Immer öfter stößt man auf antibakterielle Kleidung – zum Beispiel Socken oder Menstruationsunterwäsche. Keine unangenehmen Gerüche mehr, so das Werbeversprechen. Ist das eine gute Idee?
Wer sich viel mit Sportkleidung auseinandersetzt, ist ihnen bestimmt schon begegnet: Funktionsklamotten, die als „geruchsneutralisierend“ oder „antibakteriell“ beworben werden. Gerade bei den üblichen Verdächtigen wie Socken klingt das natürlich extrem praktisch und verlockend. Allerdings ist vielen, auch aufgrund mangelnder Kennzeichnung, nicht bewusst, dass diese Wirkung nicht nur auf besonders ausgefeilten, atmungsaktiven Stoffen und Schnitten beruht: Oft sind dabei Biozide im Einsatz.
Biozide sind definiert als Chemikalien oder auch Mikroorganismen, die zur Bekämpfung von Schadorganismen wie beispielsweise Pilzen und Bakterien eingesetzt werden. Auch Rattengift oder Insektizide fallen darunter. Es ist wohl wenig überraschend, dass solche zellschädigenden Substanzen auch für den Menschen nicht bedenklich sein können. Ein großes Problem ist allerdings, dass man nicht wirklich weiß, wie groß die Gefahr ist, die von solchen Stoffen für den Menschen ausgeht. Nach neuer EU-Biozid-Verordnung müssen Biozide zwar ein zweistufiges Zulassungsverfahren durchlaufen, in dem Wirksamkeit und Sicherheit überprüft werden. Ältere Wirkstoffe unterliegen teilweise aber noch einer Übergangsfrist und dürfen zurzeit auch ohne noch eingesetzt werden. Studien spezifisch zur Sicherheit von Biozid-behandelten Textilien findet man kaum.
Ein Beispiel für solche High-Tech-Textilien mit Bioziden ist Menstruationsunterwäsche. Dabei handelt es sich um einen neueren Trend, der mehr Komfort für die Trägerinnen verspricht und auch nachhaltiger sein soll als Tampons und Binden. Schließlich lassen sich diese speziellen Slips jahrelang immer wieder verwenden, ohne wie die Wegwerfprodukte große Mengen an Plastikmüll zu produzieren. Für diejenigen, die noch nie davon gehört haben: Es handelt sich bei Menstruationsunterwäsche quasi um Unterhosen mit integrierter Binde. Sie bestehen in der Regel aus einer Außenschicht aus Baumwolle oder Kunstfaser und im Schritt einer zusätzlichen wasserdichten Membran aus Kunststoff, die das Auslaufen verhindert. Herzstück der Konstruktion bildet eine Saugschicht, die das Blut aufnimmt.
Die Slips werden den für mehrere Stunden am Stück getragen und die feuchtwarme Umgebung bietet logischerweise einen idealen Nährboden für Bakterien. Dies ist nicht nur aus hygienischen Gesichtspunkten relevant – natürlich ist auch eine unerfreuliche Geruchsbildung möglich. Aufgrund der verschiedenen eingesetzten Materialien, die sich bei hohen Waschtemperaturen verziehen könnten, empfehlen Hersteller oftmals nur Waschtemperaturen von 30–40 Grad. Bei solchen Temperaturen ist es möglich, dass Bakterien das überleben. Daher setzen einige – nicht alle – Hersteller eben auf Biozide. Die innere Schicht der Unterwäsche wird dann beispielsweise mit Zink-Pyrithion, Silberverbindungen oder Triclosan versetzt; entsprechend gekennzeichnet ist das aber nicht immer.
Wie bereits gesagt: Ob sich das Tragen von Biozid-behandelter Kleidung in irgendeiner Weise auf die Gesundheit auswirkt – positiv oder negativ – ist wenig oder gar nicht erforscht. Und ohne Studien ist das Ausmaß der Gefährdung auch schlecht einzuschätzen.
