Wenn selbst die Apotheken streiken, muss es wirklich schlimm sein. Endlich raffen sich Deutschlands Apos auf! Aber nicht jeder will mitmachen und das stößt mir sauer auf.
Die Menschen, die in der Apotheke arbeiten, sind nicht gerade für ihr Potenzial bekannt, so richtig aufzubegehren. Es ist nun mal ein Dienstleistungsberuf, den viele aus Berufung ausüben und bei dem man im Kundenkontakt eher zurückhaltend ist mit seiner eigenen Meinung oder kontroversen Diskussionen. Zudem findet sich hier ein großer Prozentsatz an Frauen. Wir sind eher die Leisetreter in der Gesellschaft – und das ist im Grunde auch nichts Schlimmes.
Es wird erst dann zu einer negativen Eigenschaft, wenn man dafür ausgenutzt wird. Genau das ist in den vergangenen Jahren passiert. Immer mehr Aufgaben wurden uns aufgebürdet, immer mehr Arbeit – denn es schließen täglich Apotheken und die Menschen müssen ja trotzdem versorgt werden, ergo sind immer mehr Menschen von immer weniger Apothekenpersonal zu betreuen – bei seit Jahrzehnten gleicher Bezahlung.
Egal, wen ich frage, ob er in den vergangenen 10–15 Jahren mehr Geld bekommen hat – jeder schaut mich entgeistert an. Ja, natürlich! Es wird doch alles teurer, die Inflation und überhaupt möchte man ja die steigende Lebenserfahrung und immer mehr Fortbildungen auch in Zahlen honoriert sehen und nicht nur mit Applaus auf dem Balkon.
Trotzdem ist das genau das, was die Apothekeninhaber in den vergangenen Jahren erlebt haben, denn seit 2013 (!!!) gab es keine Erhöhung des Festbetrages mehr, was ja quasi der Stundenlohn der Inhaber ist. Davon musste im Gegenteil sogar immer mehr abgegeben werden, da wir ja seit Februar dieses Jahres auch noch von diesem Betrag für die Krankenkassen etwas abzwacken müssen, denen es ja so schlecht geht. Deren Verwaltung etwa zu verschlanken oder auf einen Großteil der unterschiedlichen Kassen einfach einmal zu verzichten, um hier Gelder zu sparen, die KEINEM Kranken zugutekommen – Pustekuchen.
Die Politiker verscherzen es sich ungern mit den späteren Geldgebern und sichern sich lieber einen Posten im Aufsichtsrat, wenn ihre politische Karriere zu Ende ist. Einen solchen hoch dotierten Ruheplatz fürs Alter können die Apotheken leider nicht bieten, höchstens einen Fahrerjob auf Mindestlohnbasis.
Um Apotheker aus der Ruhe zu bringen, braucht es schon viel und es kam auch viel zusammen. Die Überlastung gerade während der Coronazeit, in der sich andere Berufsgruppen im Homeoffice langweilten, das fehlende Geld, die mangelnde Anerkennung, die Personalnot und nicht zuletzt die Lieferengpässe, die unsere Geduld auf eine harte Probe stellen, haben jetzt das Fass zum Überlaufen gebracht, so dass am 14. Juni gestreikt wird. Zumindest hoffen wir das.
Die ABDA hat dazu ermutigt, um ihre berechtigten Forderungen zu unterstreichen, die von der Politik bestenfalls ignoriert werden. Die Kammern haben versprochen, die Füße stillzuhalten, sollte jemand die Apotheken wegen der Schließungen melden. Dass Kranke versorgt werden müssen, ist aber kein Thema. Selbstverständlich bleiben die notdiensthabenden Apotheken geöffnet und auch alle krankenhausversorgenden Apotheken arbeiten weiter.
Trotzdem ist es schwer, alle zu mobilisieren. Apotheker streiken nicht gerne, weil sie an all ihre Kunden denken. Aber auch an die Konkurrenz, die dann vielleicht offen hat und möglicherweise ein paar Euro Umsatz mit den Kunden generiert, die eigentlich Stammkunden in der eigenen Apotheke sind. Sie denken an all das schöne Geld, das ihnen an einem solchen Streiktag verloren geht. Viele ziehen nicht mit. Man will nicht der Buhmann sein, der dafür verantwortlich ist, dass Tantchen Hilde sich zur nächsten Notdienstapotheke fahren lassen muss, um ihr Metformin zu holen.
Ganz ehrlich? Wer jetzt nicht mitmacht, der darf sich nicht mehr beschweren. Nie mehr. Der muss klaglos zusehen, wie andere Berufsgruppen 20–30 % mehr Gehalt bekommen und sie selbst hingegen sogar noch etwas abgeben müssen. Der darf nicht mehr jammern, weil gut ausgebildete PTA den Apotheken den Rücken zudrehen und in andere Berufszweige abwandern, in denen sie mehr verdienen als das Minimum, was gerade so zum Leben reicht und irgendwann schließlich in die Altersarmut führt. Wozu hochqualifiziert den Allerwertesten aufreißen, während Lieschen Müller an der Supermarktkasse mehr hat am Ende des Monats? Und auch eine durchschnittliche MFA in der Arztpraxis gegenüber arbeitet 10 Stunden die Woche weniger – bei gleichem Gehalt. Wer nicht protestiert, muss sich nicht wundern, wenn er aufgrund der Personalnot selbst nicht mehr in den Urlaub fahren kann, sondern mit drei Wochen Jahresurlaub auskommen muss.
Wer Angst hat, dass seine Kunden für immer wegbleiben, wenn sie nur einmal in die Apotheke des Streikbrechers vom Nachbarort gehen, der hat ganz andere Probleme als den einen Mittwoch. Wer glaubt, am Hungertuch nagen zu müssen, weil ein Tag geschlossen bleibt – was macht der denn an Feiertagen, die auf einen Wochentag fallen? Der 1. Mai war ein Montag. Der 1.November ist ein Mittwoch – oh nein!
Und sorry, wenn ich lese: „Wir bedienen über die Notdienstklappe, um auf die Problematik aufmerksam zu machen“ – dann will ich brechen. Seid doch ehrlich, ihr wollt auf den Umsatz nicht verzichten, aber versucht trotzdem vor den anderen euer Gesicht zu wahren. Wie peinlich. Wie feige! Dann habt wenigstens den Arsch in der Hose, macht normal auf und erntet dann auch verdient die Verachtung eurer Konkurrenz.
Auch ein Infostand vor der Apotheke ist nicht zielführend! Die erste Kundin, die euch mitfühlend zunickt und Verständnis heuchelt, euch dann aber bittet, ihr das gewünschte Medikament ausnahmsweise doch abzugeben, die wird es auch erhalten. Zumachen. Die Schaufenster abkleben. Übersichtsplakate kleben, auf denen die Schließungen der letzten Jahre verzeichnet sind. Das sind Maßnahmen. Vielleicht in Absprache mit der Konkurrenz, die Notdienst macht, einen Stand vor DEREN Apotheke aufbauen und dort informieren. DAS ist zielführend. Alles andere ist nur Augenauswischerei.
Ich bin gespannt wie ein Flitzebogen, ob es die Aktion dieses Mal in die Tagesschau schafft und die Menschen auf unsere Lage aufmerksam macht. Wer jetzt nicht mitstreikt, dem weine ich keine Träne nach, wenn die Apotheke geschlossen wird. Der hat es nicht anders verdient.
Bildquelle: Leighann Blackwood, unsplash