In den Zeiten von HIV sind zwei „alte Bekannte“ fast in Vergessenheit geraten: Syphilis und Gonorrhoe. Ein zunehmendes Problem sind besonders Gonokokkeninfektionen. In Europa beträgt die Inzidenz derzeit 12,6 pro 100.000 Einwohner, und in Deutschland nimmt sie zu.
Da Gonorrhoe seit 2001 nicht mehr meldepflichtig ist, ist eine statistische Erfassung schwierig. „Angesichts der hohen Dunkelziffer bei den Gonorrhoe-Meldungen grenzt jede Interpretation von Zahlenwerten an Kaffeesatzleserei“, so Dr. Ulrich Marcus vom Robert Koch-Institut (RKI) im Bundesgesetzblatt. Besondere Vorsicht ist bei Sexualkontakten im Urlaub geboten. Prostituierte in Ostafrika und Südostasien haben Infektionsraten an den sogenannten STDs (sexually transmitted deseases), die teilweise deutlich über 85 Prozent liegen. Wenn ein Patient nach einem Urlaubsaufenthalt diffuse Symptome wie Fieber, Lymphknotenschwellungen, Hautveränderungen oder Miktionsbeschwerden äußert, sollte auch immer an das „STD-Duo“ Syphilis und Gonorrhoe gedacht werden. Die Diagnose ist jedoch nicht unproblematisch, da eine Vielzahl von Ärzten selten einen echten syphilitischen Primäraffekt gesehen haben.
Die Gonorrhoe ist die weltweit häufigste Geschlechtskrankheit. Auslöser der Erkrankung ist das gramnegative Bakterium Neisseria gonorrhoeae. Die Übertragung erfolgt durch ungeschützten oralen, vaginalen und analen Geschlechtsverkehr sowie während der Geburt durch eine infizierte Mutter. Auf Toiletten kann eine Ansteckung ausgeschlossen werden, da der Erreger außerhalb des menschlichen Körpers nicht überlebensfähig ist. Als Symptome können primär „Brennen“ beim Wasserlassen sowie gelb-grünlicher Ausfluss auftreten und terminale Hämaturie bei Abschluss der Miktion. Nach 4 bis 6 Wochen entwickelt sich ein chronisches Stadium mit schleimigem Ausfluss und Pollakisurie. Extragenital kann es zu Proctitis gonorrhoica, Monarthritis, Endokarditis, benignen Gonokokken-Sepsis, Fieber und zu papulopustulösen Exanthem an den Extremitäten kommen. Der Anteil symptomloser Gonokokkenträger wird mit bis 50 Prozent angenommen. Auch klinisch nicht Erkrankte sind kontagiös. Zur Diagnostik bei der Frau eignet sich eine mikroskopische und kulturelle Untersuchung eines Abstrichs von Urethra, Zervix und Bartholinischen Drüsen. Besonders intramenstruell abgenommene Abstriche sind erregerreich. Beim Mann sind mikroskopische und kulturelle Untersuchung eines Urethralabstrichs und ein immunologischer Direktnachweis im Abstrichmaterial möglich. Bei Urethritis gonorrhoica posterior ist durch Rückfluss des Sekrets in die Blase auch die zweite Urinportion getrübt. Das Anlegen einer Kultur ist gesetzlich vorgeschrieben. Ein Kontrollabstrich und eine Kultur muss sofort und nach Behandlungsabschluss durchgeführt und bei Frauen nach der nächsten Menstruation wiederholt werden.
Europaweit nimmt die Empfindlichkeit der Erreger auf das Antibiotikum Cefixim ab, auch die minimale Hemmkonzentration für Ceftriaxon steigt an. G1407-Stämme haben oft eine verminderte Empfindlichkeit gegenüber Cephalosporinen der 3. Generation. Die aktuelle deutsche S2k-Leitlinie empfiehlt bei unkomplizierter Gonorrhoe grundsätzlich als Einzeldosis die Kombination von Ceftriaxon 1 g i.m. oder i.v. plus Azithromycin 1,5 g p.o. Falls eine i.m.- oder i.v.-Gabe nicht möglich ist, sollte bei Befall von Harnröhre, Zervix oder Rektum Ceftriaxon durch Cefixim 800 mg ersetzt werden. Als Alternative bei nachgewiesener Empfindlichkeit ist eine p.o.-Verabreichung von Cefixim 400 mg, Ciprofloxacin 500 mg, Ofloxacin 400 mg oder Azithromycin 1,5 g jeweils als Einmaldosis möglich. Azithromycin sollte wegen der hohen Resistenzrate nicht als Monotherapeutikum zum Einsatz kommen.
