Die meisten Schilddrüsenknoten sind harmlos. Aber bei welchen solltet ihr wirklich genauer hinschauen? Bringt hier eure Diagnosekenntnisse auf den neuesten Stand.
Schilddrüsenknoten gibt es in Deutschland wie Sand am Meer – je nach Altersgruppe und wie genau man hinschaut, findet man diese Gewebeveränderungen bei 30 bis 70 % der Deutschen. Glücklicherweise machen sie in der Regel auch keine Probleme. „Das Malignitätsrisiko von Schilddrüsenknoten in Deutschland ist ungefähr 1 %“, stellt Prof. Jörg Bojunga, stellvertretender Direktor des Universitätsklinikums Frankfurt, fest.
Ein großangelegtes Screening-Programm auf Schilddrüsenkarzinome ist daher nicht nötig – wie das Beispiel Südkorea zeigt, führt so etwas eher zu Überdiagnosen und -therapien. Dennoch fallen die Knoten häufig als reiner Zufallsbefund auf, beispielsweise beim Schallen der Karotis. Findet man nun bei seinem Patienten einen, stellt sich die Frage: Was jetzt? Ist weitere Diagnostik nötig?
Um diese Frage ging es in Bojungas Vortrag auf dem diesjährigen DGIM-Kongress. Die Kernfrage ist natürlich, wie hoch das Risiko ist, dass ein Knoten nicht doch ein Karzinom ist. Einen Anhaltspunkt für die Risikokalkulation bietet Bojunga zufolge bereits das Alter des Patienten: Bei jüngeren Patienten unter 30 Jahren ist das Malignitätsrisiko nämlich etwas erhöht (2,8 %).
Weitere wichtige Anhaltspunkte liefert natürlich die Sonographie. Hier kann man sich merken: Vollständig oder größtenteils zystische Knoten sind nur mit einem sehr geringen Risiko verbunden. Kommen andere Faktoren dazu, sollte man jedoch hellhörig werden. Dazu gehören Mikrokalzifizierungen oder eine unregelmäßige Begrenzung der Knoten. Auch ‚taller-than-wide‘ – also in die Tiefe wachsende – Knoten sind mit einem hohen Malignitätsrisiko verbunden, ebenso Ringverkalkungen und kapselüberschreitende Knoten. Ein wichtiger Befund, der laut Bojunga häufig übersehen wird, sind Lymphknotenmetastasen.
Neuere Score-Systeme wie ACR TI-RADS oder EU-TIRADS erleichtern die Charakterisierung der Knoten: Sie erfassen Einzelkriterien wie die Komposition, die Echogenität und weitere Faktoren wie Kalzifizierungen in einem Punktesystem und erlauben so eine genauere Einteilung in Risikoklassen. „Der Vorteil der Sache ist: Sie können damit jeden Knoten charakterisieren. Nachteil ist: Es ist ein bisschen anspruchsvoller.“
Erst ab einer Knotengröße von 1 cm empfehlen sich – je nach Risiko – weitere Untersuchungen. Handelt es sich um einen gutartigen Knoten mit einem Risiko < 1 % ist keine weitere Diagnostik gefragt; bei niedrigem Verdacht empfiehlt sich erst ab Größen von 1,5–2 cm eine weitere Abklärung. Die Größe der Knoten spielt dabei lediglich wegen der Prognose einer potentiellen Krebserkrankung eine Rolle. Bojunga betont: „Die Größe hat nichts damit zu tun, ob der Knoten maligne sein könnte oder nicht. Große Knoten sind nicht häufiger maligne als kleine Knoten.“
Ist eine weitere Diagnostik angebracht, gilt die Feinnadelpunktion (FNA) als Goldstandard. Diese hat allerdings zwei Nachteile: Wie gut sie funktioniert, hängt maßgeblich an der Treffsicherheit des durchführenden Arztes und sie wird schlecht vergütet. Aber nicht in jeden verdächtigen Knoten muss reingestochen werden. Auch andere Verfahren eignen sich, um einen Krebsverdacht auszuschließen – teilweise sogar besser.
