Bei Asthma gibt’s in Sachen Diagnose und Therapie eine Menge zu beachten – eine neue Leitlinie hilft weiter. Ist euch zu lang? Dann lest hier das Wichtigste im Überblick.
Beim Asthma bronchiale handelt es sich um eine weit verbreitete multifaktorielle, heterogene Erkrankung, die durch eine bronchiale Hyperreagibilität und/oder variable Atemwegsobstruktionen gekennzeichnet ist. Bei Diagnose und Therapie gibt’s eine Menge zu beachten – daher stellte Dr. Franziska Vocht am Mittwochabend die wichtigsten Punkte im DocCheck CME „Atemlos – das pneumologische Hit Webinar“ vor. Sie orientierte sich dabei maßgeblich an der neuesten fachärztlicher Leitlinie, die erst diesen März veröffentlicht wurde.
Die Krankheit lässt sich in verschiedene Formen unterteilen. Ein recht grober, aber hilfreicher Maßstab ist das Alter zu Beginn der Krankheit. Man unterscheidet zwischen „early-onset“ im Kindes- und Jugendalter und „adult-onset“. Asthma vom Typ early-onset ist meist allergisch, wobei es im Verlauf aber auch in ein intrinsisches, also nicht-allergisches Asthma übergehen kann. Adult-onset Asthma ist hingegen von vornherein oft intrinsisch.
Dabei hört es natürlich nicht auf – es kann zwischen vielen verschiedenen Phänotypen unterschieden werden. Wie schon erwähnt, gibt es die Unterscheidung zwischen allergischem und nicht-allergischem Asthma. Ebenfalls zu nennen ist die Typ-2-Inflammation, die bei einigen Asthmatikern vorkommt; eine Eosinophilie im Blut von > 150/mL und ein FeNO von > 20 ppb weisen darauf hin. Weitere Phänotypen sind beispielsweise das belastungsinduzierte Asthma oder medikamenteninduziertes Asthma, das durch Unverträglichkeiten gegen unter anderem COX-1-Hemmer oder Schmerzmittel wie Ibuprofen oder ASS.
Asthma entsteht nicht im Vakuum – es gibt verschiedene Faktoren, die die Entstehung und Ausprägung der Krankheit beeinflussen und sich in endogene und exogene Faktoren einteilen lassen. Zu den endogenen Faktoren zählt die genetische Prädisposition und auch Adipositas – diese führt nicht nur zu einer mechanischen Kompression der Atemwege, sondern begünstigt durch inflammatorische Prozesse die bronchiale Hyperreagibilität. Auch das Geschlecht ist ein Risikofaktor: Im Erwachsenenalter sind Frauen häufiger betroffen, im Kinder- und Jugendalter hingegen Jungen. Auch psychische Faktoren können eine Rolle spielen.
Als exogene Faktoren sind als erstes natürlich Allergene wie Hausstaubmilben oder Tierhaare zu nennen. Dazu kommen Infektionen und Umweltbedingungen. Dabei kommentiert Vocht: „Als protektiv gilt ganz klar ein Aufwachsen mit viel Tierkontakt und Umweltkontakt auf dem Bauernhof“. Zum Einfluss von Infektionen ist aufgrund widersprüchlicher Daten jedoch keine allgemeingültige Aussage möglich: „Manche sind protektiv, manche werden als mitursächlich für die Entstehung von Asthma identifiziert.“ Nicht nur der Bäckerberuf, auch andere Berufe können durch Exposition zu Noxen Entstehung und Schweregrad eines Asthmas beeinflussen. Zu guter Letzt spielen natürlich auch Ernährung, Medikamenteneinnahme und Tabakexposition eine Rolle.
Manche Patienten haben trotz maximaler inhalativer Therapie keine gut kontrollierte Krankheit. Aber ist wirklich die Krankheit so schwer oder ist die Therapie einfach noch nicht optimal? Der erster Schritt sollte Vocht zufolge immer sein, zu überprüfen, ob tatsächlich ein Asthma vorliegt – oder ob nicht doch eine Differentialdiagnose übersehen wurde. Liegt tatsächlich ein Asthma vor, gibt es womöglich Optimierungsmöglichkeiten:
Wird mindestens eine der Fragen mit nein beantwortet, gilt es erstmal diese Basismaßnahmen anzugehen. Wurden hingegen alle Möglichkeiten ausgereizt, liegt wirklich ein schweres Asthma vor – dann sollte weiter phänotypisiert werden und dementsprechende, spezifische Zusatztherapieoptionen erwogen werden.
