Ein neu entdeckter Gendefekt führt zu angeborener Immundefizienz. Die Mutation unterbindet die Herstellung von CTLA4, welches ein wichtiges Werkzeug für T-Zellen darstellt. Fehlt dieses, ist die Funktion der T-Zellen gestört und es kommt zur Fehlregulierung des Immunsystems.
Einer Forschergruppe unter der Leitung von Prof. Dr. Bodo Grimbacher, Wissenschaftlicher Direktor am Centrum für Chronische Immundefizienz (CCI) des Universitätsklinikums Freiburg, gelang in Kooperation mit David Samson und Lucy Walker, zwei führenden Immunologen am Royal Free Hospital des University College London (UCL), eine wissenschaftlich herausragende Entdeckung: ein neuer Gendefekt wurde bei insgesamt 14 Patienten mit einem angeborenen Immundefekt identifiziert/ ermittelt. Die Studie wurde nun erstmals im renommierten Journal Nature Medicine veröffentlicht.
Die Patienten stammen aus sechs Familien. Neben schweren Infektionen in den oberen und unteren Atemwegen litten die meisten Patienten in diesen Familien an lebensbedrohlichen Autoimmunerkrankungen des Darmes, der Lunge und anderer Organe. Nun konnten die Forscher zeigen, dass Mutationen in einem Gen namens CTLA4 für die Entstehung dieser Erkrankung verantwortlich sind. CTLA4 ist ein wichtiges Werkzeug sogenannter regulatorischer T-Zellen, die eine Entgleisung der Immunantwort hin zu einer Überreaktion und eine dadurch bedingte Zerstörung körpereigenen Gewebes verhindern. In den Patienten ist eine von zwei Kopien dieses wichtigen Gens zerstört. Von dem verbliebenen gesunden Gen kann aber nicht genug CTLA4 hergestellt werden, um die Funktion der regulatorischen T-Zellen zu gewährleisten. Da diese ihre Arbeit nicht ausführen können, kommt es bei den Patienten zur Entstehung von Autoimmunerkrankungen. Die Fehlregulierung des Immunsystems geht soweit, dass Krankheitserreger nicht mehr effizient bekämpft werden können, es resultiert Infektanfälligkeit, ein angeborener Immundefekt.
Die genetischen Ursachen für angeborene Immundefekte sind in den meisten Fällen (60 bis 70 Prozent) noch unbekannt. Aufgrund der hohen Häufigkeit der Mutationen in der bisher kleinen Kohorte von 70 Patienten, die untersucht wurden, sowie der Tatsache, dass nur eine Mutation ausreicht, um die Erkrankung auszulösen (autosomal-dominant), rechnen die Ärzte und Wissenschaftler aber damit, in nächster Zeit bei vielen immunologisch Erkrankten diesen speziellen Gendefekt zu diagnostizieren. Somit liegt die Vermutung nahe, dass diese sehr seltene erbliche Genmutation weitaus häufiger vorkommt als bisher angenommen. Für die Wissenschaft bedeutet diese Entdeckung einen elementaren Baustein zum weiteren Verständnis von Immundefekten und Autoimmunerkrankungen. Sie bildet darüber hinaus die Grundlage, um für Patienten eine zielgerichtete Therapieform zu entwickeln. Immundefekte sollen damit zukünftig effektiver behandelt werden können. Auch für Patienten, die sich bereits in Behandlung befinden, gibt es neue Hoffnung: ein bereits in der Rheumatherapie eingesetztes CTLA4 Medikament, für das die Krankenkassen bisher keine Kosten übernahmen, könnte nun durch den von den Forschern erbrachten Nachweis den Patienten helfen. Originalpublikation: Autosomal dominant immune dysregulation syndrome in humans with CTLA4 mutations Desiree Schubert et al.; Nature Medicine, doi: 10.1038/nm.3746, 2014