Autonome Adenome beispielsweise lassen sich nur durch eine Szintigraphie ausschließen, so Bojunga. In der sonographischen Untersuchung zeichnen sich autonome Adenome durch keine einheitliche Morphologie aus; TIRAD-Systeme erkennen sie nicht und empfehlen in diesen Fällen meist eine FNA. Diese kann die Autonomie aber auch nicht ausschließen, sondern nur zytologisch eine follikuläre Neoplasie feststellen – die im Falle der Autonomie aber nicht bösartig ist. Bojunga gibt weiter zu bedenken, dass auch bei normalen TSH-Werten eine Autonomie vorliegen kann. „Zum Ausschluss der Autonomie brauchen Sie eine Szintigraphie.“
Auch um das Calcitonin-Screening kommt man nicht herum: Medulläre Schilddrüsenkarzinome, die mit erhöhten Calcitonin-Werten einhergehen, werden von TIRADS ebenfalls nicht sicher erkannt. Während die Calcitonin-Messung zwar nur einen niedrigen positiv-prädiktiven Wert hat, ist der negativ-prädiktive Wert hoch und hilft medulläre Schilddrüsenkarzinome auszuschließen.
Die allermeisten Schilddrüsenknoten wachsen über einen langen Zeitraum nicht. Studien aus Italien konnten zeigen, dass rund 90 % aller Schilddrüsenknoten über 10 Jahre hinweg gleich groß bleiben oder sogar kleiner werden. Stellt man nun doch einmal im Ultraschall fest, dass ein Knoten gewachsen ist, sind Patienten erstmal besorgt. Für diese gibt Bojunga allerdings Entwarnung: „Die meisten Knoten die gewachsen sind, sind gutartig.“ Im Gegenzug heißt fehlendes Wachstum nicht, dass ein Knoten nicht auch bösartig sein kann. Auch die meisten papillären Schilddrüsenkarzinome wachsen über lange Zeiträume nicht, mahnt Bojunga. Daher gilt: „Das Größenwachstum von Knoten, sonographisch bestimmt, ist kein Malignitätskriterium.“
Eine weitere Messmethode, die für Schilddrüsenknoten keinen Mehrwert bringt, ist die Doppler-Untersuchung. „Früher dachte man, [eine] perinoduläre Vaskularisation sei eher gutartig, eine intranoduläre Vaskularisation sei eher bösartig“, erzählt Bojunga. Das habe jedoch keine Bedeutung mehr, in Studien konnte diese Vermutung nicht belegt werden. Dementsprechend gilt: Die Vaskularisation lässt keine Prädiktion der Malignität eines Knoten zu. Aber nicht vergessen: Das gilt für die Schilddrüse – bei Lymphknoten oder der Nebenniere sei das anders, betont Bojunga.
Einen Mehrwert bringt hingegen die Elastographie, wenn einem das Verfahren zur Verfügung steht. Diese habe einen guten negativ-prädiktiven Wert, erzählt Bojunga: „Weiche Knoten sind eigentlich immer gutartig.“ Harte Knoten sind allerdings nicht automatisch maligne.
Eine Hilfe können auch online verfügbare Risikorechner bieten, die unter Berücksichtigung der sonographischen und anamnestischen Ergebnisse weitere Handlungsempfehlungen geben. Bojunga empfiehlt dafür insbesondere das Tool der amerikanischen Gesellschaft niedergelassener Endokrinologen AACE.
Ist das Risiko für Malignität gering, gilt hauptsächlich: Abwarten und Teetrinken. Bei gutartigen Knoten ist meist keine Therapie indiziert. In einem weiteren DGIM-Vortrag empfiehlt Prof. Joachim Feldkamp, Direktor der Universitätsklinik für Allgemeine Innere Medizin, Endokrinologie, Diabetologie und Infektiologie am Klinikum Bielefeld Mitte, bei symptomlosen Inzidentalomen ohne Malignitätskriterien lediglich eine erste Verlaufsbeobachtung nach 6–12 Monaten. Besteht ein ausdrücklicher Therapiewunsch seitens des Patienten oder hält ein Arzt die Behandlung für sinnvoll, empfiehlt sich als konservative Therapie eine Kombinationsbehandlung mit Iod und L-Thyroxin. Diese ist in der Lage, das Neuauftreten und Wachstum bestehender Knoten zu reduzieren.
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Bildquelle: Markus Spiske, unsplash