Im Labor ist es gelungen, ein Diabetes-Medikament durch Lichtreize zu aktivieren. Ein Lichtimpuls soll künftig die Insulinfreisetzung in der Bauchspeicheldrüse auslösen. Der Mechanismus funktioniert mit blauem LED-Licht und liefert einen möglichen, neuen Therapieansatz.
Molekulare optische Schalter können die Signalübertragung von Molekülen beeinflussen. In einer Forschungsstudie, angeführt von Dirk Trauner, Professor für Chemische Biologie und Genetik an der LMU, und Johannes Broichhagen (LMU) sowie Professor Guy Rutter und Dr. David Hodson vom Imperial College London, ist es gelungen, einen optischen Schalter für Medikamente aus der Klasse der Sulfonyl-Harnstoffe zu entwickeln, die bei Diabetes vom Typ 2 eingesetzt werden. Darüber berichten die Forscher aktuell in der Fachzeitschrift Nature Communications. „Wir verbinden synthetische molekulare Schalter, die auf Licht reagieren, mit natürlichen Rezeptoren. Diese hybriden Fotorezeptoren machen die Moleküle für Licht ansprechbar“, erläutert Dirk Trauner das Prinzip der molekularen optischen Schalter. „Licht lässt sich sehr genau kontrollieren, sodass wir die Moleküle gezielt ansprechen können. Außerdem ist die Reaktion reversibel.“ Wird dieses Prinzip auf Arzneimittel übertragen, kann ein Wirkstoff allein durch einen Lichtreiz freigesetzt werden. Molekulare optische Schalter könnten ganz neue Behandlungsmöglichkeiten eröffnen. Bei Diabetes ist infolge einer gestörten Insulinzufuhr der Blutzuckerspiegel erhöht, weil Kohlenhydrate nicht richtig verwertet werden können. Für Sulfonyl-Harnstoffe, die bei Diabetes vom Typ 2 die Insulinfreisetzung in der Bauchspeicheldrüse auslösen, haben die Forscher nun den Prototyp JB253 entwickelt und erfolgreich im Labor getestet: Beta-Zellen der Bauchspeicheldrüse setzen Insulin frei, sobald der mit einem optischen Schalter versehene Arzneistoff mit blauem Licht stimuliert wird. Geht das Licht aus, stoppt auch die Insulingabe.
Sulfonyl-Harnstoffe setzen an den Kaliumkanälen von Zellen in der Bauchspeicheldrüse an. „Der Prototyp JB253 könnte ein wichtiges Werkzeug sein, um die Funktion der Kaliumkanäle zu untersuchen“, sagt Trauner, der die Photopharmakologie nicht nur für ein wertvolles Forschungswerkzeug hält: „Wir sind überzeugt, dass sie in nicht allzu ferner Zukunft auch klinische Bedeutung erlangt.“ Die Vision der Forscher ist, dass das Arzneimittel als Tablette eingenommen werden kann. Der Wirkstoff würde erst in dem Moment freigesetzt, indem der Patient ein blaues LED-Licht an seine Haut hält. Wird das Licht ausgeknipst, stoppt die Medikamentenzufuhr. „Es ist noch ein langer Weg, bevor eine solche Therapie für Patienten möglich wird. Sie würde ihnen erlauben, ihren Blutzuckerspiegel besser zu kontrollieren. Außerdem könnten so Nebenwirkungen reduziert werden, da der Wirkstoff gezielt dort freigesetzt werden kann, wo er benötigt wird“, sagt Dr. Hodson vom Imperial College London. Allerdings muss der Prototyp JB253 noch seine blutzuckersenkende Wirkung im Tiermodell zeigen. Originalpublikation: Optical control of insulin release using a photoswitchable sulfonylurea Dirk Trauner et al.; Nature Communications, doi: 10.1038/ncomms6116; 2014