Die weltweit häufigste Herzrhythmusstörung ist das Vorhofflimmern. Was wäre, wenn man das Erkrankungsrisiko bereits bei der Geburt feststellen könnte?
In Europa leiden ca. 9 Millionen Menschen an Vorhofflimmern. Die Inzidenz in Deutschland beträgt bei Menschen im mittleren Lebensalter 2,5 %; etwa 10 % der > 80-Jährigen sind von Vorhofflimmern betroffen. Obwohl das Vorhofflimmern zumeist im höheren Lebensalter auftritt, können auch jüngere Menschen erkranken. Die Inzidenz bei Kindern und jungen Erwachsenen ist in den letzten Jahrzehnten gestiegen und wird derzeit auf 0,12 % bis 0,16 % geschätzt. Fen Jang und Kollegen gingen der Frage nach, welche Gründe es für das frühe Auftreten von Vorhofflimmern geben könnte.
Fen Yang und Mitarbeiter vom Karolinska Institut in Stockholm nahmen eine Ursache vor der Geburt an. Frühere Studien konnten bereits zeigen, dass Frühgeborene, aber auch Kinder mit einem erhöhten Geburtsgewicht im späteren Leben anfälliger für Herz-Kreislauf-Erkrankungen waren. In der Studie von Jang at al. hatten Kinder, die zu früh geboren wurden oder bei der Geburt zu schwer waren, in der bevölkerungsbasierten Studie aus drei skandinavischen Ländern ein erhöhtes Risiko, im jüngeren Lebensalter an Vorhofflimmern zu erkranken. Die Ergebnisse der Studie wurden im April 2023 in JAMA Pediatrics publiziert.
Die Epidemiologen hatten den Zusammenhang mit dem Vorhofflimmern in drei Kohorten aus Dänemark, Schweden und Finnland erforscht. In allen drei Ländern ließen sich die Angaben zum Geburtstermin und dem Geburtsgewicht leicht mit den späteren Diagnosen am Vorhofflimmern in Beziehung setzen, die von den Patientenregistern der ambulanten und stationären Versorgung dokumentiert werden. Die Gesamtkohorte umfasste etwa 8 Millionen Personen im Alter von bis zu 49 Jahren. In 174,4 Millionen Personenjahren wurde bei 11.464 Teilnehmern ein Vorhofflimmern diagnostiziert. Dies entspricht einer Häufigkeit von 0,14 %. Im Durchschnitt waren die Patienten bei der Diagnosestellung 29,3 Jahre alt. Das Höchstalter am Ende der Nachbeobachtung betrug 49 Jahre (Median, 21 Jahre; IQR, 11,7–30,7 Jahre).
Yang et al. konnten nachweisen, dass Kinder, die vor der 37. Woche geboren wurden, später zu 30 % häufiger an einem Vorhofflimmern erkrankten. Die multivariate Hazard Ratio von 1,30 war mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 1,18 bis 1,42 signifikant. Noch deutlicher war der Zusammenhang mit einem hohen Geburtsgewicht: Kinder, die über der 90. Perzentile lagen, hatten ein um 55 % erhöhtes Risiko auf ein Vorhofflimmern (Hazard Ratio 1,55; 1,46–1,63). Kinder mit beiden Risikofaktoren, also Frühgeburt und einem erhöhten Geburtsgewicht, erkrankten sogar zu 71 % häufiger (Hazard Ratio 1,71; 1,40–2,09).
Eine Analyse, die auf Geschwister beschränkt war, bestätigte die Zahlen. Im Vergleich zu Müttern mit termingerechter Geburt war bei Müttern mit Frühgeburt die Wahrscheinlichkeit höher, dass es sich um Erstgebärende handelte oder angeborene Anomalien auftraten. Mütter, die eine Frühgeburt erlebt hatten, rauchten eher, hatten ein niedriges Bildungsniveau oder eine hypertensive Störung. Bei Geburten mit einem erhöhten Geburtsgewicht handelte es sich um ältere Mehrgebärende mit einer bestehenden Adipositas oder einem bestehenden Diabetes.
Die Autoren nennen in ihrer Publikation drei Limitationen der Studie. Erstens sehen sie die Möglichkeit, dass asymptomatische, paroxysmale oder leichte Fälle von Vorhofflimmern nicht im Patientenregister dokumentiert und somit nicht in der Auswertung berücksichtigt wurden. Zweitens können sie das Auftreten von einem Carry-Over-Effekt nicht ausschließen. Und drittens benennen sie den limitierten Nachuntersuchungszeitraum. Positiv zu bewerten sind sicher das prospektive Studiendesign und das große Patientenkollektiv.
Für den klinischen Alltag könnten die Ergebnisse der Studie bedeuten, dass die Anamneseerhebung ausgeweitet werden sollte und Patienten mit einem Geburtsgewicht oberhalb der 90. Perzentile und/oder einer Geburt vor der 37. Schwangerschaftswoche engmaschig auf Vorhofflimmern kontrolliert werden sollten. Allerdings werden weitere Studien mit längerer Nachbeobachtung benötigt, die die zugrunde liegenden Mechanismen für die beobachteten Zusammenhänge aufklären könnten.
Bildquelle: Ambitious Studio - Rick Barrett, unsplash