Anhand bestimmter Bakterienarten im Darm lässt sich die Menge krankmachender Pilze voraussagen – so die Ergebnisse einer Studie. Dabei machten Forscher überraschende Entdeckungen, die bisherigen Studien widersprechen.
Das menschliche Darmmikrobiom ist eine extrem komplexe Lebensgemeinschaft, in der sich verschiedene Mikroorganismen gegenseitig in Schach halten. Kommt es durch Antibiotika oder andere Umwelteinflüsse zu einem Ungleichgewicht, können sich jedoch einzelne Arten ausbreiten und zu einer Infektion führen. Pilze der Gattung Candida kommen beispielsweise im Darm vieler gesunder Menschen vor. Sie sind meist harmlos, können jedoch auch gefährliche systemische Infektionen auslösen.
Dieses Zusammenspiel im Darm zu untersuchen ist schwierig. Die mehrere hundert Bakterien- und Pilzarten lassen sich nur teilweise im Labor kultivieren, viele sind noch gar nicht bekannt. Forscher untersuchten daher in einer Studie Stuhlproben von 75 Krebspatienten und stellten fest, dass bestimmte Bakterienarten immer dann vermehrt auftreten, wenn gleichzeitig die Menge an Pilzen der Gattung Candida hoch ist.
„Mit diesen Daten haben wir ein Computermodell entwickelt, das bei einer anderen Patientengruppe mit einer Genauigkeit von circa 80 Prozent die Candida-Menge allein anhand der Bakterienarten und -mengen vorhersagen konnte“, erläutert Bastian Seelbinder, Erstautor der Studie. Zu diesen Bakterien gehörten vor allem sauerstofftolerante Arten.
Überraschend für die Wissenschaftler war weniger, wie gut die Vorhersage der Menge an Pilzen anhand der vorhandenen Bakterienarten funktionierte, sondern vielmehr, welche Bakterien mit hohen Pilzmengen korrelierten. „Wir haben vermehrt Bakterienarten gefunden, die Milchsäure produzieren, darunter Lactobacillus-Arten“, erklärt Seelbinder. Ein Fund, mit dem er nicht gerechnet hatte. „Ich habe das erst kaum glauben können und deshalb mehrfach überprüft, immer mit demselben Ergebnis.“
Der Grund für seine Überraschung: Mehrere Studien bescheinigen Milchsäurebakterien eine schützende Wirkung gegen Pilzinfektionen. „Das Ergebnis zeigt wieder einmal, wie komplex das menschliche Darmmikrobiom ist und wie schwierig sich die Wechselwirkungen verschiedener Mikroorganismen entschlüsseln lassen“, so Panagiotou.
Die Vermutung der Forscher: Milchsäurebakterien, insbesondere der Gattung Lactobacillus, begünstigen zwar die Vermehrung von Candida, machen den Pilz aber gleichzeitig weniger virulent. Das könnte daran liegen, dass Candida-Arten ihren Stoffwechsel auf von Milchsäurebakterien produziertes Laktat umstellen können. Sie haben damit einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Pilzen wie Saccharomyces cerevisiae, wie das Forscherteam in zusätzlichen Experimenten herausfand. Die Umstellung des Stoffwechsels führt aber anscheinend auch dazu, dass Candida in der meist harmlosen kugelförmigen Hefeform bleibt, anstatt Pilzhyphen zu bilden, die in die Darmschleimhaut eindringen könnten.
„Es gibt außerdem die Vermutung, dass bestimmte Gruppen von Lactobacillus Arten unterschiedliche Auswirkungen haben könnten“, sagt Seelbinder. Um das zu untersuchen, sollen in einem nächsten Schritt noch genauere Genomanalysen der Bakterien durchgeführt werden. Für weitere Untersuchungen sollen Proben gesunder Probanden einbezogen werden, um langfristig Strategien für Risikopatienten auf der Grundlage ihres Mikrobioms zu entwickeln.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des Leibniz-Instituts für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut (Leibniz-HKI). Die Originalarbeit findet ihr hier.
Bildquelle: Juan Martin Lopez, unsplash