Ohne gründliche Anamnese geht – wie eigentlich überall – nichts. Die typische Symptomatik sollte abgefragt werden: Berichtet der Patient von obstruktiven Atemgeräuschen beim Ausatmen, von Husten, Kurzatmigkeit und thorakaler Enge? Tritt mehr als eines dieser Symptome auf, ist die Symptomlast nachts oder morgens häufiger und maximal, treten Beschwerden in variabler Intensität und gibt es Trigger – dann ist Diagnose Asthma bronchiale sehr wahrscheinlich. Aber auch die Krankheitsvorgeschichte, Komorbiditäten und die Familienanamnese müssen abgefragt werden, um eine andere Diagnose sicher ausschließen zu können. Vocht nennt als Beispiel den AAT-Mangel als häufige Differentialdiagnose, die sich sehr ähnlich präsentiert.
Auch die Lungenfunktion muss vor der eindeutigen Diagnosestellung überprüft werden. Die einfachste Art und Weise, um eine Atemwegsobstruktion nachzuweisen, ist und bleibt die Spirometrie. Wird dabei eine Obstruktion festgestellt, folgt weitere Diagnostik wie ein Bronchospasmolysetest, klassischerweise durch Inhalation von Salbutamol, um die Variabilität festzustellen. Wird keine Variabilität festgestellt oder auch keine Obstruktion – schließlich stellen sich Asthma-Patienten zumeist in der Praxis vor, wenn sie gerade asymptomatisch sind und eine normale Lungenfunktion vorweisen – ist an Provokationstestung zu denken, um eine bronchiale Hyperreagibilität nachzuweisen. Bewährt im Alltag ist dabei eine Methacholin-Inhalation als direkter Stimulus. Zu beachten ist aber, dass bronchiale Hyperreagibilität kein Alleinstellungmerkmal des Asthma bronchiale ist – bei allergischer Rhinitis oder Mukoviszidose gibt’s das auch.
Eine Diffusionskapazitätsmessung dient vor allem zum Ausschluss der Differentialdiagnose COPD: Bei Asthma liegt klassischerweise keine Gasaustauschstörung vor.
Essentiell und zunehmend an Bedeutung gewinnend ist weiterhin die FeNO-Messung. Dabei geht’s um das exhalierte Stickstoffmonoxid als Biomarker für die Atemwegsinflammation. „Alles unter 25 ppb ist als normal zu werten“, sagt Vocht. So ein Wert bedeutet noch mehr auf Differentialdiagnosen prüfen, und deutet für eine Therapie auch darauf hin, dass ein ansprechen auf Steroide unwahrscheinlicher ist. Bei FeNO-Messwerten zwischen 25 und 50 ppb ist Asthma wahrscheinlicher; „über 50 ppb unterstützt es die Verdachtsdiagnose schon enorm“.
Die FeNO-Messung ist nicht nur für Diagnose interessant, sondern leitet auch die Therapie an – sind mehr oder weniger Steroide sinnvoll? So kann beispielsweise bei einem unterlaufender Therapie symptomfreien Patienten erwogen werden, die Steroidgabe zu reduzieren, wenn das FeNO unter 25 ppb ist – über 50 ppb wäre davon Abstand zu nehmen. Zum Thema FeNO gibt es in der neuen Leitlinie übrigens auch eine Neuerung: Lässt sich bei einem Patienten keine bronchiale Obstruktion oder bronchiale Hyperreagibilität feststellen, kann trotzdem die Diagnose Asthma gestellt werden, wenn das FeNO über 50 ppb liegt und der Patient klinisch auf inhalative Corticosteroide (ICS) anspricht.
Weiterführende Diagnostik beinhaltet noch ein Differentialblutbild, um Eosinophilie und Gesamt-IgE bestimmen zu können. Eine Sputumzytologie ist zwar möglich, aber aufgrund des Kostenaufwands und fragwürdiger Aussagekraft eher uninteressant. Wichtiger ist da die allergologische Stufendiagnostik: Auf jeden Fall sollte mindestens eine gründliche Allergieanamnese erfolgen und im besten Fall auch ein Prick-Test. Bei weiteren Anhaltspunkten auf eine allergische Komponente können weitere Tests folgen.
