Heute startet der Hebammenkongress in Berlin. Neben dem ewigen Kampf um Anerkennung wollen die Hebammen vor allem eins klarstellen: „Eine normale Schwangerschaft benötigt keine ärztliche, sondern eine intensive Hebammenbetreuung.“
„Es gibt kein Wissens-, sondern ein Umsetzungsproblem“ – so fasst Ulrike Geppert-Orthofer, Präsidentin des Deutschen Hebammenverbands, die Herausforderungen rund um das Thema Geburtshilfe zusammen. Medien und Politik müssten verinnerlichen, welchen Wert die Arbeit der Hebammen in der Gesundheitsversorgung hat und das Berufsbild in der nun anstehenden Klinikreform entsprechend berücksichtigen.
„Als Deutscher Hebammenverband sehen wir mit der Krankenhausreform jetzt die Chance gekommen, entscheidende Weichenstellungen im Sinne einer optimalen, wohnortnahen und flächendeckenden Geburtshilfe vorzunehmen. Das bedeutet im Grundsatz eine Abkehr vom ausschließlich medizinischen Umgang mit Schwangerschaft“, erklärt Geppert-Orthofer. „Eine gesunde Frau, die ein gesundes Kind erwartet, findet die bestmögliche Versorgung bei der Hebamme. Die hebammengeleitete Geburt schützt vor zu frühen und zu vielen Interventionen bei gleicher Sicherheit wie eine ärztliche Versorgung. Die Hebamme ist qualifiziert, physiologische Prozesse zu unterstützen und Abweichungen frühzeitig zu erkennen, um dann gegebenenfalls Maßnahmen einzuleiten.“
Dass die derzeit geplante Klinikreform die Geburtshilfe auf allen angedachten Ebenen im Krankenhaus vorsehe, sei ein richtiger und wichtiger Schritt. Um die Arbeit jedoch zu optimieren und damit auch das Outcome für Mutter und Kind zu verbessern, haben die Hebammen nun ein „Positionspapier zur Hebammengeleiteten Geburtshilfe“ verfasst. Darin zeigen sie die Versorgung als Einbindung und Vernetzung mit der ärztlichen Seite auf – aber auch die klare Abgrenzung dazu. So sieht das Papier vor, dass man „in Level I-i und I-n […] Expertinnen für die physiologische Geburtsbegleitung [benötigt], die autonom von Hebammen durchgeführt wird. Es braucht keine Anästhesie, keine Rufbereitschaft von Gynäkolog*innen oder Pädiater*innen. […] Eine normale Schwangerschaft benötigt keine ärztliche, sondern eine intensive Hebammenbetreuung.“ In Häusern der Level II und III sehen die Hebammen aber sehr wohl eine fachärztliche Leitung – je nach Fall mit Anschluss an eine pädiatrische und intensivmedizinische Versorgung.
Eng gekoppelt mit der Überarbeitung ihres Arbeitsalltags und ihrer Befugnisse ist auch die Frage der Vergütung ein zentrales Politikum. So wird im Positionspapier gefordert, dass die Geburtshilfe in die Grundversorgung aufgenommen und darüber finanziert werde. „Dadurch kann die Kommune oder das Bundesland regional passend festlegen, welche Menge und welches Level an Geburtshilfe- und Hebammenleistungen vorgehalten wird.“ Wie dies ganz praktisch im Rahmen der Krankenhausreform umgesetzt werden könnte, erklärt Geppert-Orthofer: „Das kann nur mit der Etablierung einer eigenen Leistungsgruppe ‚hebammengeleitete Geburt‘ sichergestellt werden. Diese Leistungsgruppe muss als Faktor in die Krankenhausreform einkalkuliert werden. Mit der Leistungsgruppe wird Hebammenarbeit sichtbar – sowohl monetär, weil damit Einnahmen erzielt werden können, als auch in Hinblick auf die Wertigkeit hebammengeleiteter Geburten.“
Neben der Einführung der Leistungsgruppen fordert der Deutsche Hebammenverband zudem die flächendeckende Einführung der hebammengeleiteten Geburt als Standard, klare Regelungen zur Hebammenversorgung sowie zur Eins-zu-eins Betreuung, funktionierende, qualitativ hochwertige Verlegungskonzepte und eine bessere Einbindung ambulanter Hebammenarbeit ins Krankenhaus.
Geppert-Orthofer ordnet den medizinischen und logistischen Vorteil dieser Umstrukturierungen ein: „Die hebammengeleitete Geburt schützt vor zu frühen und zu vielen Interventionen bei gleicher Sicherheit wie eine ärztliche Versorgung. Die Hebamme ist qualifiziert, physiologische Prozesse zu unterstützen und Abweichungen frühzeitig zu erkennen, um dann ggf. Maßnahmen einzuleiten. Es ist also evident, dass eine Krankenhausreform, wie wir sie jetzt erwarten, sicherstellen muss, dass hebammengeleitete Geburtshilfe sich rechnet.“
Es macht auch den Hebammen zu schaffen, dass es bei Applaus als Vergütungsausgleich zu bleiben scheint. Nach mindestens 40-Stunden-Woche winken stattdessen Burnout, Stress, Übermüdung – und das bereits in der Ausbildung. Die Folge: großer Personalschwund. „Es gibt nicht zu wenige Hebammen, es gibt nur zu wenige, die auch in dem Beruf bleiben“, so Julia Minninger, Bundesvorstand junger und werdender Hebammen. Dass die Politik sich der Hebammenausbildung bereits angenommen habe und den Beruf durch das Studium aufgewertet hat, sei nur ein erster Schritt. „Die Akademisierung und Hebammenforschung [muss] mit weiteren Studienplätzen gefördert werden. Besonders qualitativ hochwertige Praxisanleitung gibt Studierenden Sicherheit im späteren Berufsleben. Hierzu muss die erforderliche Weiterbildung für alle Kolleg*innen niedrigschwellig und attraktiv angeboten werden. Wir werden Hebammen, um Hebammen zu bleiben. Doch unzureichende Personalschlüssel, Überstunden und hohe Stresslevel beginnen und belasten schon im Studium“, erklärt Minninger.
Deutschlands Hebammen führen also einen Kampf an mehreren Fronten – von einer Verbesserung des Status quo, über Fragen der personellen Zukunft, Wandel des Arbeitsalltags durch KI und Digitalisierung bis zum banal klingenden, aber essenziellen Ruf nach Anerkennung. Die Schlussforderung des Positionspapiers bringt es auf den Punkt: „Die Akzeptanz der Hebamme als Expertin für die Betreuung der reproduktiven Lebensphase muss sich im deutschen Gesundheitssystem weiter durchsetzen, um das volle Potential für die Versorgungssicherheit und Qualität auszuschöpfen.“
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