Im Jahr 2013 wurden dem RKI über 5.015 Syphilis-Erstdiagnosen gemeldet. Diese Zahl liegt um 14 Prozent höher als im Vorjahr. Die Inzidenz bei Männern ist nach einem deutlichen Rückgang in den 1990er Jahren aktuell mit 11,5 pro 100.000 Einwohner/Jahr ähnlich hoch wie vor Beginn der Aids-Ära. 82 Prozent der gemeldeten Syphilisfälle waren homosexuelle Männer. Jeder Zweite von ihnen ist HIV-positiv. Bei den Frauen ist die Inzidenz seit den 1990er Jahren unter 1 pro 100.000 geblieben. Nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) unterliegen der direkte und indirekte Nachweis einer Treponema pallidum-Infektion einer nichtnamentlichen Meldepflicht nach § 7 Abs. 3 IfSG direkt an das RKI. Das gramnegative Bakterium Treponema pallidum (subspecies pallidum) wird am häufigsten durch direkte sexuelle Kontakte übertragen und dringt dabei durch kleine Schleimhautdefekte in den Organismus ein. Ein Geschlechtsverkehr mit einem infizierten Partner führt in etwa 30 Prozent zu einer Infektion. Besonders im Stadium I besteht hohe Infektiosität. Die Erkrankung verläuft in drei Stadien: Primäre Syphilis (Lues I): derbe, hirsekorngroße Papeln an der Erreger-Eintrittspforte, aus der sich später ein schmerzloses Geschwür bildet, das sogennante Ulcus durum, der „harte Schanker“. Dieser bildet mit den geschwollenen Lymphknoten den sogennanten Primärkomplex. Je nach Art der Sexualpraktik kommt es im Anal- oder Oralbereich zu schmerzhaften Geschwüren. Der Primäraffekt heilt nach 4 bis 6 Wochen spontan ab. Sekundäre Syphilis (Lues II): Nach 4 bis 10 Wochen nach der Infektion kommt es zu Fieber, Müdigkeit, Kopf-, Gelenk- oder Muskelschmerzen, Hautveränderungen sowie Polyskleradenitis. Typisch ist ein stammbetontes, schwer erkennbares, masernähnliches Exanthem ohne Juckreiz. Im weiteren Verlauf können einzelne Ekzeme verschmelzen. Im Haupthaarbereich kann es zu mottenfraßartigem Haarausfall und im Bartbereich zu himbeer- bis blumenkohlähnlichen Papillomen kommen. Außerdem sind Depigmetierungen im Halsbereich und Plaques im Mundbereich möglich. Tertiäre Syphilis (Lues III): Bei unbehandelter und nicht spontan ausgeheilter Frühsyphilis kann es noch nach Jahren zu tuberösen Hautveränderungen, ulzerierenden granulomatösen Veränderungen, sogenannte Gummen, und kardiovaskulären Veränderungen und ZNS-Schäden kommen. Die Diagnose erfolgt serologisch. Das RKI empfiehlt in seinem Bulletin wegen methodisch-technisch bedingter Unterschiede den häufigen Wechsel zwischen verschiedenen Laboratorien zu vermeiden und sich auf einen Untersucher einzustellen. Bei klinischem Verdacht und bis dahin negativen Befunden sollte die serologische Lues-Diagnostik in Abständen von 1 bis 2 Wochen wiederholt werden. Erst nach 8 bis 10 Wochen kann bei eindeutig negativen Ergebnissen eine primäre Syphilis mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden.
Brandaktuell ist die S2k-Leitlinie Syphilis. Diese sieht die Datenlage der stadiengerechten Pharmakotherapie als dürftig an: „Zur Behandlung der verschiedenen Stadien der Syphilis wurden weltweit nur wenige randomisiert-kontrollierte Studien durchgeführt“. Alexander Flemming, der Erfinder des Penicillins wäre heute stolz auf seine Leistung. Auch heute noch haben die Erreger keine Resistenz gegenüber Penicillin gebildet. Standardantibiotikum bei der Frühsyphilis ist Benzathin-Penicillin. Lediglich bei HIV-Patienten werden Resistenzen beobachtet. Besonders gefährdet sind Patienten mit niedriger CD4-Zellzahl und höherem Alter. Es wird in einer Dosierung von 2,4 Mio. IE intramuskulär verabreicht; bei der Frühsyphilis als Einmaldosis, bei der Spätsyphilis dreimal im Abstand von einer Woche. Bei einer Penicillin-Allergie kann Ceftriaxon oder Doxycyclin gegeben werden. Ab dem Sekundärstadium sollte zur Vermeidung der Jarisch-Herxheimer-Reaktion einmalig 30-60 Minuten vor der ersten Antibiotikagabe 1mg/Prednisolonäquivalent/kg p.o. oder i.v. gegeben werden. Bei der Reaktion kommt es zu einer Toxinreaktion auf zerfallende Treponemen bei der ersten Penicillingabe. Bei der Spätsyphilis (latente Syphilis, Tertiärsyphilis) handelt es sich um alle Krankheitsstadien, die später als 1 Jahr nach der Infektion diagnostiziert werden. Wie auch bei der Frühsyphilis muss hier besonders eine Neurosyphilis ausgeschlossen werden. Therapie laut Leitlinie:
Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) geht in die Kino-Offensive. Zwei Kurzfilme verdeutlichen, dass „etwas anders ist als sonst“, wenn man sich angesteckt hat: Dem Mann wächst ein Dinosaurierschwanz; aus dem Kopf der Frau wachsen Schneckenfühler. „So fühlt sich eine sexuell übertragbare Infektion nicht an. Aber wenn es brennt, juckt oder weh tut, geh zum Arzt. Sexuell übertragbare Infektionen können behandelt werden“, so der Kommentar aus dem Off.
2. Stadium: Schwellung der Lymphknoten und lokale oder generalisierte Hautveränderungen
3. Stadium: Kardiovaskuläre, orthopädische, neurologische und psychiatrische Störungen, Tabes dorsalis im Endstadium