführung verschiedener Studienphasen unumgänglich. Folglich kann der Entwicklungsprozess mehrere Jahre bis Jahrzehnte dauern, um eine möglichst hohe Patientinnensicherheit zu gewährleisten – ohne Garantie auf Erfolg des Medikaments.
Wenn die große Hürde der Zulassung überwunden ist, können sich wiederum neue Herausforderungen ergeben: Bislang sind Therapien mit Antikörpern sehr teuer und können das Gesundheitssystem finanziell belasten. Des Weiteren können die Medikamente nur begrenzt verfügbar sein, wenn Produktionskapazitäten und auch die Infrastruktur unzureichend sind.
Zuletzt ist wichtig zu unterstreichen, dass eine Antikörpertherapie nicht für jede Patientin geeignet sein kann – sei es aufgrund von allgemeinen Nebenwirkungen oder durch andere Vorerkrankungen. Eine neue Therapiemöglichkeit mit Antikörpern würde nicht endgültig die bisherigen Therapieformen, wie die hormonelle oder operative Therapie, ersetzen, sondern ergänzen.
Abschließend lässt sich sagen, dass die aktuellen Forschungen zur Endometriose-Therapie vielversprechend sind. Selbst wenn kein Heilungsmittel direkt entwickelt werden kann, so führt der Forschungsweg bereits zu essenziellen Krankheitserkenntnissen.
Wir werden die weitere Forschung an der Antikörpertherapie spannend mitverfolgen und bei neuen Ergebnissen davon berichten.
Über Studien und aktuelle Erkenntnissen rund um die Endometriose und Adenomyose können Sie sich außerdem auf dem Blog der Endo-App informieren: Aktuelles - Endometriose.