Es nervt mich, wie aktuell in der Presse wieder Stimmung gemacht wird gegen die Apotheken. Glaubt ihr, wir haben keine größeren Probleme als die Medikamenten-Preise?
Hier die drei neuesten Schlagzeilen aus der Schweizer Presse, die Stimmung gegen Apos machen – alle unter dem Titel: Medikamenten-Zoff.
Woher der Wind weht – respektive, wer da grad lobbyiert – erkennt man dann in den Artikeln selber.
Im ersten Artikel geht es um die Medikamentenpreise. „Teure Medikamente treiben die Krankenkassenprämien nach oben. In der Schweiz kosten die Arzneimittel zum Teil deutlich mehr als im Ausland.“ Während der zweite Teil stimmt, wurde der erste schon mehrmals widerlegt. Die Krankenkassenprämien steigen nämlich nicht wegen der Medikamentenausgabe durch die Apotheke an die Bevölkerung – die machen einen niedrigen einstelligen Prozentbereich der Ausgaben der Kassen und der Gesundheitskosten aus.
Im Folgenden wird es etwas präzisiert, sie reden von „Medikamenten und Pflegeleistungen in Heimen“ als Treiber für den drohenden Prämienanstieg. Trotzdem doppeln sie später nach: „Überrissene Margen etwa von Apotheken führen dazu, dass der Preisunterschied (zum Ausland) schlussendlich noch deutlich höher liege“ – äh, was? Wir haben schon lange kaum noch Margen auf die – wir reden hier ja von rezeptpflichtigen – Medikamente, die von der Krankenkasse übernommen werden. Die werden anhand eines Vertrages (LOA) mit den Kassen abgerechnet, in denen das genau festgehalten ist. Marge ist da kaum noch drin, unsere Arbeit wird durch Pauschalen abgegolten. Und da wir Apotheken Medikamente vor allem im unteren Preissegment abgeben (60 Prozent der Medikamente, die wir abgeben, kosten unter 15 Franken), dürfte der Vorwurf wiederum vor allem die Medikamentenabgabe in Spitälern und vielleicht Spezialärzte betreffen.
Aber klar – hier werden wieder vor allem Sparmaßnahmen auf Kosten der Apotheke vorgeschlagen. Wenn die Preise der Medikamente sinken (und wir haben regelmäßig Preisanpassungen durch das BAG), sinkt auch die Marge (was noch übrig ist). Seit 2012 wurden so schon 1,2 Milliarden Franken eingespart. Natürlich ist da noch Potential drin – aber vielleicht sollten sie mal statt an die eh schon günstigeren Alltagsmedikamente (und Generika) auf die Hochpreiser gehen? Momentan ist da übrigens die neue LOA in Vernehmlassung, die das bringen sollte. Deren Einführung wurde jetzt schon diverse Male verschoben.
Im zweiten Artikel geht es um den Import von Medikamenten: „Krankenkassen fänden es gut, wenn Patienten […] Medikamente im Ausland billiger kaufen könnten. Doch die Zulassungsbehörde bleibt hart.“ Ja, klar. Medikamente und deren Import unterstehen aus gutem Grund Einschränkungen. Ein in der Schweiz zugelassenes und im Handel befindliches Medikament untersteht strenger Qualitätskontrolle, braucht eine Packungsbeilage in 3 Sprachen und bei der Abgabe in der Apotheke werden Gegenanzeigen sowie Wechselwirkungen angeschaut. Das gilt nicht nur für die rezeptpflichtigen Medikamente.
Ganz toll finde ich deshalb die im Artikel aufgeführten Beispiele: „Mit einer Bestellung bei einer deutschen Versandapotheke den Monatsbedarf an Nasentropfen überschritten […], die gesamte Bestellung wurde von der Swissmedic vernichtet.“
Erstens: Online-Apotheken dürfen in der Schweiz nur auf Rezept Medikamente versenden– inklusive Nasentropfen oder -sprays, die es sonst ohne gibt. Der Grund ist, dass so sichergestellt wird, dass vorher ein Kontakt mit einer Fachperson stattgefunden hat, um Gesundheitsprobleme abzuklären. Abschwellende Nasensprays wechselwirken zum Beispiel mit Blutdruckmedikamenten. Allgemein sollten sie nicht länger als 5–7 Tage angewendet werden, da sonst rasch ein Gewöhnungseffekt und eine gewisse Abhängigkeit entstehen. Darauf weisen wir in der Apotheke hin und geben Tipps, falls das schon passiert ist, wie man davon loskommt. Ein Monatsbedarf wäre also eigentlich schon ein Kunstfehler.
