Jetzt geht’s um alles. Auf dem Spiel steht: Deutschlands oberster Arztposten. Im Rennen sind Titelverteidiger Klaus Reinhardt und Herausforderin Susanne Johna. Was sie will, lest ihr hier.
Dr. Susanne Johna hat präzise Vorstellungen: Es gehe ihr stellenweise nicht schnell genug, es gelte, flexibel zu sein und den Fokus auch mal kurzfristig auf drängende Themen zu legen. Der Faktor Zeit spielt für die Internistin eine große Rolle bei ihrer Kandidatur – das erscheint in Zeiten des Umbruchs und angesichts der zu erwartenden Veränderungen im deutschen Gesundheitssystem sinnvoll. Die Liste an möglichen Reformen und Aktualisierungen ist lang – ob Struktur-, Finanzierungs- oder Modernisierungsfragen, es gibt viel zu tun. Zwar seien auch Gesetzgeber bereits aktiv und Austausch finde statt, doch müsse die Ärzteschaft ihre Position in den Verhandlungen stärker behaupten, so Johna.
„Wir glauben, wenn wir als Ärzteschaft sehr konkret Dinge benennen, die wir für verzichtbar halten, dann wird es schwer werden, dagegen zu argumentieren in dieser Situation des Fachkräftemangels. Wir können es uns nicht leisten, dass Ärztinnen und Ärzte jede Menge nicht-ärztliche Tätigkeiten durchführen müssen. Diese Verschwendung ärztlicher Arbeitskraft muss endlich aufhören“, erklärt Johna gegenüber den DocCheck News. Und auch für das eigene Haus sieht die Erste Vorsitzende des Marburger Bunds künftig mehr Handlungsbedarf – und zwar an anderer Stelle. „Die gut 130 Mitarbeiter der BÄK verfügen über ein sehr hohes Kompetenzniveau und ich glaube, manchmal könnte man sie noch etwas gewinnbringender einsetzen und konzeptioneller arbeiten lassen. Es reicht meines Erachtens nicht, immer nur rote Linien zu ziehen, wir müssen auch Lösungen anbieten. Wer könnte das besser als die Gemeinschaft der Landesärztekammern, die alle Ärztinnen und Ärzte vertreten – und dabei keine eigenen finanziellen Interessen haben.“
Lösungen will die Spezialistin für Krankenhaushygiene derweil in Problemfeldern wie der Entbürokratisierung anbieten. „Ich glaube, dass die Entbürokratisierung ein Instrument ist, das zügig zu nutzen ist – realistischerweise nicht in voller Ausprägung, wie wir uns das wünschen würden, aber man kann wichtige Veränderungen auch in kleinen Schritten angehen. Wenn wir die Dokumentationslast, die derzeit bei drei Stunden pro Tag liegt, halbieren könnten, dann würde sich das zeitliche Äquivalent von 32.000 Vollzeitstellen ergeben. Da ist richtig Musik drin“, so Johna.
Auch für das eigene Haus hat sie Ideen, um Arbeitskraft gezielter einzusetzen: „Die Dezernatsstruktur sollte nicht komplett abgeschafft werden, aber wir brauchen eine stärkere Fokussierung auf für uns entscheidende Themen. Wir sind in der Bundesärztekammer manchmal nicht schnell genug in der Reaktion auf aktuelle Entwicklungen.“ Denn das Know-how der Kollegen im BÄK komme zwar in sinnvollem Rahmen zu Einsatz, sei allerdings auch in vielen Projekte gebunden, die angesichts akuter Notlagen oder anderer Aufgaben nicht sofort angegangen werden müssten. Letztlich schaffe eine Entbürokratisierung zwar keine Stellen und behebe auch nicht das Grundproblem des Fachkräftemangels; doch sie könne dabei helfen, den Versorgungsauftrag sicherzustellen und die Qualität der Arbeit zu verbessern.
