Sportler aus ärmeren Ländern brauchen mehr Gesundheitserziehung, um Trainingsverletzungen zu vermeiden. Doch paradoxerweise kann mehr Wissen auch das Verletzungsrisiko erhöhen, wenn der Zugang zu medizinischem Fachwissen fehlt. Das zeigt nun eine Studie.
„Es gab astronomische Unterschiede bei den Unterstützungsressourcen zwischen Junioren aus verschiedenen Teilen der Welt“, sagt Prof. Toomas Timpka von der Abteilung für Gesundheit, Medizin und Pflegewissenschaften an der Universität Linköping, Schweden. „Die europäischen Wettkämpfer hatten ganze medizinische Teams und computergestützte Analyseprogramme zu ihrer Unterstützung, während die Hauptunterstützung für junge ostafrikanische Wettkämpfer oft aus einem Familienmitglied oder einem Lehrer aus ihrem Heimatdorf bestand.“
Die Forscher habe eine Studie unter Junioren und Senioren durchgeführt, die 2017 an zwei internationalen Leichtathletik-Meisterschaften auf Eliteniveau teilgenommen haben. In der abschließenden Studie, die kürzlich im British Journal of Sports Medicine veröffentlicht wurde, wurden 780 Athleten aus verschiedenen Ländern befragt, ob sie während ihrer Vorbereitungen Verletzungssymptome erlebt hatten und ob dies sie dazu veranlasst hatte, ihr Training anzupassen.
Außerdem wurden sie zu ihrer Fähigkeit befragt, sich selbstständig Gesundheitswissen zur Vorbeugung von Verletzungen anzueignen und anzuwenden – was die Forscher als Gesundheitskompetenz bezeichnen. Dies ist ein Bereich, über den nur wenig bekannt ist.
Die Forscher nutzten auch den jährlichen Entwicklungsindex der Vereinten Nationen, der die Länder auf der Grundlage einer Reihe von Faktoren, einschließlich des Bildungs- und Einkommensniveaus, einstuft. Anhand dieses Indexes wurden die medizinischen Unterstützungsressourcen der nationalen Teams geschätzt. Die Berücksichtigung des Entwicklungsindexes ist laut Toomas Timpka neu in der Forschung.
Es zeigte sich, dass die Wissensunterschiede zwischen Erwachsenen und Jugendlichen sehr groß sind. Nur 13 Prozent der Junioren verfügten über eine grundlegende Gesundheitskompetenz, verglichen mit 41 Prozent der Erwachsenen. Unabhängig vom Alter waren Sportler aus Ländern mit einem hohen Entwicklungsindex besser informiert als Teilnehmer aus anderen Teilen der Welt. Die Ergebnisse zeigen aber auch, dass gute individuelle Kenntnisse nicht alles sind, was zählt.
Beim Vergleich von Athleten innerhalb einer gut ausgestatteten Nationalmannschaft zeigte sich zwar, dass Athleten mit guten Kenntnissen ihr Training eher reduzieren, wenn sie eine Verletzung spüren, als Landsleute mit weniger Wissen. In ressourcenärmeren Nationalmannschaften, wie der kenianischen Mannschaft, war jedoch das Gegenteil der Fall. Dort hatte eine gut informierte Person eine geringere Wahrscheinlichkeit, das Training zu reduzieren, als ein weniger gut informierter Landsmann.
Die Forscher kommen zu dem Schluss, dass Wissen bei einzelnen Sportlern nicht ausreicht. Schlimmstenfalls kann es sogar dazu führen, dass sie ihre Fähigkeit, die richtige Entscheidung zu treffen, überschätzen. Entscheidend ist, ob sie Zugang zu medizinisch geschulten Personen haben, die sie beraten und unterstützen können. Aber hier ist die Ungleichheit zwischen den Ländern sehr groß.
Um die Ungleichheit bei der Gesundheitskompetenz junger Menschen zu bekämpfen, sollte der internationale Leichtathletikverband World Athletics nach Ansicht von Toomas Timpka mit dem UN-Entwicklungsprogramm zusammenarbeiten. Dann könnten alle, die sich der Leichtathletik widmen, eine Schulbildung erhalten, die den globalen Nachhaltigkeitszielen gerecht wird.
Schwieriger ist es, etwas gegen die ungerechte Verteilung der Fördermittel zu tun. Direkte finanzielle Zuwendungen drohen leider durch Korruption zu verschwinden, so Toomas Timpka. Eine Möglichkeit wäre, dass die reicheren Verbände über World Athletics ihre personellen und technischen Ressourcen im Vorfeld von großen Meisterschaften mit weniger begünstigten Athleten teilen.
Die Forscher haben nicht untersucht, wie sich die Unterschiede in der Unterstützung auf die Wettkampfergebnisse der Athleten auswirken. Dies soll im Zusammenhang mit den Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Budapest im Sommer 2023 weiter verfolgt werden.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung des Schwedischen Forschungsrats. Die Originalpublikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Yogendra Singh, Unsplash