Als mögliche Gesundheitsgefahr werden allgemein allergische Reaktionen vermutet. Es gibt Zell- und Tierstudien, die auf weitere direkte gesundheitsgefährdende Effekte hinweisen, aber diese sind, wie so oft, schlecht auf den Menschen übertragbar. Die Versuchsbedingungen sind in Art und Höhe der Exposition nicht mit realen Tragebedingungen vergleichbar. Speziell bei Silberverbindungen wie Silberchlorid oder -nitrat ist allerdings auch vom Menschen bekannt, dass sie lokal reizend wirkend können. Dafür müssen sie allerdings hinreichend wasserlöslich sein, so zumindest die Annahme; das häufig eingesetzte Silberchlorid ist dies eher nicht. Zumindest bei der Unterwäsche sind die bioziden Wirkstoffe außerdem in der inneren Schicht verbaut und kommen daher nicht direkt mit der Haut in Berührung. Eine potenzielle Gefahr wird dadurch also verringert – ob sie ganz gebannt werden kann, ist aber ungeklärt.
Einen vielleicht größeren Grund zur Sorge stellen indirekte Effekte dar: Bei der antibakteriellen Wirkung ist es durchaus naheliegend, dass die natürliche Bakterienflora auf der Haut oder im Genitalbereich beeinträchtigt wird. Es wird auch angenommen, dass der andauernde Kontakt zu Bioziden zur Resistenzbildung von Krankheitserregern beitragen könnte.
Ein weiteres Problem ist, dass die Biozide nicht immer in oder auf den Textilien bleiben. Bei jedem Waschvorgang können mal mehr, mal weniger große Anteile der Chemikalien ausgewaschen und dann in die Umwelt eingetragen werden. Und zum Beispiel die schon erwähnten Silberverbindungen sind als gewässergefährdend eingestuft. Eine Untersuchung des schwedischen Chemikalienamtes KEMI zeigte, dass aus 10 von 30 examinierten Stoffproben nach 3 Wäschen bei 40 Grad bereits mehr als 43 % des enthaltenen Silberchlorids entwich. Eine ähnliche Analyse der schwedischen Wasser und Abwasser Vereinigung von 9 verschiedenen Sportklamotten zeigte, dass diese nach zehn Wäschen im Median bereits 72 % ihres Silbergehalts ans Waschwasser verloren hatten. Eine andere Untersuchung von Socken mit Silbernanopartikeln ergab, dass 3 der 6 getesteten Paare fast 100 % ihres Silbergehaltes in das Waschwasser abgaben – nach 4 Waschgängen. Die Untersuchungen beziehen sich allerdings immer nur auf kleine Stichproben. Wie viel Silber bei der Wäsche entweicht, ist zudem maßgeblich von verschiedenen Faktoren abhängig: dem pH-Wert des Waschwassers, dem Einsatz von Bleichmitteln und der Art und Qualität der Verarbeitung.
Aber nicht nur zur Sicherheit fehlen Studien – auch ob das Tragen der vermeintlich hygienischeren Wäsche irgendwelche zuträglichen Gesundheitseffekte hat, bleibt unerforscht. Angesichts der unsicheren Studienlage ist es kein Wunder, dass deutsche Behörden eher von der Benutzung von Bioziden in Kleidung abraten. So positionierte sich das Bundesinstitut für Risikobewertung Anfang 2022 gegenüber der deutschen Presseagentur wie folgt: „Solange keine Bewertung – weder auf gesundheitliche Risiken, noch auf Wirksamkeit – durchgeführt wurde, sehen wir den Einsatz biozider Stoffe, insbesondere in direktem Hautkontakt, kritisch.“ Auch das Bundesumweltministerium äußert sich kritisch und rät angesichts der potenziellen Risiken, den Einsatz von Bioziden wo möglich einzuschränken.
Die Position ist gut nachvollziehbar, denn der Mehrwert von Bioziden in Kleidung hält sich in Grenzen. Auch regelmäßiges Waschen der Kleidung kann einer Geruchsbildung und ungehinderter Bakterienvermehrung effektiv vorbeugen. Plus: Egal, ob Sportsocke oder Periodenslip – es handelt sich bei den vorhandenen Bakterien (im Regelfall) um Bewohner der natürlichen Hautflora, mit denen der Mensch ohnehin jeden Tag konfrontiert ist. Gesunde Menschen, die sich sonst an übliche Hygienemaßnahmen halten, haben davon gesundheitlich nichts zu befürchten.
Quellen:
Bildquelle: Erik Mclean, unsplash