Eigentlich sollte das AMNOG nicht nur Kosten dämpfen, sondern innovative Therapien allen geeigneten Patienten zugänglich machen. Weit gefehlt – bei Ärzten herrscht nach wie vor Unsicherheit. Im Zweifelsfall scheuen sie sich vor Verordnungen, obwohl der Gesetzgeber Klarheit schaffen wollte.
Wundern sich Apotheker, warum innovative Präparate trotz Erfolgen bei der frühen Nutzenbewertung nicht auf Kassenrezepten landen, hat das meistens einen Grund: Viele Ärzte sind unsicher, wie mit hochpreisigen Neuzulassungen umzugehen ist. Des einen Freud ist des anderen Leid: Kassen sparen immense Beträge, während Patienten eine bessere Therapie vorenthalten wird. Dieses Fazit zogen Heilberufler und Kassenvertreter beim zweiten „Tübinger Dialog“.
Aus juristischem Blickwinkel betrachtet, haben Ärzte weder die Möglichkeit noch die Verpflichtung, Pharmaka hinsichtlich ihres Nutzens zu bewerten. Ein positives Votum des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) reicht dafür aus – und schafft Rechtssicherheit. Umso mehr erstaunt, dass sich manche kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenkassen nicht scheuen, Ärzte unter Druck zu setzen. Ihnen wird geraten, hochpreisige Innovationen „zurückhaltend“ zu verschreiben, bis Hersteller und GKV-Spitzenverband gemäß Arzneimittel-Nutzenbewertungsverordnung einen Erstattungsbeitrag ausgehandelt haben. Bleibt als Resümee: Das AMNOG (Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz) hat eines seiner grundlegenden Ziele um Meilen verfehlt.
Kassenvertreter lassen trotzdem nicht locker. Sie wünschen sich, Präparate auch später in regelmäßigen Abständen zu überprüfen – sobald neue Versorgungsdaten vorliegen. Landesapothekerverbände wollen von einer „permanenten Nutzenbewertung“ nichts wissen. Sie befürchten überbordende Verwaltungsabläufe ohne tatsächlichen Erkenntnisgewinn und ohne Mehrwert für Versicherte. Besser wäre, die Versorgungsforschung auszubauen, um Verbesserungspotenziale aufzuspüren.