Ohnehin sei die Entbürokratisierung nur einer von vielen Punkten, die eine gelungene Gesundheitsversorgung auf allen Ebenen sicherstellen. Um das zu gewährleisten, gelte es vor allem, die Grundlagen zu überarbeiten – und das Bild der Medizin in den Augen der Politik zu verändern. „Versorgung sollte nicht im Wettbewerb stattfinden. Die Politik war lange der Meinung, dass es besser wird, wenn man die Krankenhäuser in einen Verdrängungswettbewerb führt. Das hat sich als Trugschluss herausgestellt“, beschreibt Johna. Wohin das geführt habe und was nun zu beheben sei, sehe man mit der Krankenhausstrukturreform. Zwei nahgelegene Krankenhäuser mit den gleichen Behandlungsschwerpunkten anzubieten, sei aus Versorgerperspektive nicht zielführend – zumal dies bedeute, dass es jeweils mehrere kleinere statt einer großen Abteilung gäbe. Dies wiederum führe zu höheren Risiken bei schon geringen Ausfallzahlen und Personalmangel.
Auch für die niedergelassenen Kollegen hat Johna Pläne in Sachen Versorgungsdichte. Hier müsse man Probleme wie Investorentätigkeit und Praxisübernahmen angehen: „Die Zukunft liegt in Teamstrukturen von Ärztinnen und Ärzten, ergänzt um weitere Berufsgruppen in der direkten Patientenversorgung. Das lässt sich auf verschiedenen Ebenen realisieren, ambulant wie stationär. Ich halte es für richtig, dass es bei investorengetragenen MVZ zu Beschränkungen kommt. Es kann nicht sein, dass ein Private-Equity-Unternehmen eine Klinik kauft, um anschließend viele andere Praxen zu übernehmen und MVZs zu gründen. Man könnte es zum Beispiel wie in der Apothekerschaft halten und eine Begrenzung auf drei MVZ-Standorte festlegen. Ein echtes Problem in diesem Zusammenhang ist die Kettenbildung und die mangelnde Transparenz der Eigentumsverhältnisse für Patientinnen und Patienten.“
Ein weiteres Kernanliegen ist für Johna die Sicherstellung der Weiterbildungen im laufenden Betrieb sowie eine Optimierung der Ausbildung und Studiensituation. Die aktuelle Fassung der neuen Approbationsordnung schaffe nur eine bedingte Verbesserung in Sachen mehr Praxisbezug und Fokus auf Allgemeinmedizin. Vor allen Dingen komme die Umsetzung angesichts der bereits bestehenden Probleme im Personalwesen zu spät: „Eine Reform der Approbationsordnung, die seit vielen Jahren vorbereitet ist, an der verschiedene Stellen mitgearbeitet haben und die seit vergangenem Jahr bereits umgesetzt sein sollte, jetzt auf 2027 zu verschieben, empfinde ich als Katastrophe – das ist nicht nachvollziehbar. Wie so häufig, ging es dabei um die Finanzierung, weil sich Bund und Länder nicht einigen konnten. Das ist schon ein Armutszeugnis.“
Das man sich mittlerweile nur mit kollegialer Hilfe aus den Nachbarländern über Wasser halten kann, ist Johna ein Dorn im Auge: „Wir bilden insgesamt nicht so gut aus, wie wir könnten. Und nicht nur das – die Anzahl der Studienplätze liegt deutlich unter dem eigentlichen Bedarf. Wir hätten zwar genug Bewerberinnen und Bewerber, aber wir geben vielen keine Chance, die gut für den Beruf geeignet wären. Wir können schon seit Jahren die Versorgung nicht ohne Kolleginnen und Kollegen aus dem Ausland sicherstellen– namentlich rund 60.000 Ärztinnen und Ärzte bei mehr als 416.000 Berufstätigen.“
Mit Blick auf die Abstimmung in der kommenden Woche bleibt eine überraschende Kandidatur; auch weil sich Klaus Reinhardt in seiner ersten Amtsperiode befindet und bereits eine Fortführung ankündigte. Doch die Internistin möchte klarstellen, dass ihr Motiv keinesfalls als Personalkampf zu verstehen ist: „Alle wünschen sich, dass Herr Reinhardt und ich da nun eine Kampfkandidatur draus machen. Wir sind einfach unterschiedliche Persönlichkeiten. Ich glaube, dass die Zeit reif ist, gemeinsame Versorgungskonzepte zu entwickeln. Da möchte ich mich an vordererster Stelle einbringen. Ich bin seit 2016 in der BÄK, seit 2004 Delegierte der LÄK in Hessen, ich habe so viel berufspolitische Erfahrung, dass ich für mich das Ziel habe, diese Themen voranzubringen. Und hoffe dann, dass die BÄK sich lösungsorientiert einbringen kann.“
Bildquelle: Element5 Digital, Unsplash und Katarina Ivanisevic, Landesärztekammer Hessen (Portrait Johna).