Auch das folgende Beispiel hat es in sich: „[…] bezog eine Dreimonatsdosis eines Mittels zur Regulierung von Gewicht und Darmtätigkeit, das in der Schweiz nicht mehr erhältlich war. Sie bekam eine Rechnung von Swissmedic in Höhe von 300 Franken.“
Mittel zum Abnehmen, das es nicht mehr gibt … das dürfte wohl Sibutramin sein. Der Wirkstoff wurde wegen starker Nebenwirkungen und schlechtem Nutzen-Risiko-Verhältnis (inklusive Todesfälle) in mittlerweile allen Industrieländern vom Markt genommen. Mittel, die es enthalten, können aber immer noch online bestellt werden. Allgemein sind Mittel zum Abnehmen, die man online bestellt, oft (obwohl als natürlich und pflanzlich angeboten) mit gefährlichen Stoffen versetzt. Mit einer Onlinebestellung und Import umgeht man jegliche Kontrollen und Sicherheitsvorgaben.
Bei beiden Beispielen handelt es sich um nicht-rezeptpflichtige Medikamente und nichts, was von der Krankenkasse bezahlt wird. Selbst als Apotheke durfte ich bis vor kurzem keine Medikamente aus dem Ausland der Krankenkasse verrechnen – und ein Import ist sowieso nur auf Ausnahmefälle beschränkt. Ich darf das nur dann, wenn das Medikament in der Schweiz nachgewiesen nicht mehr erhältlich ist. Es ist dann mit einem enormen Mehraufwand verbunden, weil die Nichtlieferbarkeit nachgewiesen sein muss. Was das angeht: Die Medikamente, die ich bräuchte, sind dann oft auch im Ausland nicht erhältlich.
Auch im dritten Artikel geht es um die Medikamentenpreise. „Die Kosten für Medikamente steigen und damit verteuern sich auch die Krankenkassenprämien.“ Neben den schon erwähnten Gründen für die Preisgestaltung in der Schweiz, nach der laut Artikel noch „viel Sparpotenzial“ vorhanden ist, schieben sie die Preisgestaltung auf „wirtschaftliche Gründe, weil die Pharmaindustrie die stärkste Exportindustrie“ sei und volkswirtschaftliche Aspekte gegen Gesundheitskosten abgewogen werden. Die Krankenkassen, so wird vorgeschlagen, sollen die Preise verhandeln, da sie ja die Rechnungen zahlen.
Oh weh! Wer wissen will, wie das dann läuft, soll sich mal in das System mit den Rabattverträgen in Deutschland einlesen. Da verhandeln die Kassen mit den Pharmafirmen und machen Verträge – die geheim sind – worauf dann nur noch genau das Generikum dieser Pharmafirma von der Kasse bezahlt wird. Es folgen ständig Wechsel der Medikation beim Patienten, je nachdem, welches Generikum halt gerade einen Vertrag hat. Es gibt Lagerhaltungs- und Lieferprobleme bei manchem Medikament, wenn die Firmen trotz Versprechen nicht mit dem Produzieren nachkommen, sowie Retaxationen, d. h. die Krankenkasse zahlt der Apotheke das ganze Medikament nicht, wenn es nicht das vorgeschriebene ist. Das geht dann wieder zulasten der Apotheke und auch der Patienten.
An der Stelle hätte ich einen Sparvorschlag – die Krankenkassen haben nämlich echt hohe Verwaltungskosten und sehr gut bezahlte CEOs! Und sie machen jährlich gute Gewinne, hauptsächlich mit der Zusatzversicherung. Die obligatorische Grundversicherung müssen sie auch nicht quersubventionieren, so können sie trotzdem Prämiensteigerungen rechtfertigen. Es würde auch schon vielen helfen, wenn die Prämien vom Einkommen abhängig gemacht würden.
Letzter Vorschlag im Artikel: „Wir müssen aufhören, Medikamente zu verschwenden. Wir haben ein Problem mit den Verpackungsgrößen. […] ein Fall, wo ein Patient ein Medikament bekam, bei dem die Packung 4.000 Franken kostet, er braucht aber nur die Hälfte.“ Das stimmt, wir haben kein System, das darauf ausgelegt ist, Packungen zu öffnen und Tabletten einzeln abzugeben. Grundsätzlich finde ich das keine gute Idee. Aber auch hier: Das ist vielleicht etwas für Hochpreiser und an Orten, an denen man sie danach weiterverwenden kann, wie etwa Onkologiepraxen oder Kliniken. Da lohnt sich der Aufwand dann und man kann den Rest weiter brauchen.
Momentan dürfen wir übrigens bei bestimmten Medikamenten, die schwer erhältlich sind (Liste beim BAG), Tabletten abzählen und abgeben und den Aufwand sogar der Kasse verrechnen. Die knapp 5 Franken decken zwar kaum die Arbeit, die man damit hat – abzählen, einpacken, Packungsbeilage ausdrucken, etikettieren, im PC dokumentieren und auf Papier für den Rest der Tabletten – schon meldet die Presse, dass die Apotheker das nützen, um sich zu bereichern.
Ich habe genug davon. Es wäre schön, wenn bei den Leuten auch ankommt, dass die Krankenkassen und Versandapotheken solche Meldungen nicht wirklich zum Wohl des Patienten pushen – sondern vor allem zum eigenen.
Bildquelle: Hasan Almasi, unsplash