Kommen wir zur Therapie. Hier greift natürlich weiterhin das allseits bekannte Stufenschema. In der neuen Leitlinie hat sich hier insbesondere auf den ersten beiden Stufen was getan. „Hier finden wir jetzt die Fixkombination aus ICS niedrigdosiert und Formoterol als Bedarfstherapie in Stufe 1 und in Stufe 2.“ Alternativ bietet sich die Gabe von niedrigdosiertem ICS als Langzeittherapie an, mit SABA als Bedarfstherapie. Vocht bemängelt jedoch, dass immer noch zu häufig SABA zur Bedarfstherapie als Monotherapie verschrieben werden oder sogar als Dauertherapie verwendet werden. Von dieser sei allerdings dringend abzuraten: Studien haben gezeigt, dass die regelhafte Anwendung von SABA zu einer Steigerung der Inflammation führt und vermehrt und schwere Exazerbationen nach sich ziehen kann.
Ab Stufe 3 gilt weiterhin die vorhin genannte Fixkombination als Basistherapie mit steigender Dosierung des ICS. Dazu kommen bevorzugt LABA (bevorzugt) und LAMA zum Einsatz. Bei Stufe 5 und der ICS-Höchstdosierung angekommen sollte je nach Phänotyp an diesem Punkt auch eine Add-on-Therapie mit Biologika erwogen werden. Orale Kortikoide sollten abseits einer akuten Exazerbation eher vermieden werden, insbesondere in der Dauertherapie. Sie sollten nur bei Versagen einer Biologikatherapie zum Einsatz kommen.
Beim nachgewiesenermaßen allergischen Asthma sollte unabhängig der Stufe eine Allergen-Immuntherapie in Frage kommen. Eine Biologika-Therapie stellt dabei übrigens keine Kontraindikation dar. Die Therapie kommt allerdings nur bei einem teilkontrolliertem oder gut kontrolliertem allergischen Asthma in Frage.
Bei Auswahl der medikamentösen Therapie geht’s übrigens nicht nur um die reine Auswahl der Wirkstoffe – auch das Inhalationsdevice selber ist entscheidend und muss zum Patienten passen. Er muss rein koordinatorisch in der Lage sein, dieses korrekt zu bedienen, was bei sehr alten und sehr jungen Patienten oft zum Problem wird. Und auch die Lungenfunktion muss beachtet werden: Gerade bei eingeschränkter Lungenfunktion – Stichwort COPD als Komorbidität – kommen keine Devices wie Pulverinhalatoren in Frage, die viel Atemarbeit erfordern.
Die Homepage der Deutschen Atemwegsliga hilft bei der Entscheidung: Dort sind alle möglichen Apparate entsprechend der benötigten Atemarbeit aufgelistet. Eine weitere Hilfestellung für die Patienten bieten QR-Codes, die auf allen neu verordneten Devices zu finden sind. Diese führen auf entsprechende Demonstrationsvideos der Deutschen Atemwegsliga für das spezifische Device, die helfen können, Anwendungsfehler zu minimieren. Vocht meint: die Patienten unbedingt darauf hinweisen, denn die richtige Schulung des Patienten zu seinem Inhalationsgerät ist unabdinglich.
Das Allerwichtigste ist jedoch nicht die medikamentöse Therapie. Die Take-Home-Message des Vortrags ist vielmehr: Die nicht-medikamentöse Therapie steht im Mittelpunkt, egal auf welcher Stufe. Dazu gehören eine gründliche Schulung des Patienten über seine Krankheit und die Minimierung von Triggern und Umweltfaktoren – bei Rauchern steht also der Rauchstopp ganz oben auf der Liste. Weiterhin sollten sich die Patienten körperlich betätigen und Sport betreiben, und gegebenenfalls ihr Gewicht reduzieren. Von Seiten des Arztes müssen auch Komorbiditäten immer beachtet und mittherapiert werden. Und auch das Impfen gemäß STIKO sollte zum Schluss nicht vergessen werden: Ein guter Schutz vor Influenza, Pneumokokken, SARS-CoV-2 und Varizelleninfektionen zahlt sich für die Patienten aus.
Bildquelle: Wilhelm Gunkel, Unsplash